In diesem Monat geht es mit den Interviews mit Verlegerinnen aus unabhängigen Verlagen weiter mit Zoë Beck vom CulturBooks Verlag, dem Literaturverlag für Bücher und Digitaleditionen, in dem „aufregende Stimmen aus aller Welt“ zu finden sind.
Doris Hermanns: Zoë, du bist Verlegerin bei CulturBooks. Was für ein Verlag ist das, was macht ihr für Bücher?

Zoë Beck © Gunter Glücklich
Zoë Beck: Wir sind ein Literaturverlag mit Fokus auf internationaler Literatur in deutscher Übersetzung. Wir haben viele neue, junge Stimmen, die bereits international große Erfolge feierten, aber auch bereits seit Längerem etablierte Autorinnen und Autoren. Pro Halbjahr bringen wir 2 bis 3 neue Titel heraus.
DH: Als ihr den Verlag 2013 gegründet habt, habt ihr mit E-Books angefangen. Wie kam es dazu und was hat euch damals an E-Books mehr angesprochen als an gedruckten Büchern?
ZB: Um einen E-Book-Verlag zu gründen, brauchte es so gut wie kein Startkapital. Der Vorteil an E-Books sind deutlich geringere Produktionskosten, eine schnellere und flexiblere Veröffentlichung, die Möglichkeit, kleine Formen zu veröffentlichen …
DH: Ihr habt euch auf Dauer dann entschlossen, auch gedruckte Bücher zu veröffentlichen, wie haben sich die Arbeitsprozesse im Laufe der Jahre geändert und erweitert?
ZB: Als wir angefangen haben zu drucken, mussten wir die passenden Strukturen aufbauen und natürlich auch anders planen als zuvor. Wir haben jemanden für die Herstellung gefunden, haben uns in Sachen Vertrieb und Auslieferung professionalisiert, haben uns Unterstützung in Sachen Pressearbeit gesucht und unser Netzwerk an freien Mitarbeiterinnen ausgebaut … Vieles machen Jan und ich selbst, aber natürlich geben wir immer mehr im Bereich Übersetzung und Textredaktion nach außen.
DH: Auffällig bei den digitalen Ausgaben ist, dass sich die Unterteilung an Begriffe aus der Musik anlehnt. Da gibt es dann beispielsweise neben Album und Longplayer auch Maxi und Single. Was hat es damit auf sich?
ZB: Außer, dass wir beide sehr musikaffin sind? Wir wollten weg von den üblichen literarischen Genrebegrifflichkeiten. Wir wollten damit sagen: Das sind alles gute Texte, lest sie einfach! Und mit Maxi, Longplayer usw. haben wir die Textlänge kategorisiert – anders als einem Buch ist einem E-Book ja nicht anzusehen, wie lang es ist, da sollen diese Bezeichnungen eine kleine Hilfe sein.
DH: Und ihr veröffentlicht auch E-Books, deren gedruckte Ausgaben in anderen Verlagen erschienen sind. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
ZB: Das hatten wir von Anfang an im Auge. Wir hatten schließlich schnell das Know-how auf dem Gebiet der Digitalausgaben und des digitalen Vertriebs, also wollten wir befreundete Verlage, die keine eigenen E-Books produzierten, entsprechend unterstützen und Synergien bilden. So lässt sich für viele Bücher noch zusätzliche Aufmerksamkeit herstellen und noch einmal ein etwas anderes Publikum erreichen.
DH: Wie unterscheidet sich euer Verlag als einer der unabhängigen von den Konzernverlagen? Warum sind die Indie-Verlage für dich wichtig?
ZB: Weniger Konferenzen! Haha! Im Ernst, wir sind natürlich wendiger und können ganz anders kalkulieren. Gleichzeitig können wir natürlich nicht mit den Marketingapparaten der Konzerne wetteifern. Dafür durchlaufen unsere Entscheidungen viel weniger Instanzen und sind, behaupte ich, sehr viel mehr durch die Persönlichkeiten geprägt, die die unabhängigen Verlage leiten. Mein Eindruck ist, dass sich unabhängige Verlage noch mal ganz andere Bücher zutrauen als Konzernverlage. Definitiv sorgen sie für deutlich mehr Vielfalt auf dem Buchmarkt.
DH: Wie viele seid ihr im Verlag? Gibt es bei euch Festangestellte und/oder Honorarkräften zum Beispiel für das Lektorat oder Übersetzungen?

Jan Karsten und Zoë Beck © Christopher Werth
ZB: Wir sind zu zweit, Jan Karsten und ich haben den Verlag gegründet. Wir arbeiten mit Honorarkräften zusammen. Klaus Schöffner kümmert sich um die Herstellung, Irmi Keis ist für die PR zuständig, es gibt sechs Verlagsvertreterinnen und -vertreter für Deutschland und Österreich und für Key-Account. Wir beauftragen Grafikerinnen, Übersetzerinnen, Textredakteurinnen …
DH: CulturBooks ist Mitglied im Freundeskreis der Kurt Wolff Stiftung. Was bedeutet das für euch?
ZB: Es ist uns eine Ehre und zugleich ein Bedürfnis. Die Kurt Wolff Stiftung steht für eine vielfältige Verlags- und Literaturszene und setzt sich für die Interessen der kleinen unabhängigen Verlage ein. Reger Austausch, das Bündeln von Ideen und Erfahrungen, das Sammeln unserer Kräfte ist extrem wichtig, um in der Branche bestehen zu können.
DH: Euer Programm umfasst Autorinnen und Autoren aus zahlreichen Ländern, deren Leben sich oft auch nicht nur auf ein Herkunftsland beschränkt, was es für mich beispielsweise besonders spannend macht, da es nicht nur die üblichen weißen Stimmen aus Europa und den USA sind, sondern es neue, mir meist unbekannte Stimmen sind, die andere, oft grenzüberschreitende Perspektiven in die Literatur bringen. So war ich sehr begeistert von den Erzählungen von Lesley Nneka Arimahs Was es bedeutet, wenn ein Mann aus dem Himmel fällt. Wie kommt ihr zu all diesen spannenden neuen Autorinnen und Autoren?
ZB: Wir lesen viel, verfolgen die unterschiedlichen Buchmärkte, Literaturfestivals und Magazine. Und natürlich arbeiten wir auch mit internationalen Agenturen zusammen, schauen uns deren Autorinnen und Autoren an … eigentlich machen wir nicht viel anderes als vermutlich alle anderen Verlage. Jan und ich haben da offenbar einen bestimmten Geschmack, zum Glück ist der in vielen Punkten sehr ähnlich und wir werden uns schnell einig, was wir machen wollen.
DH: Du bist inzwischen zweite Vorsitzende des Litprom e. V. und hast im April diesen Jahres zusammen mit Barbara Weidle auch die Literaturtage der Litprom (die übrigens ganz großartig waren) kuratiert. Warum ist es dir wichtig, dich dort zu engagieren?
ZB: Oh, vielen Dank! Mir ist es wichtig, die Arbeit von Litprom zu unterstützen, weil dieser Verein seit über vierzig Jahren zeigt, dass es abseits des westlich geprägten Literaturkanons (weiß, männlich, hetero, Mittelschicht …) vielfältige, aufregende, hochwertige Literatur gibt, Stimmen, die unbedingt gehört werden müssen. Die Welt hat so viele Geschichten, und wir müssen sie uns gegenseitig erzählen. Dazu sind Geschichten doch da. Wie sollen wir uns sonst alle besser kennenlernen? Litprom hilft dabei, die Literaturen dieser Welt zugänglich zu machen.
DH: Auffällig ist auch, dass ihr für einen kleinen unabhängigen Verlag, viele Autorinnen in euerm Programm habt, wo andere sich gerne damit herausreden, dass es angeblich zu wenige Frauen gäbe, die schrieben, bzw. ihnen weniger (oder gar keine) Werke von Autorinnen von Agenturen angeboten würden. Fragt ihr speziell nach Frauen? Achtet ihr da besonders drauf?
ZB: Es gibt so viele interessante Autorinnen, ich weiß nicht, wie man die nicht finden kann. Wir müssen gar nicht speziell nach Autorinnen fragen.
DH: Wie sieht euer Programm aktuell aus? Was hat sich geändert? Was zeichnet es aus?
ZB: Durch die verschobene Frankfurter Buchmesse bringen wir einen unserer beiden Gastland-Kanada-Titel erst jetzt heraus, nämlich Nacht der Bestimmung von Anar Ali, eine unglaublich berührende Einwanderersaga und Familiengeschichte. Außerdem kommt im Herbst ein neuer Titel von Frank Göhre, der mit seinem letzten bei uns erschienenen Roman schon so einige Preise eingesammelt hat, und dann noch der Roman der schwedische Autorin Kayo Mpoyi Mai bedeutet Wasser, ein sehr poetisches Werk, fast ein moderner Bildungsroman, der das Aufwachsen eines jungen Mädchens in Tansania begleitet und sich mit den Folgen des Kolonialismus auseinandersetzt.

Zoë Beck und Amanda Lee Koe © Gert Heiland
Aktuell arbeite ich an der Übersetzung von Amanda Lee Koes Debütroman Die letzten Strahlen eines Sterns. Er erscheint nächstes Jahr bei uns. Wir haben bereits ihren Erzählband Ministerium für öffentliche Erregung als eines unserer ersten gedruckten Bücher veröffentlicht. Eine fantastische Sammlung von einer hochtalentierten jungen Autorin!
Geändert hat sich vor einiger Zeit das Design unserer Vorschau, wir haben gerade auch die Auslieferung gewechselt und sind jetzt bei Prolit, was uns sehr glücklich macht. Wir versuchen ständig, uns immer weiter zu verbessern, um den tollen Büchern, die wir machen, auch ein tolles Umfeld zu bieten.
DH: Die Liste der Auszeichnungen eurer Bücher auf eurer Website ist sehr beeindruckend. Neben einigen deutschen Preisen, wie dem Deutschen Krimipreis und dem Deutschen Verlagspreis, den ihr inzwischen bereits zweimal bekommen habt, sind viele Bücher im Original auszeichnet worden. Sucht ihr sie gezielt danach aus und hofft, dass sie dann auch in Deutschland Erfolg haben könnten?
ZB: Wie schon gesagt, wir schauen uns in Literaturzeitschriften und den internationalen Buchmärkten um, haben dabei natürlich auch Nominierungslisten wichtiger Preise im Blick. Aber oft haben wir eine Lizenz auch schon gekauft, und die Autorin oder der Autor wird anschließend ausgezeichnet. Die wenigsten Preise garantieren, dass es quasi automatisch zu besseren Verkäufen kommt. Preise helfen vielleicht dabei, dass ein Buch auch im deutschsprachigen Raum besprochen und nicht gleich zur Seite geschoben wird. Aber die meisten unserer Autoren und Autorinnen müssen wir wirklich ganz neu hier auf dem Markt etablieren.
DH: Was sind die Kriterien, nach denen ihr entscheidet, ob ihr ein Buch macht?
ZB: Es muss uns beiden gefallen.
DH: Wie wichtig ist Feminismus für dich?
ZB: Das ist Alltag, Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsarbeit. Privat wie beruflich.
DH: Die Werke welcher Autorinnen waren und sind dir wichtig?
ZB: Zu viele, um sie alle aufzuzählen, aber Charlotte Perkins Gilmans The Yellow Wallpaper war schon eine Erweckung, Octavia E. Butlers Kindred eine Bereicherung, Carol Ann Duffys Gedichte eine Erleuchtung, Denise Minas Schaffen eine Offenbarung. Lillian Hellman hat mich mit Little Foxes gleich gepackt. Mich hat auch immer das Werk von Ruth Rendell beeindruckt und sicherlich auch in meinen Schreibanfängen bestärkt. Ich habe ganz viele Autorinnen jetzt nicht genannt.
DH: Was war für dich dein wichtigstes Buch im Verlag? Und warum?

Zoë Beck und Pippa Goldschmidt, Buchhandlung Ocelot, Berlin, April 2018 © Christopher Werth
ZB: Wie sagen Eltern immer, sie haben alle ihre Kinder gleich lieb? Und so sind mir alle Bücher natürlich wichtig! Ein klein wenig mehr Herzblut als an den anderen klebt vermutlich an Pippa Goldschmidts Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen, was damit zu tun hat, dass ich Pippa vor ewigen Zeiten auf einer Party in Edinburgh kennenlernte, als sie gerade ihren Master in Creative Writing machte, und ich später dann ihre Übersetzerin und Verlegerin wurde. Sie vertraute mir ihre Kurzgeschichten an, damit wir sie als eines der ersten E-Books bei CulturBooks herausbringen konnten. Und als wir uns entschieden, Bücher zu drucken, musste daraus natürlich auch ein gedrucktes Buch werden. Da ich Pippa schon so lange persönlich kenne und ihren Werdegang als wirklich fantastische Autorin begleiten darf, liegt mir sehr viel an ihr und ihrem Schreiben.
DH: Welches Buch hättest du gerne gemacht? Das kann ein existierendes sein oder eins, das du zu einer bestimmten Zeit gerne gemacht hättest, was aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht ging.
ZB: Ach, es gibt ein paar Titel, die uns weggeschnappt wurden, so etwas kommt natürlich immer mal wieder vor, und bei manchen bin ich entsetzlich nachtragend, dass es nicht geklappt hat. Aber letzten Endes freut es mich dann doch vor allem, dass die Bücher überhaupt gemacht wurden und in deutscher Sprache erschienen. Es gibt noch eine längere Liste mit Büchern, von denen ich hoffe, dass wir sie bald machen werden, aber das ist natürlich alles eine Frage der Kapazitäten.
DH: Was würdest du dir für die Zukunft wünschen? Für euren Verlag? Für unabhängige Verlage insgesamt?
ZB: Mehr Raum für Literatur im Radio, im Fernsehen, in den Zeitungen und Magazinen, einfach überall, um nicht nur die Menschen zu erreichen, die ohnehin schon viel lesen und gezielt nach Buchbesprechungen im Netz suchen. Mehr Förderung für Übersetzungen und die unabhängige Verlagsszene, damit die Vielfältigkeit erhalten bleibt. Mehr Unterstützung für den unabhängigen Buchhandel, denn dort werden unsere Bücher kenntnisreich vermittelt und verkauft.
Das Jahresthema der BücherFrauen ist 2021 „Unabhängige Verlage“. Dazu wird es monatlich ein Interview mit einer Verlegerin eines Indie-Verlags geben:
Januar: Ulrike Helmer vom Ulrike Helmer Verlag
Februar: Britta Jürgs vom AvivA Verlag
März: Kristine Listau vom Verbrecher Verlag
April: Silke Weniger von der edition fünf
Mai: Andrea Krug vom Verlag Krug & Schadenberg
Juli: Renate Klein und Susan Hawthorne von Spinifex Press