„Frauen sind erst dann erfolgreich, wenn niemand mehr überrascht ist, dass sie erfolgreich sind.“ (Emmeline Pankhurst, Suffragette)
Der Filmstart von „Suffragette“ am 4. Februar bringt die britische Frauenbewegung wieder ins Bewusstsein der breiten Masse. Viele Themen, die damals aktuell waren, sind es auch heute noch, so gab es zum Filmstart in zahlreichen Städten Previews, die von Frauenverbänden organisiert wurden. In diesem Beitrag berichte ich über den Film – wer sich überraschen lassen will, sollte an dieser Stelle nicht weiterlesen.
„Suffragette“ von Sarah Gavron erzählt die Geschichte von Maud Watts (Carey Mulligan), einer 24-jährigen Wäscherin im Londoner East End 1912. Sie ist die Hauptfigur. Bereits mit sieben Jahren arbeitete sie hier. Waschen, bügeln und zusammenlegen markieren den Takt. Verletzungen, sexuelle Übergriffe und Krankheiten sind an der Tagesordnung. Ihr Boss Taylor ist ein durchschnittlicher Arbeitgeber. 17 Schilling die Woche erhalten die Frauen, 19 Schilling die Männer. Ihre kleine Familie kommt gerade so zurecht. Zufällig gerät Maud in einen Anschlag der Suffragetten und ist erstmals verstört. Dabei entdeckt sie Violet (Anne-Marie Duff), eine Kollegin aus der Wäscherei. Violet macht aus ihrer politischen Haltung keinen Hehl und weckt das politische Interesse von Maud. Sie begegnet der engagierten Apothekerin Edith (Helena Bonham Carter), bei der die konspirativen Treffen der Suffragetten stattfinden. Doch ihre Leidenschaft entflammt vollständig für die Sache, als sie Alice (Romola Garai) aus der Oberschicht kennenlernt. Alice ermuntert die Arbeiterinnen, im Parlament vor dem Ministerpräsidenten David Lloyd George (Adrian Schiller) die Arbeitsbedingungen in der Wäscherei vorzutragen. Maud wird zum ersten Mal gefragt. Zum ersten Mal wurde ihr zugehört. Erstmalig wird ihr bewusst, dass sie Rechte hat. Ab jetzt möchte sie ihr Schicksal in die Hand nehmen.
Die Enttäuschung ist umso größer, als männliche Parlamentarier den Antrag auf das Frauenwahlrecht negativ ausschlagen. Es gibt noch kein Wahlrecht für Frauen. Die Suffragetten radikalisieren sich, da stiller Protest nicht wirkt. Die Kommunikation kommt zum Erliegen. Telegrafendrähte werden durchtrennt, Briefkästen in die Luft gejagt und auch ein Anschlag auf das leerstehende Landhaus von David Lloyd George findet statt. Brutal unterdrückt die Polizei die Proteste. Haft, Repression und Zwangsernährung sind die Antworten des im männlichen Rollenverhalten stagnierten Establishments. Maud ist auch dabei. Ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei beginnt. Bei dem Maud ihren Mann und ihren Sohn George verliert. Mauds Mann macht ihr klar, was für eine Schande sie über die kleine Familie gebracht hat und dass sie keine Rechte hat. Sie hat nichts mehr zu verlieren und schließt sich umso entschlossener der Sache der Suffragetten an. Taten statt Worte lautet die Parole. Maud gewinnt dafür ihre Schwestern im Geiste als neue Familie.
Die Wendung bringt die Suffragetten-Aktion beim Derby von Epsom, einem Großereignis der feinen Gesellschaft, indem sich die Suffragette Emily (Natalie Press) dem Pferd des Königs in den Weg stellt und dabei umkommt. Somit schaffen es die Suffragetten, den Kampf für die allgemeine Gleichstellung und das Frauenwahlrecht auf die öffentliche Agenda zu setzten. Langsam wendet sich das Blatt.
Dieser wichtige Teil unserer Geschichte sollte unbedingt präsent sein und uns vor Augen halten, dass Gleichstellung in vielen Bereichen wie z. B. gleicher Lohn für gleiche Arbeit immer noch nicht realisiert ist.
Der Film ist kein nostalgischer Kostümschinken, sondern ein beeindruckendes leidenschaftliches filmisches Plädoyer, wie sich die britischen Frauen vor über hundert Jahren das Wahlrecht erkämpften. Ein Film, der wachrüttelt, ohne zu dramatisieren, und der uns vor Augen hält, wie schwierig der Kampf war und ist. Die wunderbaren Schauspielerinnen haben daraus einen klugen nachdenklichen Film gemacht, der Mut macht. Sehr sehenswert. Zu Recht hat der Film von der Deutschen Film- und Medienwertung das Prädikat „besonders wertvoll“ erhalten. Hier gibt es mehr Informationen zum Film.
Für mich schwang die Frage mit: Wofür gehen wir heute auf die Straße?
6. Februar 2016 um 02:04
Du gibst eine sehr schöne, informative und anregende Filmkritik, liebe Yvonne!
Und juchhu, der Film läuft seit gestern für zwei Wochen im ausgezeichneten Lüneburger Programmkinos „Scala“ – schon mit der Ankündigung voraussichtlicher Verlängerung um eine weitere Woche. Ich bin gespannt, wie durchwachsen das Publikum ist, geschlechtlich und altersmäßig. Es gibt auch noch eine Sondervorführung im Rahmen von „KaffeKino für Seniorinnen und Senioren”.
6. Februar 2016 um 04:39
Liebe Evelyn,
bin gespannt auf deine Einschätzung. In Berlin knisterte die Luft im Kino International. Viele engagierte Frauen waren der Einladung gefolgt. Das Kino war Rappel voll. Es war wie ein großes Klassentreffen.
Die anschließende Gesprächstunde in Berlin war sehr pragmatisch. Wenig nostalgisch.
7. Februar 2016 um 21:00
Ich komme gerade aus dem Kino und kann deine Worte nur unterstreichen, liebe Yvonne! Der Saal war voll, es war sehr still und die Spannung zum Greifen! Erst beim Abspann mit den Jahreszahlen, wann Frauen in einzelnen Ländern das Wahlrecht erhalten haben, wurde geraunt und teilweise nach Luft geschnappt. Der Film selbst ist spannend und mitreißend und lässt mich sehr nachdenklich zurück. Wir haben diesen Frauen viel zu verdanken.
10. Februar 2016 um 09:00
Liebe Brigitte,
besten Dank.
Habe gerade das Buch von Antonia Meiners, “Die Suffragetten. Sie wollten wählen – und wurden ausgelacht” erhalten. Eine gute Ergänzung zu dem Film.
Grüße nach Stuttgart
Yvonne
10. Februar 2016 um 01:11
Das war gestern eine gelungene Sondervorführung mit so vielen BesucherInnen, dass sogar noch ein kleines Kino geöffnet wurde. Der Altersquerschnitt lag so um die 55 Jahre. Viele schienen mir älter als 60 und aufwärts zu sein (bin ich ja auch). Vermutlich lag es daran, dass es keineswegs andächtig zuging. Schließlich hat diese Altersgruppe trotz des schon errungenen Frauenwahlrechts noch wesentlich mehr an Diskriminierung erlebt, als es heute der Fall ist. Wir müssen trotzdem am Ball bleiben!
Der Film ist ausgezeichnet! Frauenwiderstand in England kurz nach dem Ersten Weltkrieg ist Inhalt des ersten Bandes „Sturz der Titanen“ von Ken Folletts Jahrhundert Trilogie, der mich sehr fesselte. Der Film stellte für mich eine äußerst gute Ergänzung dar.
Ich kann mich mit diesen so realistisch dargestellten Frauen schlichtweg identifizieren. Der Film weckte Erinnerungen. Mir fiel z.B. danach im Gespräch mit einer Freundin ein, dass bei meiner Lehrstellensuche 1965 mein Wunschberuf „Schaufensterdekorateur“ für mich ein Traum bleiben musste, weil er Jungs vorbehalten war … Berittene Polizei, die brutal von oben bis aufs Blut auf mit Nato-Stacheldraht eingekesselte DemonstrantInnen an den Durchlassstellen eindrosch, erlebte ich als Teilnehmende am 4. Juni 1980 bei der Räumung des Hüttendorfes der Initiative Republik Freies Wendland der Anti-AKW-Bewegung bei Gorleben …
10. Februar 2016 um 08:57
Liebe Evelyn,
herzlichen Dank für das ausführliche Feedback.
Diese Frauen hatten Mut, Kampfgeist und eine klare Vorstellung von nicht verhandelbaren Werten. Das macht sie so modern und ihr Handeln so aktuell.
“Es ist unsere Pflicht, die Welt zu einem besseren Platz für Frauen zu machen.”
Christabel Pankhurst
Besten Dank.
6. März 2016 um 11:23
Höchste Zeit dass dieses Sujet ins Kino kommt. Wünsche dem Film weiterhin viele Besucher und Beducherinnen. Stuttgarter Kino (allerdings kleines) war gestern Abend 18 Uhr 4 Wochen nach Filmstart noch gut gefüllt.
6. März 2016 um 14:04
Liebe Frauke,
vielen Dank für das Feedback. Frauen die sich über den Film hinaus mit dem Thema beschäftigen wollen kann ich folgendes empfehlen:
http://www.aviva-berlin.de/aviva/content_Buecher_Biographien.php?id=14191728
22. März 2016 um 17:19
Liebe Frauke, liebe BücherFrauen,
in Berlin wird im Rahmen der Ausstellung Berlin – Stadt der Frauen wird der Stummfilm: Die Suffragette mit Asta Nielsen (1913) am 23.05.16 um 18.00 Uhr in der Brotfabrik gezeigt.
Der Film mit Asta Nielsen basiert auf der Geschichte der Engländerin Emmeline Pankhurst, die 1903 die Women’s Social and Political Union gründete. Einführung: Dr. Beate Witzel, Stadtmuseum Berlin | Jan Gympel, Filmhistoriker. Eine Kooperation mit dem BrotfabrikKino Berlin. Tipp: Rechtzeitig Karten sichern.
23. Mai 2016 um 09:17
Liebe BücherFrauen, liebe Berliner BücherFrauen,
heute Abend wird in der Brotfabrik um 18.00 Uhr der Film “Die Suffragette” von 1913 gezeigt.
“Die Suffragette”, entstand im Union-Atelier in Tempelhof, feierte im September 1913 in Berlin Premiere. Der Film mit Asta Nielsen, basiert auf der Geschichte der Engländerin Emmeline Pankhurst, die 1903 die Women’s Social and Political Union gründete. Damit traf der Film den Nerv der Zeit.
Einführung durch Dr. Beate Witzel vom #stadtmuseumberlin zusammen mit dem Filmhistoriker Jan Gympel.