BücherFrauen

Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

#lesbar im Juni – Von der Ehrenrettung des Lektorats bis zu Problemen der Digitalkultur

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Im Juni freuten wir uns, dass einige herausragende Frauen mit Preisen bedacht wurden – so die deutsche Journalistin und Autorin Carolin Emcke, die mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde, und die indonesische Schriftstellerin Laksmi Pamuntjak, die für ihren Roman „Alle Farben Rot“ den LiBeraturpreis erhielt. Mehr über den LiBeraturpreis erfahrt Ihr im Interview mit Anita Djafari, der BücherFrau des Jahres 2016. Spannende Diskussionsbeiträge wurden im Juni zu den Themen Verlagslektorat, Wert des Wortes sowie Vor- und Nachteile der Digitalisierung für Frauen veröffentlicht. Abgerundet wird diese Ausgabe von #lesbar durch einen Rückblick auf ein Jahr Frauenquote. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

Ende Mai erregte ein Beitrag von Rainer Moritz in der NZZ Aufsehen in der Buchbranche. Der ehemalige Hoffmann-und-Campe-Verleger präsentierte eine Reihe von orthografischen und stilistischen Fehlern in einigen Neuerscheinungen und kritisierte, dass die Qualität des Verlagslektorats in den letzten Jahren nachgelassen habe – ein schwerwiegender Vorwurf besonders vor dem Hintergrund des VG-Wort-Urteils und der Diskussion über die Daseinsberechtigung von Verlagen in Self-Publisher-Kreisen. Klett-Cotta-Geschäftsführer Tom Kraushaar schreibt in der Süddeutschen eine Erwiderung zur Ehrenrettung der Verlage und des Lektorats: „Gerade der gegenwärtige Lektorentypus, den Rainer Moritz vermutlich pejorativ als ‚Projektmanager’ beschreibt, ist eben mehr als der gute, alte Textdoktor, der aus fehlerhaften Manuskripten fehlerfreie Bücher macht. Er ist Ideengeber und Geburtshelfer, Pate und Beschützer des Werks. Er korrigiert, berät, ermutigt, ermahnt, tröstet, kürzt, schreibt das Ende, holt das Bier und passt auf die Kinder auf (alles schon passiert). Er tut dies auch am Abend und am Wochenende, er tut es aus Liebe zum Buch.“

Vom 23. bis 24. Juni fanden in Leipzig die Buchtage statt. Passend zum Motto „Das Wort und sein Wert“ hielt die Beirätin des PEN-Präsidiums und Bestseller-Autorin Nina George zur Eröffnung eine Rede, in der sie den Werteverfall der schöpferischen Leistung durch den kostenlosen digitalen Konsum kritisierte: „Der Wert Ihrer Arbeit, meiner Arbeit, ist digitalisiert nicht mehr be-greifbar. Das ist nicht metaphorisch gemeint. Es gibt keinerlei Hindernisse mehr, um sich ein Buch zu besorgen – weder Öffnungszeiten noch schlecht gelaunte Buchhändler noch mangelnde Parkplätze an der Fußgängerzone. Der Vorteil des allzeit abrufbereiten eBooks ist gleichzeitig sein Nachteil: Jederzeit, von überall, Elba oder Etagen-Klo, können Sie sich ein eBook ziehen, kopieren, ‚sharen‘ – ebooks sind so leicht zu haben wie der Gratiskuli vom Versicherungsmakler. Und unter Millionen Titeln wird das einzelne zum Pixelklecks, sogar die Zehn Gebote sind da nicht mehr als drei witzlose Tweets.“ Einen teilweise kritischen Kommentar zu dieser Rede liefert Fabian Neidhardt im Literaturcafé, wo er die neuen Chancen und Möglichkeiten der Digitalkultur hervorhebt. Als Reaktion auf den Kommentar ergänzte Nina George weiterführende Links, die sich am Ende des Kommentars finden und die Diskussion weiter vertiefen.

Anita Djafari, Geschäftsleiterin von Litprom, der Gesellschaft für die Literatur aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der Arabischen Welt, wurde im Mai zur BücherFrau des Jahres 2016 gewählt. Verlegerin und Autorin Zoë Beck interviewte sie im Culturmag über ihre Arbeit, die Situation von schreibenden Frauen und den Nutzen von Frauennetzwerken: „Was wir ganz sicher nicht mehr brauchen sind ‚Frauenecken‘ in Buchläden, unter uns gesagt wurde damals ja auch jede Menge Schrott veröffentlicht (und konsumiert!), Hauptsache, es kam von einer Frau. Aus diesen Zeiten sind wir Gottseidank herausgewachsen, aber was die Wahrnehmung im Literaturbetrieb angeht, da unterscheidet sich die Situation der Frauen, glaube ich, weltweit gar nicht so sehr voneinander. In letzter Zeit gibt es ja vermehrt Wortmeldungen dazu, aus allen (auch geografischen) Richtungen, und ich entnehme diesen Äußerungen eine ‚Wahrnehmungsgrenze‘, die bei 25 % zu liegen scheint. Als würde die literarische Hälfte des Himmels nur aus einem Viertel bestehen. Da ist noch Handlungsbedarf.“

Die Digitalisierung ermöglicht es immer mehr Menschen, zu arbeiten, wo und wann sie möchten. Besonders Frauen nutzen die neuen Möglichkeiten gern, um Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Dass die neue Flexibilität auch Nachteile hat, gerade für Frauen in einem digitalen Arbeitsfeld, stellt Alexandra Borchardt in der Süddeutschen dar: „Natürlich kann die Digitalisierung dabei helfen, die Arbeit mit der Familie oder einem Lebenstraum zu vereinbaren. Geschäfte lassen sich zum Beispiel leichter von der Berghütte oder dem Segelboot aus führen, und die Kollegen oder Mitarbeiter müssen das noch nicht einmal mitbekommen. Allerdings sollte sich niemand Illusionen hingeben: Wer Karriere machen möchte, muss sich auch ab und an dort aufhalten, wo Karriereentscheidungen fallen.“

Ein Nachtrag aus dem letzten Monat: Am 1. Mai 2015 wurde das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen beschlossen. Gisela Notz wirft in diesem Artikel einen Blick auf ein Jahr „Frauenquote“ und ihre Errungenschaften. Das Fazit ist ernüchternd: „30 Prozent war ein bescheidenes Ziel. Erreicht wurde es nicht. Manuela Schwesig und ihr Ministerium trösten sich (und die Fragen-bohrenden Reporter) damit, dass das Gesetz dazu beitragen soll, ‚den Anteil von Frauen an Führungspositionen signifikant zu erhöhen und einen Kulturwandel in den Unternehmen anzustoßen‘. Da müsse man schon Geduld haben, denn eine neue ‚Arbeits- und Unternehmenskultur‘ brauche ihre Zeit und im Ministerium wusste man immer, dass das nicht von heute auf morgen ginge.“


Jeden Monat erscheinen im Netz so viele anregende und aufregende Texte, dass wir mit dem Lesen oft gar nicht mehr hinterherkommen. #lesbar sammelt diese Perlen und präsentiert sie jeden letzten Donnerstag im Monat auf dem BücherFrauen-Blog – handverlesene Lese- und Teilempfehlungen zu Themen, die BücherFrauen und andere buchbewegte Menschen interessieren.

Was findet Ihr #lesbar? Schickt uns Eure Artikelempfehlungen für den nächsten Monat!

Autor: Martha Wilhelm

Martha Wilhelm studierte Germanistik und Slavistik in Hamburg, absolvierte ein Verlagsvolontariat in Berlin und kehrte danach wieder an die Alster zurück. Hier machte sie sich selbstständig und arbeitet nun als Lektorin, Korrektorin und Autorin in den Bereichen illustriertes Sachbuch und Jugendbuch. Mehr Informationen gibt es auf ihrer Website (www.textwinkel.de). Sie freut sich über Austausch auf Facebook und Twitter.

Ein Kommentar

  1. Danke an Martha für diese wieder schöne #lesbar. Die Kommentare unter Börsenblatt sind übrigens auch einen Blick wert. Vielleicht hat eine von den BücherFrauen Zeit und Lust, da auch noch zu kommentieren.

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