BücherFrauen

Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

‘Meine’ BücherFrauen

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Oder: Was es nach mehr als zwei Jahrzehnten zu berichten gibt.

Liebe BücherFrauen und alle anderen: Ich habe die Ehre, versuchen zu dürfen, Euch mitzuteilen, was alles in 23 Jahren Mitgliedschaft bei den BücherFrauen möglich ist. Dreiundzwanzig Berufs- und Lebensjahre, die mein Lieblingsnetzwerk und ich miteinander verbracht haben.

Wenn ich versuche, mir das rückblickend vorzustellen, wirbeln Szenen durch meinen Kopf: Ich als ungestüme Mentee, mit einem Kopf voller widerstreitender Pläne und soooo ungeduldig. Dann sehe ich mich auf dem Weg zum Interview mit einer Verlegerin für den damaligen BF-Newsletter, kurz vor der Geburt meines Sohnes, und der Bauch schmerzt und schmerzt. Meine Mentorin und ich auf der Leipziger Buchmesse – voller Eifer Werbung machend für das Mentoring-Programm. Und sie sagt den für mich erstaunlichen Satz: Meine Mentee strahlt so viel Energie aus, ich wünschte, ich hätte etwas von ihrer Offenheit für alles. So in der Art. Und ich wünschte mir ihre Klarheit des Denkens und Handelns! Jahre später bin ich selbst Mentorin und auf einmal sortiere und kläre ich und sage, ja, Du hast alle Optionen – überlege, was für die eine oder die andere spricht. Und denke mir: Hach, was war das für eine Zeit, „damals“.

Treffen des Erweiterten Vorstands 2009 in Springe, Hannover. Photo: Eva Hehemann

Treffen des Erweiterten Vorstands 2009 in Springe, Hannover. Foto: Eva Hehemann

Viel „ich“? Ja. Das sehe ich auch als einen der vielen guten Aspekte eines Berufsnetzwerks: Sich selbst in verschiedenen Rollen beobachten können und von anderen Rückmeldung zu bekommen. Denn in einem Berufsnetzwerk ist immer alles für alle Seiten von Nutzen – selbst wenn ich gerade ausgefragt werde, kann ich etwas daraus lernen, weil sich Dinge aufgrund der Persönlichkeit meiner Gesprächspartnerin plötzlich aus anderer Perspektive darstellen. Und wenn ich etwas frage, dann bekomme ich mehr als nur eine fachliche Antwort – ich sehe auch, wie andere darauf reagieren und überdenke vielleicht meine Herangehensweise. Die Besonderheit bei den BF dabei: Erst einmal sind wir uns alle wohlgesonnen. Dass das dann im Alltag mal an der einen oder anderen Stelle für die eine oder andere nicht so gut klappt, sollte mehr Ansporn als Abschreckung sein.

Hach, und schon geht die Achterbahn der Erinnerung weiter: Bin auf einer Jahrestagung, kenne niemanden und dann gibt es da auch noch das neue Format des „Fish Bowl“, um eine Diskussion anzuregen – frau bleibt auch nichts erspart. Zeitsprung: Und wieder eine Jahrestagung, diesmal mit der Einführung als Content-Koordinatorin. Auf dem Heimweg im Zug völlig euphorisch und mit tausend Plänen im Kopf. Manches klappt über die Jahre: Das neue BücherFrauen-Magazin und sogar ein Relaunch der Website. Manches verstreut sich in alle Winde – vereinsuntauglich und vielleicht auch einfach nur die richtige Idee im falschen Moment. Überhaupt, die Sache mit den Projekten, die die BücherFrauen voranbringen sollen. Was einem als junge BücherFrau noch völlig unverständlich war – „warum dauert das so lange?“ – betrachtet frau dann in der Rückschau schon viel milder – „ist doch geworden, und zwar richtig gut!“.

Eine meiner Lieblingserinnerungen: Zusammen mit Britta Jürgs die Podiumsdiskussion der Verlegerinnen auf der Frankfurter Buchmesse vorbereiten – in dem Jahr war Argentinien Ehrengastland. Als wir es endlich geschafft hatten, spannende Frauen für die Diskussion, eine Simultanübersetzerin und eine Moderatorin zu finden und die Veranstaltung eigentlich nur noch hätte anfangen müssen, dieser kurze Moment des Schreckens: Wo sind sie, unsere Damen? Dann wort- und gestenreiches wildes Durcheinander, als wir sie an einem anderen Ort aufgabeln und kaum, dass alle sitzen und es wirklich losgeht, entert eine etwas ältere Argentinierin die Bühne: Wir hätten sie zwar nicht eingeladen, aber sie sei trotzdem gekommen … Uns stehen die Schweißperlen auf der Stirn, aber die Diskussion läuft super! Erschöpft aber glücklich werde ich selbst zur Zuhörerin.

Argentinische Verlegerinnen

Letzte Vorbereitungen: Argentinische Verlegerinnen auf dem Podium der BücherFrauen, Frankfurter Buchmesse 2010. Foto: R. Zinken

Oder ganz lange her: Luise F. Pusch wird BücherFrau des Jahres und ich bitte meinen Mann mit dem Baby draußen zu warten, damit ich es nach der Veranstaltung stillen kann. So haben wir das auch damals gemacht, als ich bei den Münchner BücherFrauen über Berufsmöglichkeiten in den Neuen Medien sprach. Still-Baby kommt mit dem Auto und ich bin zweimal glücklich – beruflich spannender Abend und danach mein Kind in den Armen halten.

Wie gut, dass die schönen Erinnerungen auftauchen, wenn ich über meine Zeit mit und bei den BücherFrauen nachdenke. Natürlich gelang es nicht immer so gut, alles unter einen Hut zu bringen. Und ja, erschreckenderweise habe ich manches besser geschafft ohne Erfahrung, einfach nur mit Ungeduld und Anspruch. Sogar mehr Geld verdient als heute. Aber noch stecke ich ja mittendrin im Prozess. Und auch das ist etwas, das einem ein Netzwerk mitgibt: Das Gefühl, hier sind keine letzten Worte gesprochen, tu etwas, wenn Du Dir Dein Leben anders wünschst. Schau Dich um und picke Dir heraus, was an Anregungen für Dich passen könnte. Erzähle von Deinen Erfahrungen, aber vergiss nie, es sind Deine. Lass die anderen entscheiden, ob etwas davon für sie nützlich sein könnte.

Und weil es einfach gar nicht geht, dass ich hier alles in ganzen Sätzen erzähle, was ich mit den BücherFrauen erlebt und gemacht habe, hier eine kleine Aufzählung: Eine Jahrestagung organisieren wollen und nach der Auflösung des ersten Teams kompletter Neustart mit komplett neuem Team. Sponsor gefunden, den alle mies fanden. In viele Fettnäpfchen getappt also. Workshops organisiert – huh, hat geklappt! Selbst einen Workshop mit Kai Krüger gehalten, wieder Neue Medien, wieder erfolgreich. Wird doch. Mich als Content-Koordinatorin beworben, einmal Absage. Dann: ich könnte doch, wenn ich noch wollte. Will ich. Spannende erste Aufgabe: Das BücherFrauen-Magazin neu gründen. Hui. Tausend Dank an dieser Stelle an alle, die an der ersten Ausgabe mitgewirkt haben ohne sicher sein zu können, ob es etwas wird!

Stephanie Hanel, Maren Giering-Desler

Messepause mit Maren. Foto: R. Zinken

Der Familienanteil hier: Tochter schnürt Schuhe für die Illustration eines Artikels, mein Mann fotografiert. Übrigens bin ich nie besser in eine neue Aufgabe eingeführt worden als damals von meiner Vorgängerin Maren Giering-Desler, die nachher zur wunderbaren Redakteurin des neuen Magazins wurde.

Und dann gab es da auch noch meine Kollegin Silke Buttgereit, ihres Zeichens Technik-Koordinatorin – wir wurden ein Team mit den sprichwörtlichen Ecken und Kanten, und brachten den Relaunch der BF-Website auf den Weg. Zu guter Letzt haben die BF uns unter viel Gelächter – wir waren unfreiwillig komisch – auf der Comburg als “Web-Feen” aus dem Amt verabschiedet.

Und weil ich währenddessen endlich wieder angefangen hatte zu zeichnen und mir meine Freude damit zu gönnen, hatten die BücherFrauen auch hierfür ein Plätzchen frei: Auf der Website, im BücherFrauen-Magazin, das Göttin sei Dank von Eva Hehemann fortgeführt wurde, und – hej, darauf bin ich echt stolz – auf dem Blog. Der Blog kam absolut zur richtigen Zeit und ist zwar nur eines der vielen spannenden Dinge, die Frauke Ehlers angestoßen hat, aber mein Favorit. Da sich Frauke so unvergleichlich verdient gemacht hat um die BücherFrauen, wird sie auf dieser Buchmesse auch als BücherFrau des Jahres ausgezeichnet. Und weil ich jetzt ja schon angefangen habe, Namen zu nennen: Jana Stahl ist die treibende Kraft hinter unzähligen guten Projekten – auch außerhalb der BücherFrauen – und die gemeinsame Zeit als BücherFrauen-Jury für den Bücherbüffet-Preis war einfach nur gut!

Kind mit Smartphone

Fotoshooting fürs BücherFrauen-Magazin No.3. Foto: R. Zinken

Gleich ist es geschafft: Letzter Aspekt des Netzwerkens – irgendwann früher oder später öffnet sich die Grenze der reinen Vereinsarbeit und es gibt Anknüpfungspunkte nach ‘draußen’. Das Netzwerk erweitert sich um ‘Assoziierte’ und der Kolleginnenkreis ist unter Umständen so verflochten mit allen möglichen Aktivitäten, dass frau sich gar nicht mehr genau erinnert, wen sie wo zuerst kennengelernt hat.

„Läuft“, würde mein Sohn sagen.

 

P.S.: Lieben Dank an alle nicht namentlich Genannten, mit denen ich auch klasse zusammengearbeitet und Dinge gestaltet habe, die heute alle irgendwo im BücherFrauen-Universum aufgegangen sind. Möge die Zukunft den BücherFrauen wohlgesonnen sein und den Frauen in der Buchbranche jeden denkbaren Erfolg bringen!

 

 

Autor: Stephanie Hanel

Freie Journalistin und Autorin, Agentur wegholz (www.wegholz.de), Aktuelles Buch: "Goodbye New York. Abschied von der neuen Heimat"

10 Kommentare

  1. Liebe Stefanie, eine große Freude Deine Erinnerungen an ich glaube auch 23 Jahre BücherFrauen zu lesen. Er zeigt, dass es so viele gibt, die sich seit vielen Jahren und mir hoher Kontinuität für die BücherFrauen engagieren. Aber wenn es jetzt auch mal festgehalten und dokumentiert wird, finde ich das wunderbar. Dank Dir für diesen 100. Beitrag und morgen stoßen wir auf unsere 23 Jahre BücherFrauen und 25 Jahre BücherFrauen überhaupt an.

    • Liebe Frauke,
      die Feier gestern auf der Buchmesse war wunderbar und aufregend – selbst wenn ich da ja nur Zuschauerin war. Es ist doch bewegend auf so eine lange Zeit anzustoßen! Danke für die netten Worte zu meinem Text allerorten, das hat mich sehr gefreut :-).
      Auf bald, Stephanie

  2. Liebe Stephanie,
    was für ein schöner Beitrag, vielen Dank dafür! “Läuft” in der Tat – bestimmt auch in den nächsten 25 Jahren! Vielleicht schreib ich dann einen Rückblick auf meine Zeit mit dem Netzwerk 😉
    Herzliche Grüße
    Martha

    • Liebe Martha,
      danke für Deinen netten Kommentar!
      Aber unbedingt möchte ich/wollen wir von Dir lesen – gerne auch schon früher ;-).
      Herzliche Grüße zurück,
      die Stephanie

  3. Liebe Stephanie,
    beim Lesen Deines wunderbaren Beitrags wurde meine Zeit mit den BücherFrauen wiederbelebt, denn zwischen 1992 und 2006 beschäftigte ich mich mit ihnen und sie sich mit mir ganzjährig.
    Da ich gerade mein Büro ins Homeoffice verlege, war ich im Keller und habe meine BücherFrauen-Vergangenheit „bewältigt“, indem ich mehr als zwanzig Ordner entrümpelte. Die Originale Deiner Illustrationen für den BücherFrauen-Newsletter bewahre ich auf. Du kamst auf die Redaktion zu und hast damals schon den Newsletter mit Deinem Ideenreichtum bereichert 😉 Dass Du das Zeichnen mal eine Zeitlang gelassen hast, kann ich mir gar nicht vorstellen.
    Liebe Grüße, Evelyn

    • Liebe Evelyn,
      na siehst Du, dass ich damals auch schon Zeichnungen geschickt habe, hatte ich schon wieder vergessen – danke für Deinen lieben Kommentar!
      Damals hat frau noch Originale geschickt 😉 … Ich schlage Dir einen Tausch vor: Willst Du meinem Gedächtnis weiter auf die Sprünge helfen und mir die Zeichnungen schicken? Dann revanchiere ich mich mit einem Original aus der Jetzt-Zeit :-). Fände ich lustig!
      Liebe Grüße,
      Stephanie

  4. Stephanie, habe drei Originale mit Zeilen an Heike Wilhelmi vom 7.10.1994 😉 Würde ja schon mal ein Foto einstellen, geht aber nicht …
    Ganz liebe Grüße
    Evelyn

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