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Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

#lesbar im Februar – Storytelling, Semikolons und das Schlachtfeld Sprache

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Bevor wir wieder in einen turbulenten Messe-März eintauchen, blicken wir hier auf den Februar zurück und stellen einige Lesetipps für frostige Winterabende zusammen. Da ist ein Kommentar zur aktuellen Börsenverein-Studie über abgewanderte BuchkäuferInnen, der zum Nachforschen statt Verzweifeln anregt; handfeste Tipps zum Umgang mit rechtspopulistischen Äußerungen im Netz; und die besorgte Selbstreflexion einer Lektorin und Bloggerin darüber, ob sie das geduldige, konzentrierte Lesen verlernt habe. Die Semikolons stehen hier übrigens auch als persönlicher Tribut an die großartige Ursula K. Le Guin, die Ende Januar gestorben ist – was sie zu Semikolons, zum Älterwerden und zur Erfindung der Frau zu sagen hatte, kann man nun noch mal online in einem brillanten Essay nachlesen, den wir ebenfalls sehr empfehlen. Viel Spaß beim Lesen!

Nachdem wir im letzten #lesbar auf eine besorgniserregende Studie des Börsenvereins hingewiesen haben, der zufolge dem Buchmarkt in den letzten Jahren 6,1 Millionen Käuferinnen und Käufer verloren gegangen sind, empfehlen wir in dieser Ausgabe diesen Kommentar von Rüder Wischenbart zu den Ergebnissen. Er nimmt die Studie nicht als Anlass für Verzweiflung, sondern fragt sich, wohin diese KäuferInnen eigentlich abgewandert sind, welche aktuellen Storytelling-Formate als Inspiration für den Buchmarkt dienen können und welche Fragen wir uns stellen müssen: „Soziale Medien sind vermutlich längst wichtiger für den Austausch von Lesetipps als die Feuilletons von Zeitungen oder Radio. Aber wie häufig stößt man da auf Angebote aus Verlagen? Wieviel Lesestoff aus wie vielen Verlagen kann ich für ein paar Euro rasch abgreifen, wenn ich grade mal eine Stunde in der Bahn sitze? Wie viele Ideen kamen bislang aus Verlagen und Buchhandel, um nicht-deutschsprachige Lesebrücken zu entwickeln, für türkische oder polnische Großeltern, deren Enkelkinder in Wuppertal leben, sprachliche Start-Pakete für Asylsuchende, oder auch für temporäre Immigranten auf Executive-Niveau? Und überhaupt, wer sind die 6 abgewanderten Millionen, abgesehen von Alter und Geschlecht? Wie lässt sich dazu Wissen aufbauen, und wo setzen Gegenstrategien abseits der Klagelieder an?“

Über wie viel Macht die Sprache verfügt, muss man Menschen in der Buchbranche in der Regel nicht erklären. Darüber, wie man diese Macht im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Klima sinnvoll nutzen kann, herrscht aber viel Unsicherheit. Autorin und Aktivistin Anne Wizorek stellt in diesem Artikel Strategien gegen rechtspopulistische Hetze und Fake News vor: „Achtet auf eure Sprache. Achtet darauf, welche Worte ihr benutzt und wie ihr das tut. Erkennt die Macht von Sprache an und damit auch eure Verantwortung.“

Wie viel Zeit findet ihr im Alltag noch zum Lesen? Und wie viel Geduld bringt ihr für eure Lektüre mit? Die Buchbloggerin und freie Lektorin Mareike Fallwickl hat ihr Leseverhalten evaluiert und stellt etwas erschrocken fest, dass ihre Geduld mit Büchern in den letzten Jahren stark abgenommen hat. Lohnt sich das Lesen überhaupt noch? Eine ehrliche Selbstreflexion, die zum Nachdenken darüber anregt, wie und warum wir eigentlich lesen: „Ich bin außerdem derart daran gewöhnt, dass Dutzende Multitasking-Tabs in meinem Kopf geöffnet sind, dass ich es kaum noch schaffe, nur eine einzige Sache zu machen, nämlich lesen. Tausend andere wichtige Dinge fallen mir dann ein, die ich organisieren muss, und mit meiner Konzentration ist es nicht weit her. Wie kann ein Buch derart viele Hindernisse aus dem Weg räumen, wie kann es so interessant, herausfordernd und spannend sein, dass ich ihm, und nur ihm meine Aufmerksamkeit schenke? Richtig. Das kann es nicht.“

Am 22. Januar ist die international bekannte amerikanische Science-Fiction- und Fantasy-Autorin Ursula K. Le Guin gestorben. Aus diesem Anlass veröffentlichte die Plattform Tor Online einen unbedingt lesenswerten Essay von ihr (in deutscher Übersetzung von Karen Nölle), der sich mit dem für Le Guin typischen Humor mit Sexismus und dem Älterwerden beschäftigt.


Jeden Monat erscheinen im Netz so viele anregende und aufregende Texte, dass wir mit dem Lesen oft gar nicht mehr hinterherkommen. #lesbar sammelt diese Perlen und präsentiert sie jeden letzten Donnerstag im Monat auf dem BücherFrauen-Blog – handverlesene Lese- und Teilempfehlungen zu Themen, die BücherFrauen und andere buchbewegte Menschen interessieren.

Was findet Ihr #lesbar? Schickt uns Eure Artikelempfehlungen für den nächsten Monat!

Autor: Martha Wilhelm

Martha Wilhelm studierte Germanistik und Slavistik in Hamburg, absolvierte ein Verlagsvolontariat in Berlin und kehrte danach wieder an die Alster zurück. Hier machte sie sich selbstständig und arbeitet nun als Lektorin, Korrektorin und Autorin in den Bereichen illustriertes Sachbuch und Jugendbuch. Mehr Informationen gibt es auf ihrer Website (www.textwinkel.de). Sie freut sich über Austausch auf Facebook und Twitter.

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