BücherFrauen

Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

81. Gedenktag der Bücherverbrennungen in Deutschland

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Bericht von den Gedenkveranstaltungen in Hamburg

Im Rahmen des 6. Klotzfestes (Engagement für ein Deserteursdenkmal) trugen Autorinnen der GEDOK, der BücherFrauen und des P.E.N. zur Erinnerung an den 81. Jahrestag der Bücherverbrennungen 1933 Texte verbotener Autorinnen und Autoren vor. Moderation und Einführung: Nina George, BücherFrau, GEDOK- und P.E.N-Mitglied.

Die Aktion – auszugsweise – im Wortlaut:

„Ich sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners. Begräbniswetter hing über der Stadt. Der Kopf einer zerschlagenen Büste Magnus Hirschfelds stak auf einer langen Stange, die hin und her schwankte. Es war widerlich.“ // Erich Kästner.

Vor 81 Jahren, am 10. Mai 1933 brannten in 21 deutschen Universitätsstädten Scheiterhaufen. Bis zum 9. Oktober brannten 56 Bücher-Schaffotts im ganzen Land; in Hamburg sogar fünfmal. In einer konzertierten, sorgsam vorbereiteten Massenaktion wurde das Projekt „Aktion wider dem undeutschen Geist“ vom Büro Goebbels, unterstützt von Studenten, Professoren und Bibliothekaren, Zug um Zug umgesetzt.

Brave Bürger machten mit

Auf den Opernplatz in Berlin juchzten 70.000 Zuschauer, während Uniformierte der NS-Studentenschaft, Sturmriemen unterm Kinn, Autoritätshörigkeit im Blick, tausende Bücher ins Feuer warfen. Begleitet von Femesprüchen, die ihnen das Büro Goebbels Wort für Wort diktiert hatte, vernichteten sie jene Bücher, die ihnen manch ach so braver Bürger eilfertig nachgetragen hatte. Als es hieß, die eigene Bibliothek in der guten Stube zu säubern, und auch die des Nachbarn, des Freundes, der Ehefrau, und die Bücherregale in den Wohnungen zu befreien.

Die Schwarze Liste

550 Autorinnen und Autoren galt es, zu vernichten. Kästner, Feuchtwanger, Baum, Sachs, Freud, Canetti, Mann, Brecht, Wissen, Freiheit, Kritik, Liebe, Menschenrecht, Mut, Widerstand: weg damit!

„Dies Volk hätte genauso zufrieden glotzend gestanden, wenn sie die lebendigen Menschen verbrannt hätten. Dann ging alles müde, satt und auf seine Kosten gekommen nach Hause“, schrieb der deutsche Schriftsteller Arnold Zweig später über diese Tage.

So trug man in Deutschland von Mai bis Oktober 1933 abertausende Bücher zum Scheiterhaufen. Mit Feuereifer. Bibliotheken. Studenten. Professoren. Soldaten. Hitlerjugend. Und ganz normale Leute. Sie machten einfach mit. Die Autorinnen und Autoren der Schwarzen Liste verloren ihre Lesern, verloren ihr Zuhause und viele verloren ihr Leben.

Genau das haben die Brandstifter bewirken wollen: Das Vergessen für immer.

Es ist ihnen nicht gelungen.

Denn wir vergessen nicht!

Am 10. Mai haben wir, die Frauen der Literaturgruppe der GEDOK, an einige verfolgte, zum Schweigen verdammte Stimmen erinnert, die hier in Hamburg verbrannt wurden im Jahr 1933: am Kaiser-Friedrich-Ufer, am Lübeckertorplatz, in den Bobeger Dünen, in Privatgärten in Eimsbüttel und Lohbrügge.

Wir geben ihren verbrannten Stimmen unsere Stimme.

Inga Sawade für Erich Maria Remarque,

Daniela Kletzke für Marieluise Fleißer,

Maresa Lühle für Abraham Sutzkever,

Nina George für Erich Kästner, Oskar Maria Graf und Bertolt Brecht.

Die Vorsitzende der GEDOK Hamburg, Dr. Sabine Rheinhold, stellt den Roman „451 Grad Fahrenheit“ von Ray Bradbury vor.

451 Grad Fahrenheit – 232,7 Grad Celsius – ist jene Temperatur, bei der Papier, also auch Bücher, sich selbst entzündet. In dem Bradbury-Roman wird von einer Dystopie erzählt, in der die Feuerwehren nicht mehr Brände löschen, sondern entfachen. Zielsicher zerstören sie Bibliotheken, spüren jedes noch so gut versteckte Buch auf, um es zu vernichten. Ausgerechnet der Feuerwehrmann Montag wird zum Widerstandskämpfer und trifft „lebende Bücher“ – Menschen, die die verbotenen Romane auswendig lernten, Wort für Wort, für eine Zeit, in der Bücher wieder erlaubt sein werden …

Die Bücherverbrennung (Auszug)

Von Bertolt Brecht

„… Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich!
 Tut mir das nicht an! Laßt mich nicht übrig! Habe ich nicht
 Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt
, Werd ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch,
 Verbrennt mich!”

Brecht bezog sich auf Oskar Maria Graf. In einem bundesweiten, offenen Protestbrief schrieb dieser:

„… die Vertreter dieses barbarischen Nationalismus unterstehen sich, mich als einen ihrer „Geistigen” zu beanspruchen, mich auf ihre so genannte „weiße Liste” zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze Liste sein kann! Diese Unehre habe ich nicht verdient!

Nach meinem ganzen Leben und Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Alle anständigen Zeitungen werden um Abdruck dieses Protestes ersucht: Oskar Maria Graf.“

Auch heute noch brennen Bücher.

In Bagdad. In China. In Moskau. In den USA.

Es liegt an uns allen, zu verhindern, dass Wissen, Freiheit und Meinung vernichtet werden.

 

Schlusswort: Ich bedanke mich bei all jenen Menschen, die aufstehen, zuhören und dagegen angehen, wenn die Freiheit des Wortes in Gefahr ist.

Und ich bedanke mich bei Ihnen, die mitten im Lauf hier stehen geblieben sind, um uns zuzuhören. Denn erst wer zuhört, der versteht die Welt. // Nina George.

Sechstes Klotzfest für ein Deserteursdenmal und 81. Gedenktag der Bücherverbrennung. Foto: Senenko.

Sechstes Klotzfest für ein Deserteursdenmal und 81. Gedenktag der Bücherverbrennung. Foto: Senenko.

 

Weiterführende Links:

10.05.2013 – „Verbranntes Wissen?” Gedenkrede zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung an der Humboldt-Universität

http://www.pen-deutschland.de/de/2013/05/17/wolfgang-benz-gedanken-toten-um-den-feind-zu-vernichten/

http://www.euchzumtrotz.de

http://www.gedenken-eimsbuettel.de

 

Kommende Veranstaltungen in Hamburg zum Gedenken an die Bücherverbrennungen:

Hamburg liest und setzt damit ein Lese-Zeichen gegen rechts

Bei hoffentlich schönstem Wetter, umsonst und draußen:

 

Donnerstag, 15. Mai 2014, 11–18 Uhr

14. Marathonlesung aus den verbrannten Büchern

Genau dort, wo am 15. Mai 1933 NS-Studentenorganisationen und Burschenschaftler Bücher verbrannten. Ort: Platz der Bücherverbrennung, Hamburg-Eimsbüttel, Kaiser-Friedrich-Ufer/Ecke Heymannstraße.

Eröffnung durch Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees und Wolfgang Rose (eh. ver.di-Vorsitzender, Kulturverein Be 60).

Wir erwarten Schülerinnen und Schüler der Schule an der Isebek, der Ida-Ehre-Schule, des Kaifu-Gymnasiums. Und Peggy Parnass, Steffi Wittenberg, Rolf Becker, Sylvia Wempner, Abi Wallenstein, den Klezmerlech-Chor der Liberalen Jüdischen Gemeinde, Klaus Robra, Thomas Ebermann und viele andere mehr.

Lesen Sie mit! Gegen das Vergessen

Für Kurzentschlossene gibt’s immer noch ein Leseplätzchen!

Lesen Sie selbst vor: Ein Gedicht oder einen Text aus einem der verbrannten Bücher. Für Kurzentschlossene liegen ausgewählte Lesetexte bereit. Einfach nur zuhören ist natürlich auch ausdrücklich erwünscht.

Eine Veranstaltung im Rahmen des Monats des Gedenkens in Hamburg-Eimsbüttel www.gedenken-eimsbuettel.de

Weitere:

20.05.2014 – 19:00

Deutsch-jüdische Literatur 1960–2010. Ein Lesekreis (Beginn)

Karolinenstraße 35 (Nähe U-Messehallen)

Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule (Hamburger Volkshochschule)

http://www.gedenken-eimsbuettel.de/de/dienstag-20-mai-2014-1900/deutsch-juedische-literatur-1960-2010-ein

25.05.2014 – 17:00

Film „Der Tag, an dem die Bücher brannten“

Kino METROPOLIS, Kleine Theaterstr. 10

VVN-BdA Hamburg mit dem kommunalen Kino METROPOLIS

http://www.gedenken-eimsbuettel.de/de/sonntag-25-mai-2014-1700/film-der-tag-dem-die-buecher-brannten

Autor: Nina George

Die mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin Nina George schreibt Romane, Sachbücher, Thriller, Reportagen, Kurzgeschichten sowie Kolumnen. Ihr Roman „Das Lavendelzimmer" stand 63 Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, wird in 35 Sprachen übersetzt und war u.a. New York Times Bestseller. Mit ihrem Ehemann, Schriftsteller Jo Kramer, schreibt sie unter „Jean Bagnol“ Provencethriller. Nina George ist Beirätin des PEN-Präsidiums und WWC-Beauftragte, Bundesvorstandsmitglied des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, sowie Gründerin der Initiative Fairer Buchmarkt. Sie lebt in Berlin und der Bretagne. 2017 wurde George als BücherFrau des Jahres ausgezeichnet. www.ninageorge.de

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