Am 7. November war es wieder so weit – im Herzen des dynamischen Schanzenviertels in Hamburg versammelten sich digitale Macherinnen und Macher, warfen einen Blick in die Zukunft der Buchbranche und ließen sich elektrisieren. Zum fünften Mal fand hier das eBookCamp statt, dieses Jahr unter dem Schwerpunkt Disruption. Wie immer gab es spannende Sessions und viele Gespräche, aber zum Jubiläum hat sich das Orga-Team auch noch einige Überraschungen einfallen lassen. Von Ausflügen in die Zukunft über eBookDating bis hin zu digitalen Hirschen gab es einiges zu erleben.
Als disruptive Technologien werden solche Neuerungen bezeichnet, die bestehende Produkte oder Lösungen völlig verdrängen. In der Buchbranche gibt es so einige Innovationen, die den bisherigen Publishing-Prozess auf den Kopf zu stellen versuchen, aber inwiefern sich die neuen Ideen und Strategien langfristig durchsetzen, ist noch offen. Auf dem diesjährigen eBookCamp in Hamburg trafen sich digitale Expertinnen und Experten, um sich über aktuelle Projekte und Trends auszutauschen und zusammen darüber zu diskutieren, in welche Richtung sich das Buch entwickelt – und was die Branche heute tun kann, um sich darauf einzustellen. In zwölf Sessions wurden verschiedene Themen behandelt: aktuelle und zukünftige digitale Trends, Tracking von Leser-Daten, neue Arten von Digitalliteratur, Content Marketing im Online-Buchhandel, die Rolle des Lektorats bei der E-Book-Herstellung und vieles mehr.
Hirsche und künstliche Intelligenzen
Neben theoretischen Diskussionen – zum Beispiel zum Schwerpunktthema Disruption – gab es auch viele Berichte aus der Praxis und Vorstellungen von digitalen Experimenten. So präsentierten Kornelia Holzhausen und Susanne Helene Schmitz von Piper das „Projekt Marille“, bei dem in Kooperation mit Jellybooks das Leseverhalten von einer bestimmten Fokusgruppe verfolgt und ausgewertet wird (mehr darüber beim Buchreport). Das Projekt stieß auf reges Interesse bei den eBookCamp-Teilnehmern, auch wenn es noch nicht abgeschlossen ist und bislang noch keine endgültigen Ergebnisse vorliegen. Um die vielfältigen Möglichkeiten, aber auch die Einschränkungen eines solchen Leser-Trackings intensiv zu diskutieren, bot die 50-minütige Session nicht genug Zeit, aber neugierig machte sie auf jeden Fall – man kann auf die Ergebnisse des abgeschlossenen Projekts gespannt sein.
Selbst in die Zukunft blicken konnten die Teilnehmer bei der Session von Martina Steinröder. Nach der Vorstellung von Trends und Treibern von Veränderungen in der Gegenwart durften sich alle in Kleingruppen Gedanken darüber machen, wie der Markt etwa für einen Publikums- oder einen Kinderbuchverlag im Jahr 2030 aussehen könnte – mit Mut zu Extremszenarien. So zeichneten denn auch die abschließend vorgestellten Zukunftsvisionen ein teilweise erschreckendes Bild – künstliche Intelligenzen schreiben die Bücher, die nur noch eine intellektuelle Minderheit liest, während sich die breite Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr auf lange Texte konzentrieren kann und Geschichten lieber in Virtual Realities erlebt … Da konnte es doch ganz tröstlich sein, in den Pausen zwischen den Sessions zur Kartenlegerin zu gehen und sich fünf Minuten lang in die (hoffentlich weniger apokalyptische) Zukunft schauen zu lassen.
Wer sich gewundert hat, was es mit den Hirschen auf sich hat, die immer wieder auf dem Camp gesichtet wurden, wurde bei der Session von edel & electric aufgeklärt. Der neu gegründete Digitalverlag von Karla Paul soll ein Digitalprojekt sein und neue Impulse setzen. Wie das geht, demonstrierte das engagierte Verlagsteam mit einem detaillierten Blick hinter die Kulissen, bei dem klar wurde, wie viele Menschen „hinter so einer Datei“ stecken. Viel Zuspruch erntete Verlegerin Karla Paul mit der nachdrücklichen Aussage: „Ein E-Book ist kein Abfallprodukt!“ – ein Vorurteil, das in der Buchbranche leider immer noch verbreitet ist.
Digitales und analoges Netzwerken
Neben den interessanten Sessions gab es auf dem eBookCamp natürlich auch reichlich Zeit zum Netzwerken, ob bei Kaffee und Muffins oder beim Blind-Date in einer Holzbox. Bei diesem eBookDating durften sich Interessierte unter Pseudonym für einen Zeitslot eintragen und sich dann davon überraschen lassen, mit wem sie in einer erstaunlich gemütlichen Box über die Zukunft des Buches diskutieren konnten. Abends gingen die Gespräche dann feucht-fröhlich bei der Afterparty auf der Schanze weiter. Die informelle, lockere Atmosphäre auf dem eBookCamp machte aber auch schon vorher Lust darauf, neue Leute kennenzulernen.
Immer parallel zum analogen Diskutieren und Netzwerken lief natürlich der digitale Kommentar. Unter dem Hashtag #ebookcamp finden interessierte Leserinnen und Leser auf Twitter und Instagram noch weitere Eindrücke, Zitate und Fotos rund um das Event. Auf Periscope konnte man die Sessions live mitverfolgen. Großer Pluspunkt vom betahaus Hamburg als Location: Überall gab es schnellen WLAN-Zugang. Und irgendwer hatte immer das passende Ladekabel dabei.
Das eBookCamp gibt es übrigens nicht nur an der Alster – im Frühjahr findet schon das nächste digitale Treffen in München statt. Aber auch in Hamburg geht es weiter, wenn man den Karten glauben darf, die sich das Orga-Team hat legen lassen. Danke an Janina Hein, Ute Nöth, Carsten Raimann, Andrea Schlotfeldt und Felix Wolf für die tolle Organisation! Ausführlichere Berichte zu den einzelnen Sessions gibt es bald dank der fleißigen Mitarbeit von Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf der Website des eBookCamps nachzulesen.
Alle Bilder @ Copyright eBookCamp Hamburg. Umschlaggestaltung des „E-Buchs“ @ Chris Campe.