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Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

Ein Tag auf dem Salon du Livre de Paris

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Jedes Jahr im Frühjahr trifft sich die französische Buchbranche in Paris zum Salon du Livre – in diesem Jahr vom 24. bis 27. März 2017. Da Frankreich im Oktober Gastland der Frankfurter Buchmesse sein wird und ich schon im letzten Dezember Pariser Luft geschnuppert hatte, als ich eine Vorlesung für die dortigen Buchwissenschaftsstudierenden halten konnte, entschied ich mich, zumindest für einen Tag den Salon du Livre aufzusuchen – am Montagmorgen, dem Fachbesuchertag. Ein persönlicher Messebericht.

Tulpen in Paris. Foto: Veronika Licher

Die Pariser Messe beschränkt sich auf eine Halle des Ausstellungsgeländes an der Porte de Versailles – unter diesem Aspekt kein Vergleich mit den Messen in Leipzig oder Frankfurt. Auffallend ist, wie ästhetisch die meisten Stände gestaltet und dekoriert sind – und sei es mit riesigen Tulpensträußen. Sie zeichnen sich durch klares Design aus, das in den Buchcovern weitergeführt wird (oder eher umgekehrt …). Und auch den Verlagsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern merkt man ein gewisses „Pariser Flair“ an. Ein erfreuliches Bild insgesamt.

Besonders hervorstechend der buchstäblich herausragende Stand des Gastlandes Marokko – ein riesiges, in die Höhe gezogenes Buchregal präsentiert in jedem Fach einen Autor oder eine Autorin, entweder mit einer Textseite oder einem Hörbuch-Ausschnitt. So ergibt sich im Vorbeigehen ein Vielklang marokkanischer Literatur – vermischt mit den Reden auf der dahinterliegenden Veranstaltungsarena.

Marokko war in diesem Jahr Gastland der Pariser Buchmesse. Foto: Veronika Licher

Die Vielfalt der marokkanischen Literatur in einem Bücherregal. Foto: Veronika Licher

Das Messerestaurant sorgte ebenfalls für marokkanische Genüsse – und das früher als nicht so begeisternd beschriebene Speiseangebot auf der Messe wurde diesmal durch Street Food erweitert, das offensichtlich gut angenommen wurde.

Aber zu den „wichtigen“ Dingen, dem Lizenzgeschäft auf der Buchmesse …

Eine Veranstaltung am Stand der französischen Verlegergemeinschaft über aktuelle Trends im deutschen Buchmarkt, u. a. mit Heinrich von Berenberg (Berenberg Verlag) und Sabine Erbrich (Suhrkamp Verlag), widmete sich dem Thema …

Wenn man keinen der wenigen Sitzplätze direkt vorm Podium erwischt hatte, war es fast nicht möglich, der Diskussion zu folgen: Zahlreiche intensiv diskutierende und verhandelnde Grüppchen füllten den Raum mit einem enormen Stimmengewirr – das Lizenzgeschäft war offensichtlich in vollem Gange.

Der Gemeinschaftsstand der Frankfurter Buchmesse präsentierte unter anderem eine Bücherkollektion zu Graphic Novels. Foto: Veronika Licher

Auch die Frankfurter Buchmesse hatte wieder einen Gemeinschaftsstand ausgerichtet – und Julie Bierling, zuständig für internationale Projekte, hatte rund um die Uhr zu tun.

Mein spezielles Interesse war auf asiatische Literatur gerichtet, die auf Französisch erschienen ist – sowohl koreanische als auch chinesische oder japanische Literatur spielen in Frankreich wohl eine weitaus größere Rolle als in Deutschland. Die Éditions Philippe Picquier aus Arles zeigen eine große Bandbreite asiatischer Titel. Und speziell koreanische Literatur wird seit 5 Jahren bei den Éditeurs Decrescenzo verlegt. Die Mutter des Verlagsleiters Franck de Crescenzo stammt aus Korea – was seine Eltern dazu brachte, den Verlag zu gründen.

sowie Werke chinesischer Autorinnen und Autoren. Fotos: Veronika Licher

Aus dem Koreanischen übersetzte Titel bei den Éditions Philippe Piquier

Der koreanische Gastlandauftritt im letzten Jahr hatte deren Titeln einen weiteren Auftrieb gegeben. Und ich hatte in Paris bereits auf asiatische Literatur spezialisierte Buchhandlungen entdeckt wie Le Phénix am Boulevard de Sébastopol. Auch die Librairie L’invit’ à lire in der Rue du Château Landon hat eine gute Auswahl zu bieten.

Wer koreanische oder chinesische Literatur finden will – und nicht gleich nach Seoul oder Peking reisen möchte –, ist hier auf jeden Fall richtig und kann spannende Entdeckungen machen.

Eine große internationale Vielfalt kreativer Frauen und ihrer Leistungen in einem Lexikon. Foto: Veronika Licher

Tolle Verlage von Frauen (nicht nur) für Frauen finden sich ebenfalls auf dem Salon du Livre – bei Sabine Wespieser entdeckte ich neben zahlreichen mit dem Prix Femina gekrönten Autorinnen und Autoren mehrere Titel der neuseeländischen Autorin Fiona Kidman, deren wunderbar zu lesende Biografie der neuseeländischen Fliegerin Jean Batten schon im letzten Jahr, übersetzt von Barbara Weidle, auf Deutsch erschienen ist.  Die Autorin ist seit 12 Jahren in diesem Verlag zu Hause und darüber sehr glücklich.

„des femmes“ präsentieren ein „Dictionnaire universel des Créatrices“ – unglaublich, wie vielfältig die dort vorgesellten Frauen in ihrer Schaffenskraft sind – und welches kreative Potential in diesem Werk versammelt ist! Naïma Laoudadi, die die Nationalmannschaft der algerischen Fußballerinnen gründete, die chinesische Autorin und Psychologin Bi Shumin, die neuseeländische Regisseurin Jane Campion – und natürlich bei uns bekanntere Frauen wie Virginia Woolf oder auch Fanny Mendelssohn.

Ich könnte noch eine Weile weitererzählen, über die Literatur aus dem Magrheb, die französischen Regionen, die sich mit zahlreichen unabhängigen Verlagen vorstellten, chinesische Infostände und Pandabären und natürlich die sehr vielfältigen Bandes dessinées: Ab 14 Uhr jedoch strömten zahlreiche Schulklassen auf das Gelände – und die Mitarbeiter an den Manga-Ständen mussten im Akkord Plakate rollen und verteilen.

Insofern habe ich mich dann doch lieber noch in die Sonne gesetzt in ein Pariser Café – und mit einem französischen Kollegen über die Branche und die aktuellen Tendenzen geplaudert.

Der Besuch hat sich auf jeden Fall gelohnt – und da der TGV von Mannheim so eine wunderbare Verbindung darstellt, ist er auch in einem Tag gut zu schaffen. Und ich bin schon gespannt auf die weiteren Veranstaltungen, die sich im Laufe des Jahres bis zur Frankfurter Buchmesse noch ergeben werden.

Autor: Veronika Licher

Veronika Licher, Dipl.-Inform., arbeitet in vielfältiger Weise mit Menschen und mit Büchern, liebt nahe und ferne Länder und bringt als Redakteurin, Lektorin und Coach gerne das eine mit dem anderen zusammen. Sie begleitet neben deutsch-chinesischen Projekten und Übersetzungslektoraten Buchproduktionen zum Beispiel im Bereich Psychotherapie. Als Coach ist es unter anderem ihr Anliegen, Menschen mit vielfältigen Begabungen Orientierung zu geben und ihnen zu helfen, interdisziplinär und kreativ ihre essenziellen Träume zu realisieren.

4 Kommentare

  1. Total interessanter Bericht! Bitte berichte weiter über ähnliche Begegnungen mit der frankophonen Literatur. Hier in Hamburg sind wir so weit weg von allem …

  2. Ein praller Tag in einem prallen Leben, wunderbar erzählt 🙂

    Liebe Grüße, Veronika,
    Evy

  3. Sehr informativ! Herzlichen Dank für diesen Beitrag, liebe Veronika! Gabriele

  4. vielen Dank für den report, ich war zwei Tage zuvor dort, um neue Lizenzkontakte zu knüpfen, und habe die spezielle Atmosphäre dort ganz ähnlich erlebt. Beste Grüße, Rose Hofmann

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