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(Zer-)stören Depressionen den Schreibprozess?

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Depressionen waren lange ein Tabuthema. Doch insbesondere im Zuge der Entwicklungen durch die Coronapandemie und anderer globaler Krisen wird offener darüber gesprochen.

Die aufgenötigte Zurückgezogenheit hat viele Menschen depressiv gemacht, nicht nur Künstlerinnen und Autorinnen. Den Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Depression diagnostiziert die Schriftstellerin und BücherFrau Zoë Beck in ihrem Buch Depression. 100 Seiten. Dort beschreibt sie eindringlich, auch aufgrund eigener Erfahrungen, die tückischen Eigenschaften der Depression, die sich oft nicht nur durch traurige Gedanken, sondern durch ein „andauerndes Gefühl der Überforderung, des Nicht-Genügens und der Hilflosigkeit“ auszeichnet. Oft gehen Depressionen mit einem mangelnden Selbstvertrauen einher, bis hin zur totalen Abwertung der eigenen Person. In der Depression blendet man alle positiven Gefühle aus und lässt nur die negativen gelten.

Zoë Beck deutet in ihrem Buch an, dass Künstler*innen besonders oft an psychischen Krankheiten leideten, so auch an Depressionen. Aber wie wirkt sich eine Depression auf das künstlerische, das literarische Schaffen aus? Dazu äußert sich Zoë Beck hier nicht, da es das Format der Reclam-Publikation gesprengt hätte. Dagegen befasst sich die Autorin Ronja von Rönne in ihrem ZEIT-Artikel „Weltschmerz ist noch keine Kunst“ vom 5. Januar 2022 mit diesem Thema: „Wir sollten aufhören, die Krankheit der Depression als Voraussetzung für künstlerische Berufe zu romantisieren“, heißt es im Untertitel. Von Rönne meint, dass großen Autor*innen wie Stephen King, Sylvia Plath oder Mark Twain unterstellt werde, sie hätten ohne ihre Depressionen ihre bedeutenden Werke gar nicht erschaffen können. Das findet Ronja von Rönne falsch: Denn jede*r, die oder der eine Depression kennt, weiß, wie lähmend diese sein kann und wie sehr sie den Schreibprozess behindern kann. Die Depression sei eben keine „musische Begabung“ und „die vielen Künstler, die unter ihr litten, haben nicht wegen, sondern trotz der Depression etwas erschaffen“.

Das kann ich nachfühlen, das leuchtet mir ein. Das hat sicher noch etwas mit dem Geniegedanken zu tun, dass ein tragischer Genius den Künstler/die Künstlerin beflügle. Aber in Wahrheit ist die Depression oftmals ein Hinderungsgrund für gutes Schreiben. Manche Autor*innen schaffen es zwar, ihre Depressionen am Schreibtisch auszublenden und sich mit dem Schreiben abzulenken, sie agieren dann frei mit ihren Figuren oder ihren Gedanken und versuchen damit den Sog nach unten aufzuhalten. Die Depression überfällt sie erst wieder, wenn sie den Stift beiseitelegen oder den Laptop ausschalten. Andere aber, und zu denen gehöre auch ich, werden in ihrem Schreiben massiv durch die eigene Befindlichkeit beeinflusst. So kann sich eine ohnehin schon geringe Selbstachtung in der Depression vervielfachen. Und mit einem negativen Selbstbild ist es schwierig, einen guten Text zu schreiben, denn das funktioniert nur mit einer intakten Haltung gegenüber sich selbst. Wenn diese erforderliche Haltung sich selbst gegenüber in sich zusammenfällt, rutscht man leicht in einen larmoyanten Ton ab. Solche negativ gestimmten Texte möchte dann niemand lesen und damit sinken die Chancen auf eine gute Veröffentlichung rapide. Denn Leser*innen wünschen sich Erfolgsgeschichten, sie suchen immer ein wenig das Vorbildhafte in der Autorin, auch wenn diese kritisch ist und keine heile Welt postuliert. So gelingt zum Beispiel Ronja von Rönne, aber auch der Bloggerin Nora Fieling, eine sehr vorteilhafte Selbstdarstellung in der Presse und in den sozialen Medien. Dass sie es geschafft haben, gerade mit der Depression ein positives Außenbild zu zeigen, sollte auch andere Autor*innen ermutigen, ihre Depressionen zu akzeptieren und mutig darüber zu sprechen.

Verweise:

Zoë Beck: https://zoebeck.blog/about/

Nora Fieling: www.nora-fieling.de

Ronja von Rönne: https://sudelheft.blogspot.com/

 

Literatur:

Zoë Beck: Depression. 100 Seiten. Stuttgart, Reclam, 2021

Ronja von Rönne: Weltschmerz ist noch keine Kunst. Die ZEIT Nr. 2/2022 vom 05.01.2022

 

 

Dr. Susanne Konrad, Kulturaktivistin und Autorin, Verfasserin von Sach-, Fachbüchern und Romanen, fragt in ihrem neuen Buch Kreativ und mutig. Der Weg zum eigenen Buch trotz psychischer Belastungen (Antheum Verlag, 2022) nach dem Verhältnis von seelischer Krankheit und erfolgreichem Schreiben. www.susanne-konrad.de

Autor: Susanne Konrad

Dr. Susanne Konrad, Kulturaktivistin und Autorin, Verfasserin von Sach-, Fachbüchern und Romanen, fragt in ihrem neuen Buch „Kreativ und mutig. Der Weg zum eigenen Buch trotz psychischer Belastungen“ (Antheum Verlag, 2022) nach dem Verhältnis von seelischer Krankheit und erfolgreichem Schreiben. www.susanne-konrad.de

Ein Kommentar

  1. Liebe Susanne,

    meine bittere Erfahrung ist, dass ein Burnout mit Denk- und Schreibsperren einhergeht, was bei mir Depression auslöste. Ich nehme trotzdem an, dass sich Empfindungen von Mensch zu Mensch durchaus unterscheiden.

    Herzliche Grüße
    Evelyn

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