Die Arbeits- und Wirtschaftswelt befindet sich im massiven Umbruch – auch in der Buchbranche. Über den Strukturwandel im Buchhandel lesen wir fast wöchentlich in der Branchenpresse – kleine, unabhängige Buchhandlungen schließen, weil ihre InhaberInnen trotz intensiver Suche keine Nachfolge finden. Und wenn doch, dann handelt es sich oft nicht um eine Fortführung als unabhängige Buchhandlung, sondern als Filiale eines großes Unternehmens. Nicht verschweigen möchte ich aber dennoch, dass es viele ermutigende Beispiele von erfolgreichen Buchhandlungen gibt, die sich klar positionieren und ihre KundInnen immer wieder aufs Neue begeistern.

Foto: Anne Betten
In vielen Städten stellt die vorhandene Infrastruktur eine große Herausforderung für die BuchhändlerInnen dar. Nur über eine Vernetzung mit anderen regionalen HändlerInnen und außergewöhnliche Aktionen kann es gelingen, die KundInnen weiterhin in die Läden zu locken.
Das vor ein paar Jahren in Schwierigkeiten geratene Unternehmen Weltbild sowie die Schließung des BuchClubs haben dazu geführt, dass für das Produkt Buch immer weniger Verkaufsfläche zur Verfügung steht und Katalogauflagen mit Buchwerbung gesunken sind. Die Branche hat zahlreiche KundInnen verloren, die sie bisher nicht wiedergewinnen konnte.
Die Veränderungen bleiben auch auf Verlagsseite nicht folgenlos
Umsätze und Auflagen sinken; Kosten für notwendige Innovation steigen, z. B. für medienneutrale Datenhaltung. Kleinere Verlage können ihre Unabhängigkeit nicht mehr aufrechterhalten und werden von größeren Verlagen gekauft, oder bisher unabhängige Einheiten eines Konzerns werden zusammengelegt.
Verlage haben zum Teil massiv in E-Books investiert, der Anteil am Gesamtumsatz bleibt jedoch seit fast zwei Jahren unverändert bei ca. 5 % stehen.
Eine weitere große Herausforderung für Verlage ist das Thema Selfpublishing. Die – von Experten bereits als disruptiv eingeschätzte – Entwicklung in diesem Bereich verschafft AutorInnen die Möglichkeit, ihre Bücher mit einfachen Mitteln ohne einen Verlag zu veröffentlichen und erfolgreich zu vertreiben. Das Verhältnis der Autorin oder des Autors zum Verlag und umgekehrt muss neu definiert werden.

Foto: Anne Betten
Die ursprüngliche Spartenteilung gilt nicht mehr
An diesem Beispiel wird deutlich, dass die ursprünglich klare Trennung zwischen den drei Sparten nicht mehr besteht. Inzwischen bieten auch Buchhandlungen ihren Kunden einen Selfpublishing-Dienst an und übernehmen damit eine typische Verlagsaufgabe. Verlage dagegen haben in den letzten Jahren in eigene Webshops investiert und gehen mit den Direktverkäufen in Konkurrenz zum Buchhandel. Die Aufhebung der Spartengrenzen stellt die Zusammenarbeit in der Branche vor neue Herausforderungen.
Digitalisierung wird nicht nur reine Produktionsprozesse betreffen
Kaum ein Tag vergeht, an dem die Medien nicht über die Themen Digitalisierung und Arbeiten 4.0 berichten. Roboter übernehmen nicht mehr nur Arbeiten am Fließband oder in der Fertigung, sondern werden auch mittelfristig Sachbearbeitungsaufgaben erledigen und im Vertrieb eingesetzt werden. Schon jetzt werden journalistische Texte von Robotern geschrieben, die zum Teil besser sind als von Menschen verfasste Texte.
Es ist also dringend an der Zeit, dass wir uns aktiv den neuen Herausforderungen stellen. Denn diese betreffen nicht nur die Automobil-, Banken- und Versicherungsbranche, sondern auch uns alle in der Buchbranche. Ein sehr eindrückliches Beispiel für rasante Änderungen ist die Nutzung von Smartphones, die unser aller Alltagsleben inzwischen deutlich prägen und die wir nicht mehr missen möchten.
Veränderung braucht mutige Menschen, die bereit sind, sich selbst zu ändern
Das Jahresthema 2017 der BücherFrauen „Herausforderung Strukturwandel – Bedrohung oder Chance für die Buchbranche?“ ist eine Gelegenheit für den Austausch zwischen allen BücherFrauen von der Autorin über die Lektorin zur Vertriebsfrau und Buchhändlerin untereinander und auch in der Branche. Es soll uns zu konstruktiven Auseinandersetzungen mit den aktuellen Herausforderungen anregen und zur Zusammenarbeit über alle

Foto: Anne Betten
Sparten und Hierarchiegrenzen hinweg bewegen. Ich freue mich auf den Austausch mit Menschen, die bereit sind, ergebnisoffen über bisherige Strukturen nachzudenken und diese auch in Frage zu stellen. Menschen, die nicht nur reden, sondern die die Veränderung wollen und als Erstes bereit sind, sich selbst zu ändern. Menschen, die KundInnen wieder in den Fokus rücken. Menschen, für die die Digitalisierung der Buchbranche jetzt beginnen muss und nicht schon abgeschlossen ist. Lassen wir uns nicht von einem branchenfremden Unternehmen rechts überholen.
Der Auftakt zum Jahresthema 2017 ist eine Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse. Das ganze Jahr über werden zahlreiche Veranstaltungen in den Regionalgruppen zum Jahresthema stattfinden, unter dem Hashtag #brancheimwandel werden die Aktivitäten auf den Social-Media-Kanälen zusammengefasst.
Und an dieser Stelle werden Denkanstöße aus Buchhandel, Verlag, Zwischenbuchhandel und vom DienstleisterInnen zu den oben kurz angerissenen Aspekten folgen. Ihr dürft gespannt sein! Vor allem: Mischt Euch ein, denn der Strukturwandel betrifft uns alle!
22. März 2017 um 13:48
Liebe Gesa,
Dein Beitrag ist bisher die beste Zusammenfassung, die ich zu diesem Thema las. Und Du appellierst ansteckend für’s Tun!
Weil schon morgen die Podiumsdiskussion in Leipzig stattfindet, habe ich das Jahresthema gleich im Social Web verteilt. Das Mindeste, was ich beitragen kann 😉
Lieben Gruß
Evy
22. März 2017 um 14:34
Liebe Evy, vielen Dank für die Rückmeldung und fürs Teilen!
Bin schon sehr gespannt auf die Diskussion morgen in Leipzig. Werde dazu berichten.
Herzliche Grüße
Gesa