In diesem Jahr starten wir mit den Tipps der Krimiautorin Zoë Beck, deren Thriller Die Lieferantin im vorigen Jahr erschien, denn bei den BücherFrauen gibt es nicht nur Frauen, die Bücher produzieren und verlegen, sondern auch etliche, die Bücher schreiben.
Zoë Beck schreibt selbst Bücher, übersetzt aus dem Englischen, ist Verlegerin von Culturbooks, und wenn sie mal nichts mit Büchern macht, macht sie immer noch etwas mit Sprache, nämlich Synchronregie und Dialogbücher für Film- und Fernsehproduktionen. Geboren wurde sie 1975, seitdem wechselte sie mehrfach Wohnort und Staat, jetzt lebt sie in Berlin und ärgert sich, dass sie nur drei Autorinnen und drei Bücher vorstellen durfte.
Drei Autorinnen:
Charlotte Perkins Gilman (1860 – 1935)
Es war mein Lieblingsseminar damals an der Uni während eines entsetzlich heißen Sommersemesters, es ging um die amerikanische Short Story, und ich wollte nur noch im Schatten sitzen und ganz viele Geschichten wie The Yellow Wallpaper/Die gelbe Tapete lesen. Seitdem habe ich viele Frauen kennengelernt, für die genau diese Geschichte ein Erweckungserlebnis war, und nicht umsonst heißt die feministische Autorinnengruppe, die wir vor ein paar Jahren gründeten, Herland, nach dem utopischen Roman von Charlotte Perkins Gilman. Was ich über die Autorin weiß, was ich von ihr gelesen habe, inspiriert mich und treibt mich an. Wie glücklich war ich, als ich vor Kurzem an der Berliner Schaubühne Die gelbe Tapete zu sehen bekam, inszeniert von der wunderbaren Regisseurin Katie Mitchell.
Ruth Rendell / Barbara Vine (1930 – 2015)
Ich benutze das Wort ungern, aber hier gibt es kein anderes:
Verschlungen habe ich ihre Romane seit den späten 1980ern. Irgendwoher hatte ich eine Ausgabe von Die Grausamkeit der Raben, und das gefiel mir so gut, ich wollte gleich alles von dieser Autorin lesen und wurde Fangirl. Sie schaffte es, Charaktere quer durch die Schichten, quer durch Bildungsniveaus so glaubhaft und plastisch zu erzählen, dass ich sie bis heute vor mir sehen kann. Diese intensive Figurenpsychologie hatte kaum eine andere Krimiautorin drauf. Natürlich war ich hier und da auch mal enttäuscht, vor allem, wenn ich schon nach zehn Seiten wusste, worauf die Geschichte hinauslaufen würde, aber trotzdem liebte ich ihren Stil über alles. Ob nun als Vine oder als Rendell. Als Rendell vielleicht doch etwas mehr.
Denise Mina (geb. 1966)
Man kann darüber spekulieren, woran es liegt, dass sich die Großartigkeit von Denise Mina in Deutschland noch nicht ganz herumgesprochen hat, aber eins ist sicher: Sie ist großartig. Von Anfang an hatte sie vor, feministische Bücher zu schreiben. Und weil sie ein breites Publikum erreichen wollte, packte sie ihre Themen einfach in – Krimis. Diese kluge, selbstbewusste, witzige Frau wickelte mich gleich mit dem ersten Buch, das ich von ihr las, um den Finger: Der Hintermann heißt es auf Deutsch, eine angehende Journalistin in den 1980er-Jahren, die sich in der Männerdomäne durchsetzen muss, ist die Hauptfigur, daraus wurde eine Reihe. Es gibt noch andere Reihen von ihr, immer mit Frauen, die gar nichts mit Powerfrauen und Superweibern zu tun haben, sondern echt sind und Probleme haben und sich durchsetzen müssen, und manchmal geht das gut, manchmal nicht so. Ich lese ihre Geschichten und denke: Wie clever sie der Leserschaft die eigenen Vorurteile um die Ohren haut. Wie liebevoll sie mit den schwierigsten Figuren umgeht. Wie Punkrock das alles in Wirklichkeit ist, was sie macht.
Drei Bücher:
Emmy Hennings: Gefängnis
Ich frage mich, warum – nein, nicht wirklich, es muss heißen: Ich ärgere mich, dass mir dieser Roman nicht schon in der Schule oder während des Studiums begegnet ist. Er gibt mir das Gefühl, jahrzehntelang betrogen worden zu sein von denen, die mir erklären wollten, was relevante Literatur ist. Eine junge Frau im Knast, und irgendwie landet sie dort, weil ihre Lebensumstände nicht so sind, wie sie wohl sein sollten. Zu frei, zu selbstbestimmt. Da sitzt sie nun mit den anderen Frauen, lässt sich erzählen, versucht klarzukommen. Expressiv und introspektiv erzählt, ein großartiges Zeitdokument, ein großes Stück Literatur, dem ich sehr viel mehr Aufmerksamkeit wünsche, damit auch Emmy Hennings endlich mehr in der Wahrnehmung ist als nur die „Ehefrau von“.
Dorothy Parker: Complete Stories
Sie rechnet ab mit der Gesellschaft, mit Männern und Frauen, zwingt ihre Figuren in stereotype Formen, weil die Zeit, in der sie lebte, dasselbe mit den Menschen, vor allem aber den Frauen tat. Ich mag die Bitterkeit und die Ironie, die Verzweiflung, mit der sie scheinbar ihre Protagonistinnen denunziert, eigentlich aber nur zeigt, wie entsetzlich das ganze Spiel, das sich Leben nennt, in Wirklichkeit ist.
Zadie Smith: NW
Ein buntes London, in dem Herkunft und Hautfarbe nicht mehr definieren, wo es im Leben langgeht. Vier Lebensläufe, die einmal ähnlich begannen, zumindest am selben Ort, und Zadie Smith erlaubt sich, formal zu experimentieren, was anstrengend ist und zugleich eine Freude. Solche Roman erinnern mich daran, wie wichtig es ist, Mut beim Schreiben zu haben, die eigenen Themen immer wieder zu suchen und zu finden und mit jedem neuen Buch wieder neu an der eigenen Stimme zu arbeiten.