Auch in diesem Jahr geht es weiter mit persönlichen Autorinnen- und Buchvorstellungen von BücherFrauen. Diesmal die Auswahl der Autorin, Coachin und Gebärdensprachdolmetscherin Antonia Lorelei Losch, die die großartige Jahrestagung der BücherFrauen, die im vorigen Jahr zum ersten Mal online stattfand, mitorganisiert hat.
Antonia Lorelei Losch, Autorin, Coachin und Gebärdensprachdolmetscherin
Staatlich geprüfte Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache und Deutsch seit 2013, zertifizierte systemische Coachin (DGfC) und Beraterin (Liehrnhof Akademie) seit 2019.
Eine Ausbildung zur Buchhändlerin, ein Auslandsjahr in Norwegen und ein Bachelor in Deaf Studies (Gebärdensprache und Gehhörlosenkultur) sowie die Arbeit im sozialen Bereich als Familienhelferin und Sozialarbeiterin prägten ihren vielfältigen Blick. Die Dinge von verschiedenen Seiten betrachten und die Vielfalt als Stärke sehen, sind Fähigkeiten, die sie sowohl in ihrer Coachingarbeit als auch beim Schreiben anwendet. Ihre Themen sind vor allem Leichtigkeit und Kreativität. Neben Einzelcoaching und Supervision bietet sie auch Figurenaufstellungen für Autor:innen. Pandemiebedingt gab es leider keine Aufstellungen im letzten Jahr. Dieses Jahr wird sie die Aufstellungsarbeit erstmalig auch online anbieten.
Für ihr erstes Kinderbuch sucht sie gerade nach einem Verlag (oder einer Agentur). In dem Buch spielt Gebärdensprache eine wesentliche Rolle, ohne dabei direkt im Mittelpunkt zu stehen. Die nächsten Buchideen sind bereits in Arbeit. Das Jahr 2021 hat sie sich zum Jahr der „fliegenden Bücher“ erklärt, denn die Schreib- und Coachingarbeit soll dieses Jahr ganz im Mittelpunkt stehen.
www.instagram.de/antonia.mitrespekt
Einleitung:
Drei Autorinnen und drei Bücher. Die Idee klang so einfach, als Doris Hermanns mir davon erzählte und mich bat, etwas zu schreiben. Doch dann merkte ich, dass ein Großteil meiner Lieblingsbücher von männlichen Autoren geschrieben sind! Wow. Also ging ich auf die Suche nach den Damen in meinem Bücherregal und diese Auswahl hier ist dabei herausgekommen. Auch wenn ich erst dachte, ich hätte es thematisch gerne einheitlicher, habe ich mich entschieden, die Auswahl genauso bunt zu lassen, wie es mir gefällt, denn ich bin bunt.
3 Autorinnen
Tanya Stewner (geb. 1974) – die Autorin, die auch singt
Vor einiger Zeit empfahl mir eine Freundin die Buchreihe Alea Aquarius und sie hat nicht zuviel versprochen. Auf den 6. Band, der im Oktober 2020 erschien, musste ich bereits warten und ich habe mich richtig gefreut, als ich endlich weiterhören konnte. Diese Bücher habe ich nämlich als Hörbücher „verschlungen“, und ich liebe besonders das Lied zu Beginn und zum Ende der Hörbücher. Sie runden das Hörerlebnis irgendwie ab. Und es ist die erste Buchreihe, zu der ich einen Soundtrack kenne, denn Tanya Stewner hat letztes Jahr ein Musikalbum zu den Büchern herausgegeben.
Tanya Stewner engagiert sich für den Umweltschutz. Ihre Sorge um die Rettung der Meere spiegelt sich nicht nur in der Alea-Aquarius-Reihe wieder, sondern sie macht auch regelmäßige Müllräumaktionen am Rheinstrand. Diese Aktionen postet sie u. a. auf ihrem Profil bei Instagram. Dort bietet sie ihren Fans eine tolle Plattform. In ihren Instagram-Stories gibt sie kurze Lesungen, erzählt Anekdoten zu der Entstehung der Charaktere und geht mit ihren Fans direkt ins Gespräch. Mittels einer Abstimmung ließ sie entscheiden, welches Tool einer der Charaktere im 6. Band bekommen sollte und hat es dann direkt mit eingebaut. Ich hatte die Abstimmung mitbekommen und mich dann sehr über die Szene gefreut. Ich mag diese Art der Öffentlichkeitsarbeit, und da es sich um ein Jugendbuch handelt, holt die Autorin damit ihre Zielgruppe ganz genau ab.
Sie hat übrigens nicht nur Alea Aquarius geschrieben, sondern auch die Kinderbuchreihe Liliane Susewind. Dort geht es um ein Mädchen, das mit Tieren sprechen kann und als Tierdolmetscherin fungiert. Es ist eins der wenigen Kinderbücher, in denen mir der Beruf Dolmetscherin bisher begegnet ist. Und dass in Alea Aquarius 6 nun auch Gebärdensprache eine Rolle spielt, die nicht so klischeebehaftet ist, freut mich ungemein, denn davon gibt es bisher viel zu wenige.
Mayim Bialik (geb. 1975) – die Autorin, die jede als Schauspielerin kennt
Eine Frau, die bekannt ist für ihr schauspielerisches Talent als Dr. Amy Farrah Fowler in der Serie The Big Bang Theory. Wer sie kennt, weiß vielleicht, dass sie auch tatsächlich Neurowissenschaftlerin ist. Doch die wenigsten wissen, dass sie auch Bücher geschrieben hat. Darunter einen Beziehungsratgeber für Eltern – und ja, ich schreibe hier absichtlich Beziehung und nicht Erziehung, denn genau darum geht es in ihrem Buch Beyond the Sling: A Real-Life Guide to Raising Confident, Loving Children the Attachment Parenting Way. Das Buch hat mir zu Beginn meiner Mutterschaft viele Einsichten beschert und die Beziehung zu meinen Kindern sehr bereichert. Außerdem habe ich über den Begriff „Attachment Parenting“ eine Community an Eltern gefunden, mit denen ich mich über verschiedene Themen aus dem Familienalltag austauschen und verbinden kann.
Mayim Bialik hat noch weitere Bücher veröffentlicht: ein veganes Familienkochbuch und zwei Bücher für Teenager: Girling Up und Boying Up. Leider gibt es auf Deutsch bisher nur ein Buch von ihr: Endlich blicken, wie wir ticken – Spannendes Wissen rund um die Pubertät (übersetzt von Janika Krichtel), was ich sehr schade finde.
Auch hier möchte ich gerne auf den Instagram-Account der Autorin verweisen, denn ich liebe ihren Humor. Passend zu den jüdischen Feiertagen und Festen postet sie großartige Erklärvideos. Während meiner Recherche für meine Vorstellung hier habe ich entdeckt, dass sie demnächst einen Video-Podcast bei YouTube startet, um über psychische Gesundheit aufzuklären, ein Thema, das nicht nur in diesen Zeiten sehr wichtig ist.
Podcast: https://www.bialikbreakdown.com
Leonie Swann (geb. 1975) – die Autorin, die mir Hörbücher näherbrachte
Der Name klingt englisch, doch es handelt sich um das Pseudonym einer deutschen Autorin. Sie studierte Philosophie, Psychologie und Englische Literaturwissenschaft in München und Berlin. Bekannt wurde sie mit dem „Schafskrimi“ Glennkill. Es ist kein üblicher Krimi, denn die ProtagonistInnen in der Geschichte sind keine Menschen, sondern die Schafe, deren Schäfer tot aufgefunden wird. Gemeinsam ermitteln sie, und Leonie Swann schafft es, die Perspektive der Schafe in unglaublich komische und skurrile Szenen zu verwandeln. Doch im ersten Moment konnte ich mit dem Buch nicht viel anfangen und war richtig sauer auf mich, weil ich die Idee der Geschichte so großartig fand. Dann entdeckte ich das Hörbuch, gelesen von Andrea Sawatzki, und das macht richtig Spaß und das Buch wurde doch noch zu einem meiner liebsten Bücher.
Seitdem habe ich mir zahlreiche Bücher als Hörbücher vorlesen lassen und kann auch manche besonders in dieser Form empfehlen. So auch das Buch Gray von oben genannter Autorin. Diesmal ermitteln keine Schafe, sondern ein Papagei spielt bei den Ermittlungen eine besondere Rolle, und es ist fantastisch, wie das Lieblingslied dieses außergewöhnlichen Protagonisten immer wieder auftaucht – lesenderweise hätte es mir viel weniger Spaß gemacht.
In ihrem neuesten Buch Mord in Sunset Hall unterstützt übrigens eine Schildkröte die Ermittlungen. Ich habe es noch nicht gelesen oder gehört, freue mich aber schon sehr darauf.
3 Bücher
Peggy Rathmann: Gute Nacht, Gorilla!
Ich habe viele Lieblingsbücher, die ich meinen Kindern gerne vorlese, doch dieses hier ist ganz besonders. Es kommt mit wenig Worten aus, von Vorlesen kann gar nicht die Rede sein, denn es enthält keinen Text. Die Bilder sprechen für sich. Der Gorilla klaut dem Zoowärter den Schlüssel und schließt nach und nach alle Käfige auf. Gemeinsam folgen die Tiere dem Wärter bis nach Hause in sein Schlafzimmer. Dort werden sie schließlich von der Frau des Wärters entdeckt, weil die Tiere ihren Gute-Nacht-Gruß höflich beantworten, was übrigens der einzige Text im ganzen Buch ist. Ich weiß nicht, was mehr Spaß macht. Nachzuspielen wie der Gorilla heimlich den Schlüssel entwendet und mit allen Tieren hinterherschleicht oder auf den Bildern zu entdecken, welche „Spielsachen“ die einzelnen Tiere so haben? Mein Sohn und ich haben die Geschichte regelmäßig mit Kindergebärden erzählt. Übrigens kann man auch auf der letzten Seite noch den Ballon von der ersten Seite entdecken. Ein Buch, das einfach Spaß macht.
Katherine Neville: Das Montglane-Spiel – Das Geheimnis der Acht
Neben meiner Schule war die Stadtbibliothek und als die Bücher verkaufte, wurde dieses Buch (in der Übersetzung von Manfred Ohl und Hans Sartorius) meins. Ich kann gar nicht mehr genau sagen, warum ich es mitnahm. Mich faszinierte, wie zerlesen es aussah, und den ersten Satz habe ich noch lange zitiert: „Eine Gruppe Nonnen überquerte die Straße“. Es war eins dieser Bücher, die einfach zu einem kommen – einfach so. Und dann wurde es eins meiner Lieblingsbücher. Es ist eine fantastische Mischung aus Geschichte, Abenteuer, Fantasy, Rätsel, Thriller und Liebe und gilt als das weibliche Gegenstück zu Umberto Ecos Der Name der Rose. Die Hauptpersonen sind allesamt Frauen, was mir damals noch nicht bewusst war. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein uraltes geheimnisvolles Schachspiel. Hier hat die Autorin eine Legende aufgegriffen, wonach Karl der Große ein solches Schachspiel besessen haben soll. Es heißt, das Schachspiel enthalte einen Schlüssel zu großer Macht.
Im Jahr 1790 wird das Spiel ausgegraben und die Äbtissin lässt es in ganz Frankreich verteilen, damit die Macht nicht in falsche Hände gelangt. Beim Lesen begleiten wir zwei Frauen: eine junge Novizin zu Zeiten der Französischen Revolution und eine Unternehmensberaterin aus New York in den 1970er Jahren, die sich auf die Suche nach dem Spiel machen. Es ist faszinierend, wie sich die unterschiedlichen Zeitebenen ergänzen und sich auf der Suche nach den Figuren miteinander verknüpfen. Ein spannendes Abenteuer und es fällt eine Ähnlichkeit zu den Thrillern von Dan Brown auf.
Ebenfalls auf einem Bücherflohmarkt nahm ich dieses Buch (in der Übersetzung von Eva Schlottmann und Rainer Taëni) damals mit. Nachdem ich es gelesen hatte, gab ich es voller Begeisterung einer Freundin weiter. Später kaufte ich eine neue Ausgabe des Buchs. Die Autorin Jean Liedloff lebte eine Zeit lang bei den Yequana in Südamerika und vergleicht in ihrem Buch den Umgang insbesondere mit Babys und Kindern dort und in westlichen Industrieländern. Diese Vergleiche waren für mich ein echter Augenöffner in meinem eigenen Umgang mit anderen Menschen und vor allem im Umgang mit Kindern. Ich habe ein paar Jahre nach der Lektüre als Familienhelferin gearbeitet und dabei immer wieder an dieses Buch gedacht. Liedloff beschreibt einen Umgang auf Augenhöhe und ein Ernstnehmen des Gegenübers, das mich sehr angesprochen hat. Sie beschreibt, dass die Yequana davon ausgehen, dass Kinder einen eigenen Überlebenswillen haben. Ich erinnere mich stark an beschriebene Situationen, in denen Kinder nicht durch Gitter davon abgehalten werden, in Löcher zu fallen, und Messer bei der Küchenarbeit einfach liegen gelassen werden und doch nichts passiert. Es ist nicht einfach, das zu beschreiben, was dort passiert – Liedloff brauchte ein ganzes Buch. Doch plakativ gesagt tun Kinder, was wir erwarten, und wenn wir erwarten, dass sie sich verletzen, passiert das eher als wenn wir vom Gegenteil ausgehen. Dieses Buch hat mich damals mit Anfang 20 so fasziniert und war gleichzeitig so logisch, dass ich die beschriebene Haltung gerne übernommen habe. Auch heute mit meinen eigenen Kindern begleitet es mich immer noch, denn erst viel später habe ich erfahren, dass Wurzeln des Attachment Parenting (bindungsorientierte Erziehung) bis hin zu Liedloffs Kontinuum-Konzept zurückreichen. Continuum Concept ist der Originaltitel des Buches, und ich bin froh, dass mir das Buch damals begegnet ist.
4. Februar 2021 um 17:55
Liebe Antonia,
wie schön, dass du mich als Übersetzerin genannt hast, darüber habe ich mich riesig gefreut (ist leider noch immer nicht selbstverständlich). Du hast ja geschrieben, dass bisher nur ein Jugendbuch von Mayim Bialik übersetzt worden wäre; das stimmt so nicht ganz. “Endlich blicken, wie wir ticken” ist die Übersetzung beider Bücher, zusammengefasst zu einem. Der Verlag fand es sinnvoller, somit beide Zielgruppen gemeinsam anzusprechen. Jungs können also heimlich mal in den Mädchenteil hineinlesen und andersherum 🙂
Liebe Grüße
Janika