Vor 25 Jahren wurde das Netzwerk der BücherFrauen gegründet – nicht nur ein Grund zum Freuen und Feiern, sondern auch ein guter Anlass, mit den BücherFrauen der ersten Stunde ins Gespräch zu kommen. Bettina Eschenhagen ist eine von ihnen. In diesem Interview wirft sie einen Blick zurück.
Liebe Bettina, du gehörst zu den Frauen, die unser Netzwerk vor 25 Jahren gegründet haben – nach dem Vorbild der Women in Publishing, wie im Magazin gerade zu lesen war. Andrea Krug, Dagmar Schadenberg und Gabrielle Pfaff haben das ja sehr anschaulich beschrieben. Wie können wir uns diese „Keimzelle“ vorstellen? Auf welchem Weg bist du dazugestoßen?
Ich sehe mich noch eines Tages wohl im Herbst 1990 mit meiner Kollegin Katrin Ritter am Kopiergerät des Verlages stehen, bei dem wir beide damals als Lektorinnen gearbeitet haben. Katrin lebte schon lange in München und hatte Kontakt zur dortigen Frauenszene, ich war 1988 aus Hannover nach München gezogen. Katrin hatte eine schriftliche Einladung zu dem Gründungstreffen von Frauen aus der Buchbranche bekommen und kopierte sie für mich. Ich war sofort begeistert, hatte weder von den Women in Publishing noch von den Bestrebungen einiger deutscher Frauen gehört, ein Pendant zu gründen.
Was war deine persönliche Motivation, dich für das Netzwerk zu engagieren?
Ich habe mich während meines Studiums (ab 1976) im Göttinger Frauenhaus-Verein engagiert und im Rahmen meines Studiums und privat intensiv mit verschiedenen Aspekten der Frauengeschichte und Frauenbewegung auseinandergesetzt. Während meines Volontariats Mitte der 1980er-Jahre in Hannover war ich für kurze Zeit bei den grünen Frauen und dann in einer Frauen-Nachttaxi-Gruppe. Als ich 1988 in München meine erste Lektoratsstelle antrat, empfand ich in frauenpolitischer Hinsicht ein Vakuum. Ich hatte zwar wieder eine private Frauen-Lesegruppe, suchte aber nach einer Möglichkeit, mich aktiver für Frauenbelange einzusetzen. Da kam die Idee eines Frauennetzwerks für die Buchbranche für mich wie gerufen.
Warst du beim Gründungstreffen in München dabei? Wo fand das Treffen statt?
Ich bin der Einladung gefolgt und war beim Gründungstreffen am 23. November 1990 in München dabei. Es fand im KOFRA (Kommunikationszentrum für Frauen zur Arbeits- und Lebenssituation e.V.) in der Baaderstraße in der Nähe des Deutschen Museums statt. Das KOFRA gibt es bis heute.
Der Vereinssitz war dann ja zunächst in München, die ersten Vorstandsfrauen waren Münchnerinnen. Ihre Namen weißt du sicher noch. Du selbst hast auch dazugezählt, nicht wahr?
Meiner Erinnerung nach war Andrea Schaeffler, die später nach Paris ging, wo sie heute noch lebt, die Initiatorin des Münchner Treffens. Sie wurde zur 1. Vorsitzenden gewählt, ich wurde die „Schriftführerin“ und Doris Steinbacher Kassenfrau.
Auf welchem Weg habt ihr für die BücherFrauen geworben? Wie groß war die Resonanz in München?
Wie wir damals für die BücherFrauen geworben haben, weiß ich leider nicht mehr so genau. Wichtig war sicher die Mund-zu-Mund-Propaganda. Es war eine Zeit, in der die Frauenbewegung noch lebendig war. Es scheint jedenfalls nicht allzu schwer gewesen zu sein, Frauen für das Netzwerk zu gewinnen, denn der Zulauf war sehr erfreulich, wir wurden von Treffen zu Treffen mehr, die Atmosphäre war quicklebendig, der Enthusiasmus groß. Die Stimmung war teilweise euphorisch. Als ich Ende 1991 München wieder verließ, waren wir, wenn ich mich recht entsinne, etwa 60 BücherFrauen allein dort, und ich habe es bedauert, die Gruppe ausgerechnet nach Abschluss der erfolgreichen Aufbauphase verlassen zu müssen. Für die Jahrestagung im Februar 1992 in Hamburg nahm ich mir vor, nach anderen BücherFrauen aus Hannover, wohin ich zurückgegangen war, Ausschau zu halten. So lernte ich Eva Maria Maas kennen, mit der zusammen ich am 31. März 1992 die Städtegruppe Hannover gegründet habe.
Wie wurde Euch, vielleicht auch direkt dir, in der Branche begegnet? Gab es Gegenwind von den zumeist männlichen Chefs?
In dem Münchner Verlag, in dem ich arbeitete, konnte ich meiner Erinnerung nach keine Frau davon überzeugen, dem Verein beizutreten. Das lag aber überwiegend nicht daran, dass die Kolleginnen unsere Ziele abgelehnt hätten. Es war wohl eher so, dass sie sich nicht so gern einer Gruppe anschließen wollten. Ich kann mich mehr an positive Reaktionen erinnern, an negative nicht, die ich vermutlich nicht vergessen hätte. Mein damaliger Chef war ein aufgeklärter, offener Mann, der mich geschätzt und gefördert hat. Aber wir wurden nicht so ernst genommen, dass man sich warm anzog. Sicher haben viele uns auch belächelt.
Was hat dir das Netzwerk gegeben? Hast du in persönlicher und professioneller Weise von deinem Engagement profitieren können?
Das ist eine schwierige Frage! Nur ein paar Schlaglichter:
Ich habe bei den BücherFrauen tolle, sympathische Frauen kennengelernt, an deren Bekanntschaft mir viel liegt. Es gab für mich in den ersten zehn Jahren nach Gründung des Netzwerks auch einen regen überregionalen Austausch. Mit einigen BücherFrauen konnte ich auch beruflich zusammenarbeiten. Manche dieser Kontakte tragen bis heute, und das finde ich ziemlich klasse.
Damals fand ich die Idee großartig, dass bei den BücherFrauen so viele Berufsfelder vertreten sind, und verfolgte die Vorstellung der verschiedenen Tätigkeitsbereiche, die es bei den Treffen gab, immer mit großem Interesse. Obwohl ich in meinem Verlag mit KollegInnen zusammenarbeitete, die all diese unterschiedlichen Funktionen ausübten, erfuhr ich bei diesen BücherFrauen-Veranstaltungen viel Neues. Bald wiederholten sich die Inhalte aber, weil erfreulicherweise ja immer wieder neue Frauen dazukamen. Und irgendwann war ich mir noch nicht einmal mehr sicher, ob die Vielfalt sich nur positiv auswirkt oder aber zu stark divergierende Interessen mit sich bringt.
Innerlich ein wenig auf Distanz gegangen bin ich, als immer wieder die „Frauenfrage“ gestellt wurde, der feministische Grundgedanke des Vereins, ja sogar die Beschränkung auf Frauen als Mitglieder infragegestellt wurde. Das fand ich absurd und die wiederkehrenden Diskussionen darüber ermüdend.
Noch fremder fühlte ich mich bei einer Jahrestagung, bei der es vorwiegend um die „Professionalisierung“ des Netzwerks ging. Dieser Begriff wurde in einer für meine Begriffe rein äußerlichen Weise verwendet, es ging im Wesentlichen um das Erscheinungsbild des Netzwerks nach außen – kein unwichtiger Punkt, meines Erachtens aber auch nicht der wichtigste. Von da an habe ich mich stärker zurückgezogen und gedacht, dass Jüngere übernehmen sollten.
Ich habe junge Frauen (vor allem die rund 60 Praktikantinnen, mit denen ich in den vergangenen 15 bis 20 Jahren zusammengearbeitet habe) stets auf die BücherFrauen aufmerksam gemacht und für das Netzwerk geworben.
Mir hat das Netzwerk also persönlich und beruflich einige sehr schöne Kontakte eingebracht. Und jetzt, da ich nach 30 Jahren als angestellte Lektorin dabei bin, mich als Lektorin und Übersetzerin selbstständig zu machen, habe ich mich auf die Mailingliste setzen lassen und verfolge das Geschehen dort interessiert. Vielleicht gelingt es mir nach zwei, drei erfolglosen Versuchen, darüber einmal einen Auftrag zu ergattern.
Wenn du die Situation damals und heute vergleichst – was hat sich geändert? Waren die Frauen vor 25 Jahren aus deiner Sicht feministischer, kämpferischer?
Ja, die meisten Frauen waren Feministinnen und kämpferischer. Aber ich glaube, schon von Anfang an gab es auch in München Gegenstimmen.
Auch an dich die Frage, die Gabrielle, Dagmar und Andrea schon im Magazin beantwortet haben: Was hat sich in der Branche in den letzten 25 Jahren verändert? Braucht es die BücherFrauen heute noch?
Die BücherFrauen machen großartige Arbeit: das Blaue Buch als Mittel der Vernetzung, die Mentoring-Programme, die BücherFrauen-Akademie, die BücherFrau des Jahres … All das hat viele Frauen in der Branche weitergebracht. Die professionelle Untersuchung zur Situation der Frauen (und Männer) in der Buchbranche, die die BücherFrauen 2010 haben durchführen lassen, hat gezeigt, dass in der zahlenmäßig von Frauen dominierten Buchbranche für die Frauen immer noch ganz vieles im Argen liegt. Ich hätte angenommen und gehofft, dass wir in puncto Gehälter und Führungspositionen mehr erreichen würden, als es der Fall ist. Das Netzwerk hat sich nicht überlebt, aber ist der Schwung weg, oder hat sich die Branche so stark verändert, dass unsere Anliegen weiterhin oder mehr denn je auf der Strecke bleiben?
Du bist bis heute Mitglied der BücherFrauen, wenn auch die letzten Jahre nicht mehr so aktiv. Welche Gründe gibt es dafür?
Ich war in den ersten zehn Jahren aktiv, erst in München, dann in Hannover als Städtesprecherin und als eine derjenigen, die die monatlichen Veranstaltungen organisiert haben. Ich habe mich dann eher zurückgezogen: weil ich mich nicht mehr so zu Hause fühlte bei den BücherFrauen, weil mir das Engagement bei den BücherFrauen neben Beruf und Kind und ab 2003 das Pendeln von meinem neuen Wohnort nach Hannover zu den Treffen zu viel wurde, weil ich feststellen musste, dass ich kein Verbandsmensch bin. Ich bin noch immer Mitglied, weil ich das Netzwerk unterstützen möchte und unsere Anliegen nach wie vor wichtig finde. In meiner aktuellen Situation kommt die Hoffnung auf einen konkreten Nutzen hinzu. Und ich habe den Kontakt zu meiner Städtegruppe, der nie ganz abgebrochen war, in der letzten Zeit wieder aktiviert.
Wenn du dir etwas für unser Netzwerk wünschen dürftest: Was wäre das?
Das ist in Zeiten, die für die Buchbranche ausgesprochen mau sind und in denen ich mich frage, ob ich sie jungen Frauen noch empfehlen kann, schwer zu beantworten. Ich würde mir wünschen, dass das Netzwerk angestellte BücherFrauen dazu ermutigt, Gehaltsforderungen zu stellen und Leitungsaufgaben zu übernehmen – und dass Frauen in Leitungsfunktionen Frauen in ihren Betrieben Wertschätzung entgegenbringen, es ihnen leichter machen, nach oben zu kommen, und sie aktiv fördern.
Zu den BücherFrauen gehören inzwischen vielleicht mehr Freie als Angestellte. Wir Frauen tun uns, wie ich las und von mir selbst weiß, schwer damit, uns wechselseitig zu empfehlen, „nur“ weil wir zum selben Netzwerk gehören. Ich wünsche mir, dass wir darin freier und vertrauensvoller werden.
Bettina Eschenhagen im März 2015
Das Interview führte Dagmar Schemske, Städtegruppe Hannover
31. März 2015 um 17:04
Liebe Dagmar Schemske,
schönes Interview und natürlich auch sehr gute, differenzierte Antworten von Bettina.
Aber “Autor”?? Als Bücherfrau? Das tut weh.
Viele Grüße
Gertrud
31. März 2015 um 17:30
Liebe Gertrud Lehnert, das ist ein technisches Problem (nicht von Dagmar Schemske verursacht), das wir für den Blog eigentlich bereits gelöst hatten, und das sich – wie ich vermutet – durch ein Update wieder eingeschlichen hat. Ich schaue, dass ich der Software so bald wie möglich wieder Gendersprache beibringen kann.
27. August 2015 um 13:15
Ein sehr schöner und aus meiner Sicht treffender Rückblick auf die ersten Jahre und auch den Fortgang der Vereinsgeschichte. Die Aufbruchsstimmung damals war toll. Und unsere Gründungsveranstaltung mit Andrea Schaeffler als 1. Vorsitzender und Doris Steinbacher als Kassenfrau und den Frauen aus der gesamten Republik war hat genau das widergespiegelt.
1. Oktober 2023 um 23:50
Ich bin ein bißchen spät zu diesem Gespräch kommen, aber ich wollte nur sagen wie ausgezeichnet es war, mit Frau Eschenhagen über meinen Roman “Hanna’s Ascent” zu arbeiten. (Obwohl ich Amerikaner bin, ungefähr zwei-drittel dir Geschichte entwickelt sich in Deutschland.) Sie war hervorragend!
(Der Roman war in Juni 2023 veröffentlicht.)