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Leseaktion zur Bücherverbrennung Königsplatz/München

München liest aus verbrannten Büchern

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Pracht und Größenwahn: der Münchner Königsplatz

Der Königsplatz in München blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Anfang des 19. Jahrhunderts gab ihn König Ludwig der I. seinem Architekten Karl von Fischer nach dem Vorbild der Akropolis in Auftrag. Leo von Klenze vollendete das Werk und die angrenzende Glyptothek im Stil des europäischen Klassizismus. Als Adolf Hitler 1930 im nahegelegenen „Braunen Haus“ einzog, plante er jedoch eine Umgestaltung des Platzes als Aufmarsch-Feld und Bühne für die Nationalsozialisten. Sein Architekt Paul Ludwig Troost pflasterte nach der „Machtergreifung“ 1933 die Grünflächen mit Granitplatten. Heute ist der Königsplatz ein Magnet für Bewohner ebenso wie für Touristen. Sie genießen die Sonne auf den wieder begrünten Flächen, erleben Open-Air-Konzerte oder -Kinofilme und bewundern jahrtausendealte Kunst in Glyptothek und Antikensammlung.

Vorlesen aus verbrannten Büchern auf dem Münchner Königsplatz. Foto: Schubert.

Vorlesen aus verbrannten Büchern auf dem Münchner Königsplatz. Foto: Schubert.

 „Schädliches und unerwünschtes Schrifttum“

Der Ort symbolisiert aber auch die Verachtung geistigen Eigentums vor 81 Jahren. Wie in 21 anderen deutschen Universitätsstädten wurden hier am 10. Mai 1933, wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nazis, Bücher von kritischen, kommunistischen und jüdischen Autoren verbrannt. Der Rektor und Studenten der LMU inszenierten einen nächtlichen Fackelzug vom Lichthof der Münchner Universität hin zum Königsplatz. Unter den 50.000 Brandstiftern befanden sich auch Professoren, NS-Organe – und „ganz normale“ Münchner Bürger. Die Nationalsozialisten verfemten Schriftsteller wie Kurt Tucholsky, Erich Kästner oder Karl Marx. Auch Anna Seghers, Vicky Baum oder Irmgard Keun standen auf der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ und fielen den Flammen zum Opfer. Viele der vernichteten Bücher sind bis heute weitgehend unbekannt. In den Folgemonaten verbrannten die Nationalsozialisten in 60 deutschen Städten unzählige Bücher und zerstörten ganze Bibliotheken.

 „Die Waffen nieder!“

„Damit kein Gras über die Geschichte wächst”, erstellte der Künstler Wolfram P. Kastner am 10. Mai 2014 wie auch in vergangenen Jahren einen Brandfleck im Rasen des Königsplatzes. Er moderierte gemeinsam mit Ricci Hohlt die Aktion „‘Die Waffen nieder!‘ Lesen aus verbrannten Büchern“ des Instituts für Kunst und Forschung. Interessierte Münchnerinnen und Münchner hatten die Gelegenheit, vor den Stufen der Antikensammlung fünf Minuten lang zu lesen – aus Werken von Künstlern, deren Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt oder verbannt wurden. Die Lesung zog sich über den ganzen Tag hin und verlagerte sich abends in die Kammerspiele. Zu den Veranstaltern zählten neben vielen kulturellen Einrichtungen auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, das PEN-Zentrum sowie der Verband Deutscher Schriftsteller. Unter den Leserinnen waren Mitglieder der Bücherfrauen und der Münchner Autorinnenvereinigung „IsarChillies“.

Autor: Kathrin Schubert

Romanistin M. A., arbeitet seit 2002 als freie Autorin, Lektorin ADB und Übersetzerin in München. In der Reihe „Bibliothek der Entdecker“ (Frederking & Thaler/GEO) erschienen ihre Bildbiografien „Maria Sibylla Merian. Reise nach Surinam“ und „Jacques Cousteau. Expedition Tiefsee“. Sie schreibt Reisetexte und pflegt den Geschichtsblog https://diewortjongleurin.wordpress.com. Website: www.kathrin-schubert.de

3 Kommentare

  1. Schöner zutreffender informativer Text! Gut geschrieben, liebe Kathrin Schubert. Und eine tolle Aktion, die jedes Jahr in München stattfindet. Wiederholung beginnt mit Vergessen. Herzlichst, Marie!

  2. Eine richtige und wichtige Aktion – wäre schön, wenn sie in kommenden Jahren wieder so oder ähnlich stattfinden würde!

  3. Guter Text…..gute Aktion

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