Um aufzuzeigen, dass Autorinnen keineswegs Ausnahmen in der Literaturgeschichte sind, werden wir ab jetzt monatlich die Lieblingsautorinnen und -bücher von BücherFrauen vorstellen, um so auf (vergessene) Schriftstellerinnen aufmerksam zu machen, die große Vielfalt ihrer Werke aufzuzeigen und anzuregen, diese zu lesen. Heute stellt die Übersetzerin Gabriele Haefs als Erste ihre Auswahl vor.

Foto: Miguel Ferraz
Gabriele Haefs, geboren in Wachtendonk am Niederrhein, lebt in Hamburg. Seit den 1980er Jahren ist sie als Übersetzerin aus dem Norwegischen, Dänischen, Schwedischen, Englischen, Niederländischen und Gälischen tätig. Für ihre übersetzerischen Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Drei Autorinnen:
Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916), die erste Klassikerin, die ich ganz allein entdeckt habe, mit 16 in der Stadtbücherei. Sie lese ich immer wieder, vor allem die Erzählungen – so viel Menschenkenntnis, so viel Humor, solche Formulierungsgabe. Und solches Engagement für die damals entstehende Frauenbewegung.
Sigrid Undset (1882 – 1949), norwegische Nobelpreisträgerin, Autorin grandioser historischer Romane („Kristin Lavranstochter“). Noch mehr liebe ich ihre Gegenwartsromane, in denen junge Frauen, so um 1900, gegen alle gesellschaftlichen Voraussetzungen ihren eigenen Weg suchen. Und Mittelalter wie Gegenwart: Alle Frauen in ihren Büchern lieben voller Leidenschaft und wissen noch, was Rache ist.
Franziska zu Reventlow (1871 – 1918), aus Husum, bestimmt spricht mich das Nordische in ihren Büchern an. Ihr Leben in Schwabing hat ihr eine souveräne Verachtung der Konventionen dazugegeben. Und wie sie sich über den damaligen Zeitgeist lustig macht – die wahre Schule für geschliffene Spottkunst.
Drei Bücher:

Eris von Lethe: Irrsinnige Begegnungen. Edition Narrenflug
Ganz neu entdeckt: eine Autorin, die mit rheinischer Gelassenheit und rheinischem Sinn für Chaos schreibt. In jeder Geschichte eine Begegnung, die das Leben der Hauptperson auf den Kopf stellt und die eigentlich gar nicht passieren dürfte. Ein Buch voller Überraschungen, das mir noch wochenlang durch den Kopf spukte.
Ein altes Lieblingsbuch, gerade wieder aufgelegt. Es spielt um 1930 in Berlin, in einer Zeitungsredaktion, aber das meiste könnte auch heute sein. Verantwortungslose Massenmedien, immer auf der Suche nach der nächsten Sensation, Spekulanten, denen niemand auf die Finger haut, rechte Parteien, die billige Lösungen versprechen – es klingt jetzt nicht so, aber dieses Buch ist wahnsinnig komisch! Und klug.
Eine zu entdeckende Klassikerin: Amalie Skram (1846 – 1905), die sich mit den guten Bürgern in ihrer norwegischen Heimat dermaßen anlegte, dass sie nach Kopenhagen auswich und erklärte, auf ihrem Grabstein solle „dänische Schriftstellerin“ stehen. Neu erschienen und neu übersetzt: ihr autobiografischer Roman über einen Aufenthalt in der Psychiatrie. Die Ich-Erzählerin gerät an einen Halbgott in Weiß, der seine ganz besonderen Vorstellungen von der Rolle der Frau hat und statt Therapie lieber auf abstumpfende Medikamente setzt, schon 1890.
13. April 2017 um 11:36
„Kristin Lavranstochter“ habe ich verschlungen. Danke für die Erinnerung an Sigrid Undset.
13. April 2017 um 12:51
Oh wie schön und sinnvoll sind diese Empfehlungen!
Einerseits, um mit dem Blick auf gestern das Heute zu verstehen, andererseits, um sich beim Lesen bewusst zu werden, dass damals wie heute vieles noch zum Besseren verändert werden muss.
15. April 2017 um 15:06
Danke für diese tollen Lesetipps! Ich musste mich leider (wegen Umzug in kleinere Wohnung) von meiner Reiseliteratur und meinen Filmsachbüchern trennen, aber Gabriele Tergit (Im Schnellzug nach Haifa) habe ich selbstverständlich behalten. Für zwei, drei Deiner Empfehlungen finde ich aber sicher auch noch Platz im Regal!