BücherFrauen

Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

SERIE Frauen im Literaturbetrieb: Gendergaps, Sichtbarkeit und die Sache mit der Anerkennung – Teil eins

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Autorinnen werden seltener in (hoch)literarischen Verlagen veröffentlicht, erhalten weniger renommierte Preise und Rezensionen in meinungsbildenden Feuilletons und weniger Geld. Auch in der produzierenden Buchbranche sind Frauen selten in Leitungspositionen zu finden oder erhalten geringere Honorare. Der „Runde Tisch zu Frauen in Kultur und Medien“, initiiert von der Kulturstaatsministerin Monika Grütters, soll Lösungen und Gesetzesvorschläge entwickeln. Ein Kompetenzteam der BücherFrauen ist mit dabei.

Auf dem Blog der BücherFrauen stellt Nina George in der folgenden dreiteiligen Blogpostserie die wesentlichen Leitfragen und Lösungsideen vor. Teil eins: die Studie des Deutschen Kulturrats zu Frauen in Kultur und Medien, der Runde Tisch der Staatsministerin Monika Grütters und Frauen in Führungspositionen.

Teil 1: Führungspositionen in der Buchbranche

Die Buchbranche ist weiblich, so heißt es: Nahezu 80 Prozent der Angestellten im Buchhandel sind Frauen, ebenso gibt es mehr Übersetzerinnen als Übersetzer, mehr Lektorinnen (64 Prozent) als Lektoren – und Frauen gelten auch als wahre Kaufkraft. Ihre Ausgaben für Bücher machen den Großteil des Jahresumsatzes der Buchbranche aus. Auf die Frage nach der Entscheidungsmacht aber ist die Buchbranche männlich: Auf 80 Prozent der Entscheidungspositionen im mittleren Management sitzen Männer, als Verlagsleiterinnen fungieren laut MehrWertStudie der BücherFrauen nur vier Prozent Frauen.

Die Lohnlücke ist im Kulturbetrieb höher als in anderen Branchen

Der Blick in die Honorarstrukturen zeichnet ein ebenso ernüchterndes Bild: Der Gendergap beträgt kumuliert 28 Prozent, die Frauen als Angestellte in der Branche weniger erhalten als ihre Kollegen in selber Position. Besonders breit ist die Lohnlücke bei Verlagskauffrauen und Buchhändlerinnen: Sie verdienen 36 Prozent weniger als Verlagskaufmänner und Buchhändler.

Dieser Gendergap spiegelt sich in anderen Kulturbranchen wider, ob es um Regie oder Theaterintendanz geht, um Pressebranche oder Komposition, ob es um freie oder feste Arbeitsplätze geht. Dies belegen sowohl die Studie des Deutschen Kulturrates im Auftrag der Kulturstaatsministerin Monika Grütters als auch die dort zitierte KSK-Statistik: Freie Künstlerinnen bekommen im Schnitt 24 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

Das Weibliche ist das Andere – und weniger wert

Eine Analyse der Kulturratsstudie von Dr. Valeska Henze findet sich bereits auf diesem Blog: „Bei der Gendergerechtigkeit ist die Kultur alles andere als gesellschaftliche Avantgarde. Sie ist banaler Durchschnitt. Ob nun Kunst, Musik oder Literatur – alle ausgewerteten Daten zeigen eine deutliche Kluft zwischen den Geschlechtern. Die Werke von Frauen werden weniger rezipiert, z. B. in Buchrezensionen, bei Ausstellungsmöglichkeiten in Galerien oder der Besetzung von Rollen im Schauspiel oder im Orchester. Sie verdienen in der Regel weniger und haben geringere Chancen auf Preise, Stipendien und Führungspositionen. Die Kultur ist hier nur Abbild bestehender gesellschaftlicher Strukturen. Und formuliert dennoch den Anspruch, mehr zu sein – ein Ort, an dem Neues entsteht: neue Bilder und Erzählungen, neue gesellschaftliche Ideale und Ideen.“

Runder Tisch im Bundeskanzleramt: Gleichstellung wird zur Chefinsache der Kulturstaatsministerin

Um diese Lücken zu schließen, ob mit Gesetzesvorschlägen zu Quoten oder anderen Förderungsinstrumenten, berief Kulturstaatsministerin Grütters den „Runden Tisch zu Frauen in Kultur und Medien“ ein. Am 20.12.2016 erfolgte das Auftakttreffen im Bundeskanzleramt, bis zum Sommer werden Arbeitsgruppen, die sich aus Kulturschaffenden und KulturproduzentInnen aller Branchen zusammensetzen, Vorschläge zur Gleichstellung in der Kultur erarbeiten* UPDATE: Am 30.3.17 findet der Zweite Runde Tisch in der Akademie der Künste Berlin statt.
Beim ersten Treffen im Kanzleramt standen vier Themen im Mittelpunkt: Frauen in Führungspositionen, Gremien und Jurys, Partizipation an der Kulturförderung, Lohnlücke und Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

BücherFrauen am Runden Tisch

Die BücherFrauen bildeten ein verbandsübergreifendes Kompetenzteam, um alle vier Themenfelder aus der Sicht der Buchbranche und ihrer verschiedenen Akteurinnen zu bearbeiten und nutzten den Auftakt am 20.12.2016, um der Kulturstaatsministerin ein umfangreiches Dossier zu branchenspezifischen Zahlen, Problemfeldern und Lösungen zu übergeben. Aus diesem Thesenpapier finden sich im Folgenden Auszüge und Zitate.

Zu dem Team gehören Janet Clark, Schriftstellerin, Präsidentin Mörderische Schwestern e.V., Gründerin Netzwerk Autorenrechte; Yvonne de Andrés, Beirätin für Dezentrale Kultur, Beirätin im Vorstand der BücherFrauen; Nina George, Schriftstellerin, Womens-Writers’-Committee-Beauftragte des PEN-Zentrum Deutschland und Gründerin Fairer Buchmarkt; Ute Hacker, Schriftstellerin und 1. Vorsitzende der Autorinnenvereinigung e.V., Johanna Hahn, Geschäftsführerin des Börsenvereins Berlin-Brandenburg, im Vorstand des Literaturhauses Berlin und im Vorstand des Sozialwerks des Dt. Buchhandels; Dr. Valeska Henze, Politikwissenschaftlerin, Übersetzerin, ehemalige Vorsitzende der BücherFrauen.

Frauen in Führungspositionen: Quoten, Coaching, Bildungsgutscheine

Die Situation in Zahlen:

  • 17 Prozent Frauenanteil in leitenden Positionen in der Buchbranche
  • Nur vier Prozent der Unternehmensspitzen sind mit Frauen besetzt
  • Nur 20 Prozent der Führungspositionen auf der mittleren Ebene (Abteilungsleitung) sind mit Frauen besetzt

Für die Buchbranche gilt dasselbe wie in vielen Bereichen der Kultur: Es gibt gleichbleibend nur wenige Top-Plätze, zum Beispiel als Verlagsleiterin großer Imprints, in Verlagsgruppen oder in den Literaturhäusern. Und auf diesen Spitzen bleiben und rotieren seit Jahren oft dieselben Männer.
„Auffällig sei zudem“, so Dr. Valeska Henze während einer öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages zu Frauen in Kulturbranchen, „dass sich gerade die großen Verlagshäuser gegen die Einführung von Teilzeitarbeitsmodellen wehren. Für Frauen, die ein Kind bekommen, sei die Karriere praktisch beendet.“

In der Buchbranche werden alle bisherigen gesetzlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Gendergerechtigkeit (Quotengesetz, Entgelttransparenzgesetz) kaum angewendet. Kleine Buchhandlungen und Verlage haben selbst einen so erheblichen wirtschaftlichen Druck, dass sie für zusätzliche genderfördernde Maßnahmen selten Ressourcen (finanzielle wie personelle) haben.

Lösungsansätze für mehr Frauen in Führung

Dabei erhöhen Frauen in der Unternehmensleitung die Rendite: Diverse Studien, auch jene McKinsey-Studie, die am 20.12.2016 am Runden Tisch vorgestellt wurde, belegen, dass genderparitätische Vorstände ein Unternehmen wirtschaftlich langfristig profitabler aufstellen. Grund für die rentable Entwicklung sei, dass die Kombination von männlichen, in der Regel oft kurzfristigen, auf schnellen Erfolg ausgerichteten und weiblichen, eher auf Langfristigkeit ausgerichteten Strategien ein Erfolgsfaktor ist. In Führungspositionen werden entsprechend Frauen gebraucht, die nicht versuchen, wie ein Mann zu handeln, sondern das mitbringen, was sie ausmacht.

„Männer nicht zwanghaft ersetzen – aber Frauen und Männer gezielt kombinieren“, lautet folglich auch die Devise von Janet Clark. „Anstatt eine Quote für privatwirtschaftliche Unternehmen sollte ein Umdenken eingefordert werden. Das ökonomische Potenzial von paritätisch agierenden Unternehmensleitungen ist weit höher als einseitig besetzte Spitzen. Die Kombination aus beiden Denkweisen – kompetitiv, eher männlich verortet, und erhaltend, langzeitstrategisch, eher weiblich verortet – ist höchst sinnhaft für erfolgreiche Unternehmen. Anstatt Quote also konsequente Diversität.“

Yvonne de Andrés ergänzt: „Das Arbeitskräftepotenzial von Frauen ist eine immense Chance. Zur Erreichung dieses Kulturwandels sind dennoch auch Instrumente wie Quoten bei staatlich geförderten Häusern, Mentoring-Programme und Coaching wichtige Ansätze.“

Zu Quoten bedenkt auch Dr. Valeska Henze: „Es ließe sich überlegen, staatliche Fördermaßnahmen wie z. B. den Buchhandelspreis an Genderaspekte zu koppeln, z. B. den Frauenanteil in der Geschäftsführung. Das wäre vielleicht nur für wenige Buchhandlungen relevant, würde aber ein Zeichen setzen, dass Gendergerechtigkeit eine Rolle spielt.“ Auch Henze sieht eine Quote bei Brancheninstitutionen wie Literaturhäusern, Hochschulen oder Akademien, die von staatlichen Geldern abhängig sind, anwendbar.

„Für jüngere Kolleginnen oder Selbstständige in dem Beruf könnte ein spezielles Förder­programm sinnvoll sein“, so Johanna Hahn: „Für Wiedereinsteigerinnen ist ein ,Bildungsgutschein‘ denkbar, der Frauen beim Wiedereinstieg über spezielle Seminare hilft.“ Hahn hält zwar durchaus auch eine freiwillige Selbstverpflichtung zu paritätischer Beförderung und Leitung für möglich, aber merkt an, dass dieses nur von wenigen großen Unternehmen in der Buchbranche umgesetzt werden kann.

„Letztlich müssen Führungsfähigkeiten vom Geschlecht entkoppelt werden“, so Nina George. „Führung muss bereits früh gelehrt werden, an Ausbildungsstätten, gern auch mit Schwerpunktseminaren für Frauen.“

Oder Frauen müssen mehr Gründungen wagen – und zwar ihres eigenen Verlages.

 

In Teil 2 (erscheint am 7. Februar): Autoren gewinnen fünfmal mehr Preise als Autorinnen – ob es an den Jurys und Gremien liegt, die nur zu 23 Prozent mit Frauen besetzt sind?
In Teil 3 (erscheint am 14. Februar): Spitzwegs armer Poet ist Poetin. Über Lohnlücken und Vereinbarkeit von Kunst und Familie

 

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Autor: Nina George

Die mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin Nina George schreibt Romane, Sachbücher, Thriller, Reportagen, Kurzgeschichten sowie Kolumnen. Ihr Roman „Das Lavendelzimmer" stand 63 Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, wird in 35 Sprachen übersetzt und war u.a. New York Times Bestseller. Mit ihrem Ehemann, Schriftsteller Jo Kramer, schreibt sie unter „Jean Bagnol“ Provencethriller. Nina George ist Beirätin des PEN-Präsidiums und WWC-Beauftragte, Bundesvorstandsmitglied des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, sowie Gründerin der Initiative Fairer Buchmarkt. Sie lebt in Berlin und der Bretagne. 2017 wurde George als BücherFrau des Jahres ausgezeichnet. www.ninageorge.de

3 Kommentare

  1. Schön, dass es diese Serie gibt. Wird natürlich sofort geteilt und ich freue mich schon auf die Fortsetzungen

  2. Gratulation zu dem tollen Beitrag! Als männlicher Fan meiner „Mörderischen Schwestern“ sehe ich das Grundübel in dem weiterhin herr-schenden Sprachgebrauch, der nachhaltig zu einer „Verschleierung der Frauen“ (nicht nur in Kunst und Politik) beiträgt.

  3. Ich kann mich dem allen nur anschließen. Obwohl inzwischen schon in Rente, hatte ich ebenso im beruflichen Umfeld immer wieder mit den „Männern“ zu kämpfen. Aber wir Frauen haben den Vorteil, dass wir viele Dinge „geschickter“ angehen.
    Inzwischen kann ich meinen ersten Erfolg in Sachen Krimi verkünden. In einer Anthologie „Mörderische Drinks“ wurde mein erster Krimibeitrag veröffentlicht. Freut mich als „junges Schreibhuhn“ besonders.

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