BücherFrauen

Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

5 to watch: Die herausragenden Stimmen der Buchbranche

| 1 Kommentar

Valo Christiansen

Die Initiative „5 to watch“ der Netzwerke BücherFrauen e. V. und The Female Publisher bietet fünf herausragenden FLINTA-Stimmen aus der Buchbranche eine Bühne für ein Jahr. Im Januar haben wurden die folgenden fünf Personen als „5 to watch“ bekanntgegeben:

Valo Christiansen, Alina Grieß, Stefanie Jaksch,
Nefeli Kavouras, Andrea Lunau

Mehr zur Initiative ist hier zu finden:
5 to watch: Bücherfrauen – Women in Publishing.

In dieser Reihe stellen sich alle Fünf noch einmal ausführlicher vor und teilen ihre Perspektiven auf das Jahr 2025.

In diesem Beitrag antwortet Valo Christiansen auf unsere Fragen.

1. Wie bist du in das Jahr 2025 gestartet? Welche Projekte haben dich vielleicht aus dem vorangegangenen Jahr begleitet; was konntest du abschließen?

Da sich einige Projekte letztes Jahr zeitlich nach hinten verschoben haben, musste ich relativ viel mit ins neue Jahr nehmen. Manches, wie mein erstes Buch, ist seit ein paar Wochen in der Rohfassung fertig (hallo @Agenturen, ich hab ein erzählendes Sachbuch geschrieben!), anderes wie das Lektorat einer Dissertation und ein Essay für eine Elternschaftsanthologie sind noch in Arbeit.

2. Mit Blick auf 2025: Worauf freust du dich besonders, was ist dir besonders wichtig in unserer Branche? Welche Highlights erwarten dich und uns deiner Meinung nach in der Buchbranche? Was planst du konkret?

Auf persönlicher Ebene freue ich mich aufs Überarbeiten meines Buchs und hoffe sehr, dieses Jahr eine Agentur und dann einen Verlag finden zu können. Außerdem fahre ich zum ersten Mal seit Kindheitstagen wieder auf Buchmessen, das ist sehr aufregend und wird hoffentlich ganz arg schön. Ich ahne, dass nach der Überarbeitung meines Buches auch eh schon das nächste geschrieben werden will, das Notizbuch ist jedenfalls voll.

Ansonsten bin ich sehr gespannt auf einige Neuerscheinungen von einigen meiner Freund*innen und vielen geschätzten Kolleg*innen, die dieses Jahr erscheinen werden. Dabei denke ich besonders an all jene Bücher, die Diversität abbilden, die Missstände anprangern, die Wandel fordern und Wege dorthin aufzeigen.

3. Welche Themen hältst du dieses Jahr für besonders wichtig in der Buchbranche?

Nicht nur dieses Jahr, sondern jedes Jahr ist eine Positionierung gegen Rechts, gegen Populismus und Diskriminierung unerlässlich und wird dennoch von zu vielen Stellen noch immer nicht ernstgenommen. Literatur ist politisch, ganz inhärent politisch, Kunst insgesamt ist inhärent politisch und wir können nicht so tun, als wäre das alles easy cool gerade. Menschen meiden Buchmessen aus Angst vor Übergriffen, weil die Stadt in blauen Regionen Deutschlands liegt, Buchmessen akzeptieren weiterhin rechte Verlage, Großverlage veröffentlichen Bücher mit diskriminierenden Inhalten, vielleicht folgt darauf eine Nonpology, vielleicht nicht. Ich finde, dass ganz viele in der Branche endlich Haltung beweisen sollten, über Antidiskriminierung lernen, marginalisierte Personen besonders unterstützen, die Literaturbranche zu einem Safer Space machen, von dem andere wieder lernen können. Ich wünsche mir, dass all das mehr Realität wird statt Utopie bleibt.

Es ist bezeichnend, dass ich mich beim Schreiben dieser Zeilen unsicher fühle, ob ich das so stehen lassen kann, ob ich mir damit nicht Chancen verbaue. Chancen verbaue, wenn ich kritisiere, dass Diskriminierung stattfindet, dass Gewalt real ist, auch für mich selbst. Ich sollte das nicht hinterfragen müssen und doch muss ich es.

4. Welche drei Personen aus der Buchbranche und darüber hinaus inspirieren dich am meisten und warum?

Mich inspirieren Menschen, die immer weiter ihre Kunst machen, die nicht anders können, als zu schreiben, zu malen, zu spielen, zu erschaffen.

Menschen, die mit ihrer Kunst, vor allem aber ihrem ganzen Sein diesem System trotzen, das an vielen Stellen nicht den Menschen und schon gar nicht die Kunst als erste Priorität hat.

Menschen, die es wagen, sichtbar zu sein aus marginalisierten Positionen heraus, deren Kunst andere marginalisierte Menschen ermutigt, Kunst zu machen und sichtbar zu sein.

Oh und Menschen, deren Kunst nicht nach unten tritt.

Wenn es unbedingt Namen sein müssen: Cris Ortega, Miedya Mahmod, Yassamin-Sophia Boussaoud.

5. Wie steht es um deine persönlichen Lesegewohnheiten: Welches Genre liest du am liebsten? Hast du Lieblingsautor*innen oder wessen Texte hast du zuletzt besonders genossen? Und welche Titel sind dein All-Time-Favorite?

Ich habe kein absolutes Lieblingsgenre. Ich lese viel Belletristik, (erzählende) Sachbücher, zwischendurch auch mal Fachbücher, gerne Grafiknovellen, Jugendbücher und immer einen obligatorischen Lyrikband. Anfang des Jahres hatte ich aber z.B. auch ne dolle Romance-Phase und das ist halt auch in Ordnung. Ich bin eh der Meinung, dass dieses Gebashe von Genres auch endlich aufhören muss, alle haben ihre Berechtigung und sind je nach Buch und eigenem Geschmack mehr oder weniger lesenswert für einen selbst.

Zuletzt absolut begeistert haben mich Ein Zimmer für sich allein von Virginia Woolf (unüberraschend fantastisch geschrieben und schrecklich aktuell geblieben auf nahezu allen Ebenen, eigentlich ein Must-Read für FLINTA Schreibende), Chaos von Yassamin-Sophia Boussaoud (so toll politisch-poetisch), Sieben Sekunden Luft von Luca Mael Milsch (liebe liebe liebe den Stil), die Grafiknovelle Auf einem Sonnenstrahl von Tillie Walden (WAS FÜR BILDER! Außerdem kommen keinerlei männliche Personen vor!), Harte Schale, Weichtierkern von Cornelia Travnicek (wichtiges Thema und so so schöne Illustrationen). Beste Lyrikbände waren Trapezherz von Volha Hapeyeva und Dunkelkalt von Ọlaide Frank, beide so sprachgewaltig und wunderschön. Liebste Bilderbücher vom Kind und mir sind Linus liebt Licht und Momo ist das alles viel zu viel von Anna Mendel und Jasmin Sturm. Gespannt bin ich auf We Burn the Sun von Anika Beer.

6. Ganz spontan: Was liegt dir mehr?

Kaffee oder Tee? Tee.
Katze oder Hund? Beide, jetzt sofort auf meinem Schoß!!
Print oder eBook? Print.
Frankfurt oder Leipzig? Leipzig.
Romance oder Krimi? Romance, außer es sind Katzenkrimis von Fabian Navarro.

7. Welches Buch liest du gerade?

Immer mehrere, je nach Stimmung wechsle ich. Aktuell sind es z.B. Wir schon wieder, herausgegeben von Dana von Suffrin, Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken von Sarah Lorenz, Kaleidra – wer das Dunkel ruft von Kira Licht und Die Sprache der Wale von Tom Mustill. Der obligatorische Lyrikband ist grade eine zweisprachige Ausgabe mit Liebesgedichte von Pablo Neruda, aber da rege ich mich ehrlich gesagt konstant über den male gaze auf.

Ein Kommentar

  1. Der Beitrag über Valo Christiansen im Rahmen der „5 to watch“-Initiative bietet einen eindrucksvollen Einblick in die Gedanken und Perspektiven einer aufstrebenden Stimme der Buchbranche. Besonders hervorzuheben ist die Art und Weise, wie Christiansen die politischen und gesellschaftlichen Dimensionen der Literatur anspricht. Ihre klare Haltung gegen Diskriminierung und ihre Forderung nach einer inklusiveren und sichereren Literaturbranche zeigen eine tief verwurzelte Überzeugung, dass Kunst und Literatur nicht nur zur Unterhaltung dienen, sondern auch eine bedeutende gesellschaftliche Verantwortung tragen.

    Der Blick auf die Buchbranche im Jahr 2025 ist ebenfalls spannend. Christiansen bringt dabei ihre persönliche Perspektive auf das Schreiben und ihre Hoffnungen für das kommende Jahr zum Ausdruck. Sie erwartet eine verstärkte Auseinandersetzung mit Diversität und gesellschaftlichen Missständen, was in der heutigen Zeit besonders relevant ist. Ihre Freude über Neuerscheinungen, die diese Themen aufgreifen, lässt erkennen, dass sie nicht nur eine kritische, sondern auch eine unterstützende Rolle in der Szene einnimmt.

    Besonders bemerkenswert ist ihre Ehrlichkeit, wenn sie die Herausforderungen anspricht, die mit einer kritischen Haltung in der Branche verbunden sind. Die Unsicherheit darüber, ob ihre Meinung negative Auswirkungen auf ihre Chancen in der Branche haben könnte, verdeutlicht die oft schwierige Balance zwischen persönlicher Integrität und beruflichem Erfolg.

    Die Antworten auf die Fragen zu ihren Lesegewohnheiten und Inspirationsquellen geben zudem einen guten Einblick in ihre vielseitigen Interessen und die Weite ihres literarischen Horizonts. Die Kombination aus politischen Themen, persönlicher Leidenschaft und literarischer Vielfalt macht Christiansens Sichtweise auf die Buchbranche und das Schreiben insgesamt sehr vielschichtig und wertvoll.

    Insgesamt ein sehr reflektierter und ehrlicher Beitrag, der sowohl ihre eigene Entwicklung als auch die Herausforderungen und Chancen der Buchbranche im Jahr 2025 anspricht.

    Danke liebe Edith.

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