Wie jedes Jahr war unser Terminkalender für den März voll. Vom Internationalen Frauentag bis zum Equal Pay Day, vom Indiebookday bis zur Leipziger Buchmesse: Es gab viel zu reden, zu feiern – und zu lesen. Besonders #lesbar fanden wir Artikel über den Feminismus von heute, die sogenannte Frauenliteratur, Bibliodiversität und die Debattenkultur in der Buchbranche. Auch interessant ist die laufende Diskussion um Sinn und Unsinn der Tradition, dass im Rahmen der Leipziger Buchmesse auch die Manga-Comic-Con stattfindet und jedes Jahr (bunte) junge Leserinnen und Leser anzieht. Mit der Jugend beschäftigt sich außerdem noch die aktuelle Nachwuchsumfrage der Jungen Verlagsmenschen, die auch nach der Einführung des Mindestlohns noch große Problemfelder in der Buchbranche sichtbar macht. Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren!
Zum Internationalen Frauentag am 8. März wurden wie jedes Jahr viele inspirierende, aufrüttelnde oder nachdenkliche Artikel veröffentlicht, off- wie online. Besonders lesenswert ist der Beitrag der Autorin und Journalistin Antje Schrupp in der FR, in dem sie schildert, wie der Feminismus von heute nicht mehr nur Frauen angeht, sondern die ganze Gesellschaft verändern will: „Die Demokratie wird feministisch sein. Oder sie wird sterben. Die radikaleren Strömungen des Feminismus haben immer darauf bestanden, dass das Ziel nicht sein kann, für Frauen ein größeres Stück vom Kuchen zu erobern. Sondern dass es darum geht, einen anderen Kuchen zu backen.“
Einen weiteren empfehlenswerten Text anlässlich des Frauentags schrieb die Literaturbloggerin Sophie Weigand. Sie warf einen Blick in ihr Bücherregal und stellte fest, dass Autorinnen darin unterrepräsentiert waren – und das ging nicht nur ihr so. Diese Entdeckung nahm sie zum Anlass, sich anzusehen, welche Attribute und Erwartungen generell mit „Frauenliteratur“ verbunden werden und welche Auswirkungen das hat: „Schreiben Männer über sich selbst und ihre Erfahrungen, wird das überwiegend als positiv, wahrhaftig und beispielhaft für das Menschsein ganz generell gesehen. Schreibt eine Frau über sich selbst, ist sie ich-bezogen, schwatzhaft, schlimmstenfalls ‚frech‘ oder ‚unbequem‘, wenn es sich um Themen handelt, die ungern in der Öffentlichkeit verhandelt werden. Was macht nun aber das Bild von weiblicher Literatur mit unserer Wahrnehmung? Sehr wahrscheinlich verändert es, ohne dass wir uns bewusst dafür entscheiden, was überhaupt auf unseren Radar gelangt und was nicht.“
Am 18. März fand der Indiebookday statt, eine Aktion zur Förderung von unabhängigen Verlagen. Passend dazu empfehlen wir das Buch „Bibliodiversität. Manifest für unabhängiges Publizieren“ der australischen Autorin Susan Hawthorne, das nun erstmals auch auf Deutsch im Verbrecher Verlag erschienen ist, übersetzt von der BücherFrau Doris Hermanns. Auszüge daraus veröffentlichte „Neues Deutschland“ online: „Unabhängige Verlage suchen einen anderen Weg, einen Weg mit gesellschaftlichem Engagement und mit Herangehensweisen, die ihre Verortung oder die Nische, die sie versorgen, reflektieren. Unabhängige und kleine Verlage sind wie seltene Pflanzen, die zwischen den größeren auftauchen und etwas anderes hinzutun: Sie nähren den Boden und bringen Farbe oder Gerüche in die Welt.“
Vom 23. bis zum 26. März fand wieder die Leipziger Buchmesse statt, in diesem Jahr mit Litauen als Schwerpunktland. Wie jedes Jahr öffnete vor Ort zur selben Zeit die Manga-Comic-Con die Tore der eigenen Halle, wo sich Fans von japanischen Comics (Mangas), Filmen und Serien versammeln konnten – oft in bunte Kostüme gekleidet. Gegen die Präsenz dieser sogenannten Cosplayer äußerte SWR-Kulturredakteur Carsten Otte seine Bedenken und empfahl eine Trennung der beiden Messen, da es „kaum noch Berührungspunkte zwischen Buchmesse und Messefasching“ gebe. Dieser Beitrag erntete viel Kritik vor allem in der Cosplayer-Community selbst, aber auch in der Buchbranche. Die Autorin Lena Falkenhagen warnt in ihrer Erwiderung davor, „ernsthafte“ Literatur von anderen Literaturformen wie Mangas abzutrennen: „Literatur dient dem Austausch von Ideen, hält einer Gesellschaft den Spiegel vor, um das eigene Verhalten zu reflektieren, Literatur dient dem kreativen Entwurf von neuen Gesellschaftsformen. Das kann Manga, das kann Phantastik, das kann ‚ernsthafte‘ Literatur. Wer vorschnell eine dieser Literaturformen aburteilt, ‚unwert‘ zu sein, begibt sich auf sehr, sehr dünnes Eis.“ Eine Stellungnahme von Carsten Otte zu der Diskussion findet sich hier.
Einen weiteren empfehlenswerten Beitrag anlässlich der Leipziger Buchmesse verfasste die Journalistin Caroline Kraft. Darin beschäftigt sie sich mit den Schwierigkeiten, die die Buchbranche mit der Meinungsfreiheit hat. Dürfen alle Bücher und AutorInnen veröffentlicht und beworben werden? Müssen, sollen, dürfen Verlage zu aktuellen politischen Themen Stellung nehmen? Wo fängt Zensur an? Wie muss eine Debattenkultur aussehen, die produktiv mit solchen Fragen und Sicherheiten umgehen kann? „Solche Entscheidungen gehören in Verlagen dieser Größenordnung zum Tagesgeschäft. Sie sind der Natur des Zwitterwesens Buch geschuldet, das seit der Herausbildung des Massenbuches Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen Kunst und Kapital, Kultur- und Konsumgut changiert – eine Realität, für die Horkheimer und Adorno den Begriff der Kulturindustrie geprägt haben. Diese Realität ist ebenso problematisch wie unauflösbar, und gerade deswegen kommt mit ihr eine Verantwortung. Es bleibt die Frage nach einer Grenze: Wo dürfen finanzielle Interessen eine Rolle spielen, und wo müssen sie enden?“
Die Jungen Verlagsmenschen, ein Verein zur Vernetzung und Förderung des Verlagsnachwuchses, stellten beim Karrieretag Buch und Medien auf der Leipziger Buchmesse die Ergebnisse ihrer zweiten Nachwuchsumfrage vor. Damit sollten vor allem die Auswirkungen der Einführung des Mindestlohns in der Buchbranche sichtbar gemacht werden. 798 Personen nahmen an der Umfrage teil, darunter 440 Young Professionals. Immer noch ist der Anteil von unbezahlten Praktika hoch, auch bei Volontariaten liegt die Vergütung im Durchschnitt unter dem Mindestlohn, auch wenn das Gehalt in vielen Fällen angehoben wurde. Die Ergebnisse im Detail gibt es beim Börsenblatt.
Jeden Monat erscheinen im Netz so viele anregende und aufregende Texte, dass wir mit dem Lesen oft gar nicht mehr hinterherkommen. #lesbar sammelt diese Perlen und präsentiert sie jeden letzten Donnerstag im Monat auf dem BücherFrauen-Blog – handverlesene Lese- und Teilempfehlungen zu Themen, die BücherFrauen und andere buchbewegte Menschen interessieren.
Was findet Ihr #lesbar? Schickt uns Eure Artikelempfehlungen für den nächsten Monat!
30. März 2017 um 16:59
“Schreiben Sie ChickLit! Love-and-Landscape, Frau Bliefert! Was anderes verkauft sich nicht!” – Originalzitat einer Agentin einer der führenden Agenturen des deutschsprachigen Raumes. Als ich erwidert habe, sowas würde ich nichtmal l e s e n , wurde sie pampig und ich hab gekündigt.
Nachdem die nächste Agentin rigoros erklärte “Historisch verkauft sich nicht, schreiben Sie sowas wie `Die Dienstagsfrauen´!”, hab ich auch dieser Agentin – Sie ahnen es: tätig bei einer der führenden Agenturen des deutschsprachigen Raumes – Adieu gesagt.
Jetzt habe ich – agenturlos – bei einem kleinen Verlag einen “Frauenroman” zugesagt. “Frauenroman” heißt dort, “Roman mit interessanter, starker Protaginistin”. – Geht doch! – Allerdings verdient unser Gärtnerjunge in dem halben Jahr, das ich für´s Schreiben brauche, knapp das Doppelte meines Vorschusses für´s Rasenmähen.
Noch Fragen?
31. März 2017 um 09:13
Liebe Ulrike, beim Begriff Chick-Lit kräuseln sich bei mir ja auch immer die Zehennägel… Ich bewundere es, dass Du auf Deinem Standpunkt beharrt und die Zusammenarbeit eingestellt hast. Es gibt zum Glück ja auch Autorinnen, die mit “Hochliteratur” große Auflagen verkaufen – die haben auch irgendwann Verlage und Agenturen überzeugt. Frau braucht aber immer eine extra Portion Frustrationstoleranz… Ich wünsche Dir viel Erfolg mit Deinem Buch!
31. März 2017 um 10:52
Danke, Martha!
Ich möchte für mögliche Leserinnen dieses Kommentarthreads nur kurz klar stellen, dass ich nicht die geringsten Ambitionen in Richtung “Hochliteratur” habe.
Ich bestehe lediglich darauf, minutiös zu recherchieren und mich einer Sprache oberhalb eines Drittklässlerniveaus zu bedienen. Ansonsten will ich unterhalten. “Die Dienstagsfrauen” und Co. sind aber nunmal nicht meine Kragenweite. Und ich kann mit diesen “Trotzdem”-Frauen nichts anfangen (“Trotz Menopause noch einmal bis über beide Ohnren verliebt”, “Trotz Übergewicht nicht gänzlich uninteressant für Männer”, “Trotz knallhartem Knochenjob unbeschreiblich weiblich” usw.) Und als “starke Mädchen” werden leider nur allzu häufig Mädchen, die mit Jungs auf deren traditionellen Spielwiesen konkurrieren (Fußball, Autos, Klettern …) betrachtet, und “starke Frauen” zeichnen sich ebenfalls durch “ihren Mann stehen” (als Kommissarin, Politikerin, Unternehmerin) aus. Mädchen, die phantastisch stricken können und teilzeitarbeitende alleinstehende Mütter sind demzufolge keine Heldinnen. U.a. Linda LaPlante zeigt, dass es auch anders geht (“Zwei Leben hat die Katze”). Aber einem deutschsprachigen Verlag muss man m.E. mit einer alkoholsüchtigen und kriminellen Prostituierten als Heldin (s. L. Laplante) gar nicht erst kommen, es sei denn, sie findet einen tollen Kerl, der sie aus ihrem jämmerlichen Dasein reißt. Letzteres findet bei LaPlante jedoch nicht statt (Es gibt zwei Folgebände, und das Ende verrate ich nicht …).