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Ladenschild "Come in".

Fachbuchhändlerinnen für Frauenliteratur: Lillemor’s Frauenbuchladen in München

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Der Lillimor’s Frauenbuchladen in München ist vom Buchbranchenmagazin Buchmarkt zur Buchhandlung des Jahres 2014/2015 in der “Kategorie Spezialbuchhandlung” ausgezeichnet worden. Die Preisverleihung findet am 11. Oktober 2014 um 10.00 Uhr auf der Frankfurter Buchmesse am Stand D72 in der Halle 4.1 im Paschen Literatursalon statt. Wir nehmen aus diesem aktuellen Anlass das Interview von Susanne Krones in den Blog, das zuerst im BücherFrauen-Magazin erschienen ist.

„Es ist ein Stück Frauenkultur, was hier gezeigt wird. Was Sie in keiner Buchhandlung so finden. Das unterscheidet uns ganz klar von allen Buchhandlungen. Und nur so können wir überleben und weiterleben: Indem wir dieses Sortiment genau so pflegen und stringent halten.“

Was die Lillemor’s – Ursula Neubauer und Andrea Gollbach – programmatisch auf ihrer Website formulieren, ist tatsächlich und über Jahrzehnte Programm dieser besonderen Buchhandlung: Lillemor’s wurde 1975 als erster deutscher Frauenbuchladen in München gegründet und ist spezialisiert auf Literatur von und für Frauen. 1987 wurde die Arbeit der Lillemor’s mit dem Münchner Förderpreis für Frauenforschung und Frauenkultur ausgezeichnet. So kontinuierlich wie die Zielsetzung, so kontinuierlich auch das Personal: Seit 1979 verantwortet Ursula Neubauer das Lillemor’s-Sortiment, seit Mitte der 1980er Jahre unterstützt sie Andrea Gollbach dabei. Nur einmal wechselte der Laden das Domizil, nicht aber das Viertel: Seit Mitte 2000 öffnet sich die Ladentür in der Barerstraße 70, zuvor lag der Laden nur wenige Ecken weiter in der Arcisstraße. Und immer noch ziert die Ladentür dasselbe Motto …

 „Was immer Sie sich in Ihrer Phantasie vorstellen, hinter dieser Tür passiert es“

So lautet euer Motto. Das macht neugierig: Was zeichnet euer Sortiment aus?

Andrea Gollbach: Wir haben nach wie vor 80 Prozent Autorinnen im Regal und achten darauf, dass die Inhalte frauenspezifisch sind und einen emanzipatorischen Blick auf die Frauenrolle haben. Das ist schwieriger geworden als in den Anfangszeiten, wo es bei S. Fischer die Reihe Die Frau in der Gesellschaft gab, bei Rowohlt rororo neue Frau. Auf solche Programme konnten wir Buchhändlerinnen uns verlassen und die Programmmacherinnen hatten große Spielräume, Autorinnen wie Alice Walker und Senta Trömel-Plötz konnten erscheinen. Dann gab es eine Zeit, da wurde der größte Mist als Frauenliteratur verkauft. Heute ist es ziemlich schwierig, den Einkauf zu machen, den meine Kollegin Ursula Neubauer verantwortet.

Fachbuchhändlerinnen: Ursula Neubauer und Andrea Gollbach. Foto: Heike Bogenberger.

Fachbuchhändlerinnen: Ursula Neubauer und Andrea Gollbach. Foto: Heike Bogenberger.

Was sind eure Kriterien in der Belletristik?

Wir legen den Schwerpunkt auf junge, unbekannte Autorinnen. Antje Rávic Strubel, heute eine prominente Autorin, war vollkommen unbekannt, als wir sie mit ihrem Debütroman Offene Blende entdeckten, ebenso Juli Zeh bei ihrem Debüt Adler und Engel, bei dem man sich nicht klar war, ob man sie besser ins ältere Jugendbuch oder ins junge Erwachsenenbuch packen sollte. Wen wir auch hatten, bevor die Rezensentinnen sich auf sie gestürzt hatten, war Judith Schalansky.

Neben eurem Sortiment führt ihr einen bemerkenswerten Online-Katalog, der nicht alle lieferbaren Titel, sondern eine Auswahl umfasst.

Ja, diesen Katalog stellen wir zusammen. Meine Kollegin trifft die Aufnahmeentscheidungen und reagiert auch auf Feedback von Kundinnen: Wenn uns eine Kundin darauf hinweist, dass etwas nichts war, prüfen wir nochmals und nehmen es gegebenenfalls aus dem Katalog.

Lillimor’s bietet bewusst auch eine Auswahl von Kinder- und Jugendbüchern an. Nach welchen Auswahlkriterien stellt ihr euer Sortiment in dem Bereich zusammen?

Wichtig ist uns, dass die Bücher das Selbstbewusstsein von Kindern stärken, sie in ihrer Entwicklung unterstützen und sie vor Missbrauch schützen. Wir achten darauf, dass die Rollenverteilung und das Verhältnis der Geschlechter ausgeglichen dargestellt sind, und wir versuchen bei der Auswahl darauf zu achten, dass es von den Nationalitäten her ausgeglichen ist. Das ist allerdings fast unmöglich, denn 90 Prozent der Jugendliteratur kennt nur weiße Protagonisten.

Lillemor’s ist nicht nur längst im digitalen Zeitalter angekommen, sondern führt auch einen der aktivsten Buchblogs im Netz – den „daily book blog“ mit seinem täglichen Zitat zum „daily book day“. Welche Erfahrungen macht ihr mit dem Blog?

Das betreut redaktionell eine Freundin von uns, die sagte: Ihr müsst da rein. Es hat eine Anlaufzeit gebraucht und wird jetzt unheimlich gut angenommen. Was die Auswirkungen auf unser Geschäft angeht, sehe ich das nach wie vor skeptisch und glaube, dass Social Media für kleine Buchhandlungen überbewertet wird. Der Blog wird gerne gelesen, aber deswegen wird nicht mehr gekauft. Was wir merken: die Effekte, die unser Newsletter hat, den wir in unregelmäßigen Abständen verschicken.

Auf Facebook postet ihr zwischen den Ankündigungen eurer Buchtipps regelmäßig politische Statements, Karikaturen, Artikel oder Videos zu Themen wie Pressefreiheit, Quote oder den Protesten gegen Monsanto. Ist das in digitaler Form der Austausch, den die Leserinnen, die im Laden kaufen, von Lillemor’s erwarten?

Ginster hat lange Zeit den Frauenbuchladen in Köln geführt und weiß daher sowohl, was die Literatur, als auch, was Frauenfragen betrifft,  wovon sie redet. Was die Buchauswahl betrifft, geben wir auch regelmäßig von unserer Seite Anregungen. Facebook redaktionell so zu pflegen, ist zeitintensiv, wenn man das so großartig macht wie sie.

Politisiert Lesen Frauen?

Die allgemeine Leserin ist für mich schwer vorstellbar. Wir sind Fachbuchhändlerinnen für Frauenliteratur, unsere Leserinnen haben ein entsprechendes Bewusstsein. Ich glaube, es kommt auf das Thema an. Ein Beispiel: Das Thema Wechseljahre war lange Zeit tabu. Dann schrieb Julia Onken Feuerzeichenfrau, einen Bericht über den selbstbewussten Umgang mit den Wechseljahren. Ohne den überwältigenden Erfolg dieses Buch hätte das Thema keinen Eingang in die Frauenzeitschriften und die anderen Printmedien gefunden. Impulse kommen vom Buch und zum Glück gibt es noch immer Bücher, die solche Impulse setzen. Natürlich funktionieren Bücher anders als ein Kampagnen-Netzwerk wie avaaz.org, das momentan rasend schnell anwächst und dort gut greift, wo es brennt. Aber ob so etwas die Nachhaltigkeit eines Buches, eines Standardwerks, das Bewusstsein verändert, erreichen kann, muss erst noch bewiesen werden.

2015 feiert Lillemor’s seinen 40. Geburtstag. Trägt sich das Konzept wirtschaftlich? Wie hat sich das in den letzten fast vierzig Jahren verändert?

Der Bedarf hat sich verändert: Anfangs haben wir viel psychologische Erstberatung gemacht, meist im Bereich Missbrauch. Das hat sich verlagert, seit es anonyme Beratungsstellen und das Internet gibt. In unseren Anfängen hatten Initiativen keine eigenen Räume. Die haben wir zur Verfügung gestellt. Initiativen konnten feste Bürozeiten einrichten, sogar Selbstverteidigungskurse für Frauen wurden in unseren Räumen angeboten. Das hat sich geändert seit Mitte der 1980er Jahre relativ viel Geld für Frauenprojekte seitens des Landes oder der Stadt gegeben wurde, dann hat sich das dezentralisiert. Bei Frauen, die heute zwischen 25 und 35 Jahren alt sind, gibt es kaum mehr ein Bewusstsein dafür, dass ein Buchladen feministisch sein kann.

Ladenhund Gina. Foto: Heike Bogenberger.

Ladenhund Gina. Foto: Heike Bogenberger.

Wie sieht die prozentuale Verteilung zwischen digitalem Geschäft und Ladengeschäft prozentual aus?

Das Ladengeschäft steht ganz klar im Vordergrund. Unser Onlineumsatz liegt im Vergleich dazu bei maximal sechs Prozent.

Welche Strategien habt ihr im Umgang mit dem E-Book?

Unsere Kundschaft ist nicht E-Book-affin. Das haben wir deutlich gemerkt, als wir vor einigen Jahren, als das E-Book zum ersten Mal richtig gepuscht worden ist, bei Ciando, Libreka und anderen eingestiegen sind und viel Werbung bei unserer Zielgruppe gemacht haben. Einzelne Kunden beziehen regelmäßig, aber das sind Randerscheinungen.

Wenn ihr in die Zukunft schaut und über eure Zeit bei Lillemor’s hinaus denkt, sagen wir, fünfzig Jahre in die Zukunft: Wird es 2063 einen solchen Buchladen in München noch geben?

Als überzeugte Buchhändlerin sage ich: Buchläden wird es immer geben. Ob es einen Frauenbuchladen geben wird? Wenn es Idealismus gibt: ja. Denn von einem Frauenbuchladen kann man nicht leben. In fünf Jahren werden die Frauen wieder furchtbar auf den Putz hauen. Die Frauen werden merken, dass nichts passiert, was man nicht selbst tut. Aus diesem Grund ist Frauenbewegung 1975 entstanden: Wir haben gemerkt, dass wir es selber tun müssen.

Sie denken, dass die Wut wieder wachsen wird?

Die Quotendiskussion wird auf einer Ebene und mit einer Verlogenheit geführt, die irgendwann als Verlogenheit erkannt werden wird. Ein Beispiel: Wenn das, was den „Schlecker-Frauen“ passiert ist, noch ein, zwei Mal passiert, dann glaube ich, dass es wieder eine Mobilisierung über die beschissenen Arbeitssituationen für Frauen geben wird. Noch rennen sie allem diesem „Ich will die Selbstverwirklichung mit Kind“ hinterher und wollen alles unter einen Hut bringen, bald werden sie merken, wie schlecht das funktioniert. Die Ausdrucksformen für die Bewegung werden andere sein, als wir sie damals hatten, aber es wird wieder passieren. Und wenn wir hier im Laden so einen kleinen Stachel setzen können, der ab und zu piekt und erinnert, dann haben wir das Richtige getan und dann ist es auch gut, dass es uns noch gibt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kontakt:

Lillemor’s Frauenbuchladen: Barerstr. 70
80799 München

Website mit Online-Katalog: http://www.frauenliteratur.de

Blog mit regelmäßigen und zahlreichen Literaturempfehlungen: http://lillemorsfrauenliteratur.blogspot.de/

E-Mail und Newsletterabonnement: lillemors@frauenliteratur.de

Facebook: http://www.facebook.com/lillemors.frauenbuchladen

Das Interview führte Susanne Krones. Die Fotografien stammen von Heike Bogenberger.

Autor: Susanne Krones

Erfahren Sie mehr über Susanne Krones auf ihrer Website.

2 Kommentare

  1. liebe Frauen,
    vergeblich versuchen wir diesen tollen Artikel auszudrucken für unser Archiv.
    Es gelingt leider nicht. Könnt Ihr uns eine Druckversion zukommen lassen???
    Lillemors Frauenbuchladen
    Barerstrasse 70
    80799 München

    wäre ganz wunderbar – viiiiieeelen Dank und liebe Grüsse
    Ursula Neubauer

  2. Ihr seid also diejenigen, die das Internet ausdrucken 😉 Ein PDF ist in Eurem Posteingang. Gruß, Jana

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