Im Writers‘ Room e. V. braucht niemand spektakuläres Raumdesign. Alle, die dort in einer ehemaligen Dosenfabrik in Hamburg-Bahrenfeld unterm Dach arbeiten, gehen täglich in ihren inneren Welten spazieren und haben ihre Kreativität ins Zentrum ihres beruflichen Schaffens erhoben. Sie sind Schriftstellerinnen und Schriftsteller jeglicher Couleur und schreiben seit 1995 in einer 200-Quadratmeter-Atelierwohnung Seite an Seite. Die Tasten klacken, acht Menschen sitzen in einem schmucklosen Raum vor ihren Computern oder Laptops und gucken stundenlang schweigend auf den Bildschirm. Manchmal klingelt ein Handy, meistens steht dann jemand auf und eilt durch den Raum, um das Gespräch in der Küche fortzusetzen oder wenn sie besetzt ist, ins Treppenhaus oder den Vorraum auszuweichen, um mit Agentinnen, Verlagen oder Buchhändlern zu verhandeln. Die an die 40 Mitglieder des Writers‘ Rooms schreiben Romane, Theaterstücke, Lyrik, Hochliteratur, Unterhaltung, Drama, alles ist erlaubt. Sie verdienen im Literaturbetrieb ihr Geld oder gehen noch einem Brotberuf nach. Einige arbeiten zusätzlich als Übersetzerinnen, Journalisten, Lektorinnen oder Schreibcoaches. Und sie sind alle so unterschiedlich und facettenreich, dass die nüchterne Strenge des Raumes manchmal sogar gut ist als Kontrapunkt zu so viel Individualität.
Ich bin seit 1999 dabei, habe jahrelang im Vorstand mitgearbeitet, war von 2003 bis 2005 Vorstandsvorsitzende. Im Writers‘ Room habe ich die ersten Fassungen meiner fünf Romane geschrieben, die in den vergangenen zehn Jahren veröffentlicht wurden.
Das Prinzip dieses Vereines ist es, den Mitgliedern so viele künstlerische Freiheiten zu lassen, wie es nur geht. Es gibt kein Dogma, niemand muss das, was er schreibt, offenlegen oder von anderen Autoren aus dem Writers‘ Room lesen und kritisieren lassen. Alle Zusammenarbeit unter Autorinnen und Autoren, die hier natürlich auch entsteht, ist freiwillig. Man muss keine Bestsellerautorin sein, um im Writers‘ Room einen Platz zu ergattern und den Schlüssel für die Arbeitsräume zu bekommen, die man dann zu jeder Tages- und Nachtzeit nutzen kann. Was zählt, ist der unbedingte Wille, schriftstellerisch zu arbeiten, einerlei, ob man schon viele Veröffentlichungen vorweisen kann oder noch am Anfang steht. In den vergangenen zehn Jahren wurde der Hamburger Literaturförderpreis immer wieder an WR-Autoren vergeben. Wolfgang Schömel, Literaturreferent und schon immer großer Befürworter des Writers‘ Rooms, ist glücklich.
In einem Glasbüro im hinteren Raum der Atelierwohnung sitzt Hartmut Pospiech, seit 2004 Geschäftsführer und gute Seele des Writers‘ Rooms. Er sorgt dafür, dass die Schreibenden nicht verzweifeln, wenn sie den Kampf mit einem widerspenstigen Computer zu verlieren drohen. Er weiß eigentlich immer Rat und wenn nicht er, dann der IT-Berater Eibo Thieme, der selbst noch auf der Fähre zwischen Finkenwerder und Teufelsbrück eine Ferndiagnose stellen kann nach dem Motto: „Siehst du den Knopf am Server? Den musst du jetzt einmal drücken. Und dann gehst du zum Computer und drückst auf den grünen Knopf. Ja, ich bin mir sicher, dass es dann wieder funktioniert. Und nein, deine Dateien sind auch nicht verloren gegangen …“
Ich kenne das Büro unterm Dach zu allen Tages- und Jahreszeiten, in allen Gemütszuständen – absoluter Euphorie, weil ich in den Flow beim Schreiben gekommen bin, und auch in ratloser Rastlosigkeit, wenn ich nicht wusste, wie meine Geschichte weitergehen soll oder ich mit dem Literaturzirkus haderte. Ich habe hier viele Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, von Daniel Bielenstein, Susanne Bienwald und Julia Gäbel bis zu Sebastian Schnoy und Hamid Skif. Die Liste ist unendlich lang. Ich habe mit ihnen viele Erfolge gefeiert und einige Niederlagen betrauert. Ein Schriftsteller aus Marseille war vor Jahren zu Besuch im Writers‘ Room und vollkommen begeistert, dass dieses Konzept funktioniert. „Wir Marseiller Schriftsteller würden sicher nach ein paar Wochen nur noch diskutieren und streiten“, meinte er. Vielleicht liegt es auch am hanseatischen Prinzip der Toleranz, dass der Writers‘ Room in den letzten neunzehn Jahren alle Stürme überlebt hat.
14. Februar 2024 um 20:22
Liebe Frau Rabe,
ihr Buch > Das leuchten bretonischer Nächte Liebesbriefe an einen Toten <, das sind die Briefe, dich ich meinem verstorbenen Mann nach seinem Tod ins Tagebuch schrieb. Ihr Kapitel, in dem Sie Sanne den letzten Brief schreiben lassen, geht mir nach. Ein starker Impuls.
Herzlichen Dank und alles Gute für Ihr weiteres Schreiben
Andrea Saalbach
15. Februar 2024 um 10:15
Liebe Andrea Saalbach, manchmal geschieht es, dass Menschen zu mir kommen und mir sagen, ich hätte Teile ihrer Geschichte geschrieben. Ihre Nachricht hat mich sehr berührt. Die Figur von Sanne habe ich in einer Zeit entwickelt, in der ich mich sehr mit dem Tod und der Trauer auseinandergesetzt hatte. Die zweite Frau meines Vaters war an Krebs verstorben, er und auch ich haben um diese geliebte Person sehr getrauert. Und da begann ich die Geschichte zu entwickeln. Als ich gerade dabei war, sie zu schreiben, erlitt mein Mann eine Lungenembolie, die er überlebte. Aber die Möglichkeit des Sterbens eines so geliebten Menschen war dadurch noch greifbarer und ich habe sicher auch meine Angst vor dieser Situation mit dem Schreiben bekämpft. In meinen Romanen geht es aber immer auch um Hoffnung. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Zuversicht für die Zukunft. Herzliche Grüße Verena Rabe