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Xanthippe-Front

Xanthippe: Generationenwechsel im Frauenbuchladen

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Nicht, dass es in Mannheim einen Mangel an engagierten Buchhandlungen gäbe: Der Börsenverein listet unter seinen Mitgliedern allein 25 Standorte in der Quadratestadt. In politisch engagierten Tagen fand hier 1978 der Frauenbuchladen Xanthippe von Regine Elsässer und Brigitte von Seckendorff seine Nische. Es war der zweite in Deutschland nach Lillemors in München – und verstand sich als Teil der aktiven Frauenbewegung. Außerdem sollten sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen werden.

Doch die Zeiten haben sich gewandelt, die Nische Frauenliteratur ist immer kleiner geworden. An vielen anderen Orten mussten derartig ehrgeizige Projekte aufgegeben werden. Doch Xanthippe in Mannheim hat überlebt.

Xanthippe-Team mit 5 Frauen

Die Xanthippen: Regine Elsässer (Inhaberin und Gründerin), Dorte Deutler (Aushilfe), Yvonne Wenzel (Inhaberin und Chefin), Csilla Bouton (Azubi im letzten Lehrjahr), Gabi Reiser (Buchhändlerin). Foto: Xanthippe

Erfolgreicher Generationenwechsel

Im Gegenteil: Inzwischen hat die nächste Generation erfolgreich übernommen: Regine Elsässer ist noch Mitinhaberin, hat sich aber aus dem aktiven Geschäft nach und nach herausgenommen. Dafür stieg die 14 Jahre jüngere Yvonne Wenzel ein.

Kennengelernt hatten sie sich im Frauencafé, drei Häuser weiter, das von 1980 bis 1987 als regelmäßiger Treffpunkt der Frauenbewegung diente. Und so ergab es sich, dass Wenzel ab und zu als Aushilfe im Buchladen mitarbeitete – und als die Mitbegründerin Elsässer aufhören wollte, die Entscheidung traf, ganz mit einzusteigen und sich zur Buchhändlerin ausbilden zu lassen.

Inzwischen leitet sie selbst nach bestandener Eignungsprüfung der IHK den Ausbildungsbetrieb. Das sei das Schöne, dass dadurch auch jüngere Frauen angezogen würden, meint sie. Die jüngste und gerade fertig gewordene Auszubildende, Ronja Rasch, habe mit ihren 18 Jahren und durch ihr Interesse an Graphic Novels nicht nur ergänzendes Know-how ins Buchhändlerinnen-Team gebracht, sondern auch neue, jüngere Kundinnen in den Laden gelockt. Als Abschlussprüfung habe sie sich selbst als Buchhändlerin zur Hauptfigur einer Graphic Novel gestaltet, eine Idee, die sehr gut ankam. Übrigens: Fast alle in der Buchhandlung ausgebildeten Buchhändlerinnen sind in guten Positionen in der Region untergekommen.

Kontinuität und Wandel

Wie erwartet stellen Frauen 90 Prozent der Kundschaft, Männer sind jedoch willkommen – “und wer einmal die (Hemm-)Schwelle überschritten hat, komme immer wieder” –, meint Wenzel .

Es zeichnet die Inhaberin aus, dass sie immer wieder offen ist für neue Strömungen. Sonst hätte der Buchladen sich auch nicht gehalten – der Umsatz mit frauenbewegten Büchern, die in der Gründungszeit ein ganz wesentliches Standbein bildeten, geht inzwischen eher gegen Null. Und die Lesbenszene kauft ihre Bücher, seit es das Internet gibt, tendenziell online.

Kleinere engagierte Verlage, auch aus der Schweiz oder Österreich, finden sich jedoch immer in den Regalen – wie auch die Titel des Mannheimer personaverlags. Die mehrfach preisgekrönte und literarisch ambitionierte Verlegerin Lisette Buchholz bringt seit mehr als 30 Jahren sowohl Exilliteratur als auch sorgsam ausgesuchte Titel zur internationalen Gegenwartsliteratur heraus.

Xanthippe-Sortiment

Ein hoher, gut ausgesuchter Nonbook-Anteil erhöht die Rentabilität. Foto: Xanthippe

Neben den von den Kundinnen heißgeliebten Kinderbüchern und guten Romanen („Belletristik geht immer“) ansonsten besonders gefragt: Kochbücher, und aktuell im Trend: vegan. Auch Attila Hildmanns Titel wie „Vegan for Fit“ verkaufen sich hier: „Ich mag ihn“, meint Yvonne Wenzel, auch wenn dies nicht für alle Besucherinnen gelte und er in der Szene durchaus Widerspruch ernte.

In jedem Fall lädt die gemütliche Sitzecke des Ladens ein, beim liebevoll servierten Tee oder Kaffee in den Kochbüchern (oder anderem) zu schmökern und von weiteren Genüssen zu träumen. Und dann gleich die entsprechenden Tässchen oder Tellerchen mitzunehmen, die die umstehenden Regale zieren.

Bei Kindern (und Müttern) zum Beispiel beliebt: das farbenfrohe Melamin-Geschirr von rice, das neben vielem anderen einen besonderen Akzent im Laden bildet. Da die Gewinnspanne bei Non-Books viel höher liegt, ist deren Anteil inzwischen auf ein Drittel oder fast 40 Prozent gestiegen.

Es ist eine bunte Mischung aus hochwertigen und preisgünstigeren kleinen Kostbarkeiten, die Wenzel für ihren Laden auswählt – die Preisstruktur muss zu den Büchern passen. Ledertaschen für 50 +, die aktuell in der Auslage sind, stellen eher die Ausnahme dar. Da auch lokale Künstlerinnen mit ihren Werken die Auswahl ergänzen, verführt fast jeder Besuch im Laden dazu, etwas mehr als geplant zur Kasse zu tragen.

Die ansprechenden Schaufenster werden je nach Idee, Thema oder Ereignis dekoriert. Der Laden müsse „authentisch“ geführt werden, meint Wenzel. Und er finanziert die Chefin, eine halbe Stelle für eine Buchhändlerin und die Auszubildenden, und das ohne jegliche Zuschüsse seit 36 Jahren.

Veranstaltungen und Nachbarschaft

Lesungen finden in der Xanthippe inzwischen eher weniger statt – es gibt zu viele hochkarätig besetzte kulturelle Angebote in der Region, um hier noch punkten zu können. Große Resonanz erfolgt jedoch immer auf die eigens verschickten und schön gestalteten Einladungen, zum Beispiel zum Welttag des Buches 2014.

Mit lokalen Künstlern, dem Jugendtheater Schnawwl und der Buchbinderin Annette Schrimpf wurde ein anregendes Programm gewebt. Zur Lesung des deutsch-arabischen Kinderbuchs „PrinzessionSharifa und der mutige Walter“ brachte der Nachbar von gegenüber arabische Leckereien mit, der Illustrator Mehrdad Zaeri zeichnete live – und die Klänge des Percussionisten Peter Hinz ergänzten das Programm.

Xanthippe-Front

Laden im schönen Altbau: Der Frauenbuchladen Xanthippe im Quadrat T3,4 in Mannheim. Foto: Xanthippe.

Alles in allem profitiert Xanthippe von ihrer langjährigen Vernetzung in der Region – und nicht zuletzt von den Rechnungskunden wie der Stadtbücherei, dem Nationaltheater, Schulen und anderen. Ohne sie würde es denn doch nicht reichen. Laufkundschaft gibt es in dieser Lage kaum. Man muss schon dahin wollen und den Weg ins Quadrat T3, 4 finden. Wie die Erfolgsgeschichte der Buchhandlung zeigt: Die Kundinnen wollen!

Vielleicht hat der Laden auch deshalb überlebt, weil „er von vornherein nicht als Idealismus-Projekt angelegt war, sondern es ging darum, Arbeitsplätze zu schaffen – zuerst für sich und dann auch für andere“, sagt Wenzel.

Und Elsässer resümiert: „Wir sind heute einerseits eine Buchhandlung wie jede andere mit dem Service, den man in einer modernen Buchhandlung erwarten kann, aber daneben wollen wir noch mehr sein: ein Ort, an dem Frauen sich wohlfühlen.“ Und: „Wir wünschen uns, dass viele Frauen neugierig sind auf das, was wir machen, was wir beitragen zur Kultur unserer Stadt.“

Übrigens: Die Gründerin der Buchhandlung, Regine Elsässer, wird am 10. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse als Bücherfrau des Jahres ausgezeichnet!

Veronika Licher

(Der Artikel ist zuerst erschienen am 29.08.2014 unter www.langendorfs-dienst.de)

 

Autor: Veronika Licher

Veronika Licher, Dipl.-Inform., arbeitet in vielfältiger Weise mit Menschen und mit Büchern, liebt nahe und ferne Länder und bringt als Redakteurin, Lektorin und Coach gerne das eine mit dem anderen zusammen. Sie begleitet neben deutsch-chinesischen Projekten und Übersetzungslektoraten Buchproduktionen zum Beispiel im Bereich Psychotherapie. Als Coach ist es unter anderem ihr Anliegen, Menschen mit vielfältigen Begabungen Orientierung zu geben und ihnen zu helfen, interdisziplinär und kreativ ihre essenziellen Träume zu realisieren.

Ein Kommentar

  1. Dem Buchhandel geht es offenbar wie den Tankstellen, die ja inzwischen schon kleine Supermärkte geworden sind.

    Die Unternehmensgeschichte ist toll erzählt, liebe Veronika. Ich habe sie gerade erst entdeckt. Weil Du solch einen schönen chinesischen Neujahrsgruß versandt hast, habe ich im Netz nach Dir gespinkst 🙂

    Liebe Regine, ich gratuliere Dir noch herzlich zum Titel “BücherFrau des Jahres 2014”. Sollte ich mal in Mannheim im Quadrat T3, 4 flanieren, schaue ich bestimmt bei Xanthippe vorbei.

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