Als diejenigen, die Bücher schreiben, vermitteln, lektorieren, gestalten, verlegen und verkaufen, lieben wir natürlich Bücher. Ja – und klar, wir lesen sie auch, nicht nur die, mit denen wir beruflich zu tun haben. Und wenn wir zu denen gehören, die Bücher besonders in gedruckter Form schätzen, bekommen wir früher oder später ein Problem: Wir haben zu viele davon. Was tun?
Ich gebe zu, ich gehöre zu den Sammlerinnen. Außerdem habe ich relativ viel Platz. Aber ich lese auch viel – und nur zuweilen mal aus der Bibliothek. Und selbst ich habe nicht so viel Platz, dass ich alle behalten kann. Was mache ich also mit den Büchern, die ich nicht unbedingt um mich herum haben muss bzw. mit denen, die ich gerne loswerden möchte?
Diejenigen, die sich professionell damit beschäftigen, ob das, was ich loswerde will, für andere interessant sein kann, sind Antiquarinnen. Die Frage, was wir mit alten Büchern tun können, stelle ich der BücherFrau Doris Hermanns, die in Utrecht das Antiquariat Vrouwenindruk betreibt.
Doch vorab möchte ich gerne wissen: Welchen Schwerpunkt hat Dein Antiquariat?
Doris Hermanns: Mein Antiquariat, das dieses Jahr seit 30 Jahren besteht, ist spezialisiert auf Bücher von und über Frauen. Schwerpunkte sind dabei Geschichte, Biografien, Literatur und Frauen- und Lesbenforschung, wichtige Spezialisierungen sind aber auch Bücher über die Frauen der Left Bank und Bloomsbury, der Kreis um Virginia Woolf. Daneben habe ich natürlich auch Bücher über Frauen in Musik, Kunst, Religion, Psychologie, Theater u.a.
Der Großteil der Bücher sind auf Niederländisch, Englisch und Deutsch, aber ein kleiner Teil auch auf Französisch und einige in anderen Sprachen.
BJ: Wie kommen die Bücher, die Du in deinem Antiquariat anbietest, zu Dir?
DH: Die Bücher kommen auf den unterschiedlichsten Wegen zu mir. Ich suche aktiv danach überall wo ich bin, z.B. auf Flohmärkten, Büchermärkten, in Antiquariaten und Second-Hand-Läden. Aber ich bekomme auch sehr viel angeboten, beispielsweise aus Nachlässen oder wenn Leute in kleinere Wohnungen ziehen. Zudem bestelle ich Restparteien in Amerika, das sind häufig genau die Bücher, die von anderen Anbietenden hier in Europa nicht genommen werden, aber eben in meinen Schwerpunkt fallen.
BJ: Wie werde ich denn am besten ohne großen Aufwand die Bücher los, die ich nicht mehr brauche, die aber nun keinem besonderen Spezialbereich angehören?
DH: Das kommt ganz auf die Bücher an. An alten und besonderen Büchern, vor allem denen, die nicht mehr neu lieferbar sind und nur eine kleine Auflage hatten, können Antiquariate interessiert sein. Das sind allerdings selten Bücher der letzten Jahre und schon gar nicht diejenigen, die in großer Auflage auf den Markt gekommen sind und Bestseller waren.
BJ: Das sind eigentlich nicht die Bücher, an die ich dachte – sondern eher irgendwelche Krimis, Taschenbücher oder gebundene Bücher, die mir einfach nicht gefallen.
DH: Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die wieder zu verteilen. Es gibt z.B. Bibliotheken in Krankenhäusern und Altenheimen, die daran interessiert sein könnten.
BJ: Auch wieder eine aufwändige Angelegenheit, das zu recherchieren.
DH: Nein, das ist eine Frage von einem Telefonat. Eine schöne Idee ist es auch, zuhause einen kleinen Korb aufzustellen, den Besuch regelmäßig durchgucken kann. Aber es gibt auch immer mehr öffentliche Bücherregale, wo Bücher eingestellt und gratis mitgenommen werden können. Diese gibt es inzwischen auch in manchen Stadtbibliotheken.
BJ: In Hamburg gibt es sogar öffentliche Bücherregale in mehreren Buslinien. Das finde ich eigentlich noch schöner als die ganzen Bücherschränke und -bänke in der Stadt und würde mir dafür noch eine größere Verbreitung wünschen.
DH: Außerdem gibt es noch für einzelne Bücher die Möglichkeit, sie über Bookcrossing „freizusetzen“ oder sie einzeln z.B. über Booklooker zu verkaufen – beides sind jedoch sehr aufwändige Methoden, die sehr viel Zeit erfordern. Auch posten manche einfach bei Facebook, wenn sie Bücher übrig haben, die sie gerne los werden möchten. Oder sie hinterlassen ihre Bücher einfach am Urlaubsort, wenn sie merken, dass es ihnen reicht, sie einmal gelesen zu haben.
BJ: Wie sieht es denn mit gemeinnützigen Organisationen aus?
DH: Das sieht nur auf den ersten Blick wie eine gute Idee aus, ist aber im Grunde genommen gar keine. Diese stellen ihre Bücher auf professionellen Plattformen ein, ohne auch nur im Entferntesten professionell zu sein, d.h. sie haben weder Ahnung von Titelbeschreibungen noch von Preisgestaltung noch von sonst etwas, das den antiquarischen Handel ausmacht. Das wirkt sich auf den antiquarischen Markt nur negativ aus. Zudem arbeiten sie mit Freiwilligen oder 1 Euro-Jobbern.
BJ: Mir widerstrebt das ja, aber was meinst Du? Dürfen wir Bücher auch einfach wegwerfen?
DH: Es gibt durchaus Bücher, die weggeworfen werden sollten. Wenn sie z.B. voll geschrieben sind, unzählige Unterstreichungen haben, wenn Seiten fehlen, sie Wasserschäden haben oder gar Schimmel oder sie völlig auseinanderfallen. Sie haben dann einfach keinen Wert mehr. Anmerkungen der eigenen Großmutter mögen einen persönlichen Wert haben, aber für andere haben sie diesen eben nicht.
BJ: Ihre eigentliche Funktion können sie dann nicht mehr erfüllen – doch selbst Bücher mit auseinanderfallenden Seiten können noch als Material für tolle Buchobjekte herhalten: Bookogami
Und ob die Seiten vollgeschrieben sind, spielt bei diesem Buchmöbel keine Rolle.
Wunderbare Kunstwerke mit alten Büchern gibt es auch – beispielsweise von der Künstlerin Ekaterina Panikanova.
Das Fazit: Auch wenn wir unsere alten Bücher nicht mehr brauchen, können diese doch noch in vielerlei Hinsicht nützlich sein und sogar ein ganz neues Leben eingehaucht bekommen.
10. Juni 2014 um 21:27
Toller Beitrag! Es sind ein paar gute neue Anregungen dabei! Bisher habe ich meine ausrangierten Bücher immer zu Oxfam getragen. Das war auch o.k. Gut ist auch nun zu wissen: Die Bücher, die ich für meine Diplomarbeit verwendet und vollgeschrieben habe, müssen auch nicht in den Müll, sondern können wiederbelebt werden! Toll! Danke!
10. Juni 2014 um 23:11
Schön, dass die Bücherfrauen sich dem Thema widmen!
Aber: Gemeinnützige Organisation ist nicht gleich gemeinnützige Organisation. Frau Herrmanns Kritik an diesen trifft nicht auf alle Einrichtungen zu. Grundsätzlich sollte man sich informieren, was der Zweck der jeweiligen Organisation ist, sollte sich diese genauer anschauen und ggf. nachfragen, was mit den Büchern passiert.
Bei uns am Berliner Büchertisch werden die Buchspenden beispielsweise professionell sortiert, wobei wir auch die Bücher annehmen, an denen Antiquare kein Interesse haben. Mit einem Großteil der Bücher statten wir entweder Schulbibliotheken oder andere Einrichtungen aus, die sich mit speziellen Spendenanfragen an uns gewendet haben, oder wir geben sie in Buchverschenk- und Tauschregalen weiter.
Einen Teil der Bücher verkaufen wir in drei sozialen Buchläden oder auch online – wobei wir die Preise professionell recherchieren und uns auf den Online-Plattformen an die marktüblichen Preise halten. Wir haben in unserem Team auch Antiquare, arbeiten also nicht gegen die Branche, sondern bauen auf gegenseitige Unterstützung.
Wir beschäftigen 30 Menschen in Teil- und Vollzeit (nicht als 1-Euro Kräfte), zusätzlich arbeiten wir in verschiedenen Bereichen mit etwa genau so vielen Ehrenamtlichen, die unsere Arbeit unterstützenswert finden.
Für die Menschen, die uns ihre Bücher spenden, bedeutet das, dass sie nicht, wie im Interview beschrieben, selbst recherchieren müssen, in welchem Krankenhaus oder welcher Einrichtung Bücher gebraucht werden, oder selbst eine Verschenkbox einrichten muss – wobei es toll ist, wenn man das macht!
Wir haben oft Buchspender, die eine größere Menge Bücher abgeben wollen und die z.B. dankbar sind, dass wir diese kostenfrei abholen und nicht nur die „Perlen“ mitnehmen.
Ein „neues Leben“kann man also Büchern auf viele Weise einhauchen – auch, indem man an gute Organisationen spendet!