Der Todestag der Aktivistin, Dichterin und Essayistin Audre Lorde (18. Februar 1934 – 17. November 1992) jährt sich in diesem Herbst zum dreißigsten Mal, doch ihr Werk ist von bedrückender Aktualität. Und es ist wunderbar, dass es durch Neuauflagen und Neuübersetzungen in mehreren Verlagen wieder zugänglich ist.
Audre Lorde schrieb politische Essays und Aufsätze, einen autobiografischen Roman und Gedichte, doch ihr Werk ist ein Ganzes, über alle Genregrenzen hinweg inhaltlich und stilistisch eng miteinander verflochten: Ihre Autobiografie und ihre Essays sind in einer lyrischen (im Sinne von stark verdichteten) Sprache verfasst und zutiefst persönlich und voller Sinnlichkeit, ihre Gedichte sind sowohl erzählerisch als auch politisch. Dabei ist es kein Mischmasch, dafür war Audre Lorde viel zu klug, viel zu präzise und zu klar, in ihrem Fühlen, ihrem Denken und in ihrer Sprache. Und es ist eine Riesenfreude, eine Offenbarung und eine große Ermutigung, diese Texte noch einmal, oder zum ersten Mal oder ein ums andere Mal wieder und immer wieder zu lesen.
Einen großartigen ersten Zugang zu Audre Lorde bietet der Dokumentarfilm Audre Lorde – Die Berliner Jahre 1984 bis 1992 von Dagmar Schultz (2012), der die „Black lesbian feminist warrior poet mother“ nicht nur beim Diskutieren, Reden, Zuhören und Unterrichten zeigt, sondern auch beim Tanzen, Feiern und Spökesmachen.
Auf youtube finden sich einige Interviews mit und Lesungen von Audre Lorde (etwa die letzte Lesung in Berlin im April 1992 https://www.youtube.com/watch?v=Uo7TcxauHqw&t=608s ), die absolut berührend und unbedingt sehenswert sind.
Marion Kraft: Empowerment und Widerstand: Inspirierende Begegnungen mit Audre Lorde.
Aus dem Englischen von Marion Kraft
Eine sehr gute Einführung in Audre Lordes Leben und Wirken bietet dieser Sammelband, der auch das Interview enthält, das Marion Kraft im Sommer 1986 mit Audre Lorde führte und das den Beginn einer langjährigen Freundschaft markierte.
Mit unterschiedliche Schwerpunktsetzung befasst sich Marion Kraft mit dem Werk, analysiert und erschließ es, setzt Lordes Ansätze und Visionen in einen Kontext und zeigt Querverbindungen zwischen den Texten. Kraft erzählt von ihrer Freundschaft mit Audre Lorde und lässt sie in persönlichen Briefen noch einmal zu Wort kommen.
Kraft betont, dass Lordes Aktivismus – in einem Zeitalter, das keine Zukunftsvision hatte – stets von der Vision einer neuen, besseren Welt getragen war. Sie erschöpfte sich nicht darin, den Finger in die Wunde zu legen, ihr Aktivismus war immer darauf gerichtet, unsere Verschiedenheit als Quelle der Kraft zu erkennen und diese als Werkzeug zu nutzen.
Ausführlich geht Kraft auch auf Audre Lordes zahlreiche Aufenthalte in Berlin und ihren großen Einfluss auf die Schwarze Bewegung in Deutschland sowie die Entwicklung einer Schwarzen Community ein. Audre Lorde inspirierte viele Afrodeutsche, die eigene Stimme hörbar zu machen. Weiße Frauen ermutigte sie, nicht die Augen zu verschließen vor dem Rassismus in Deutschland, sich mit ihren Privilegien auseinanderzusetzen und den „kreativen Nutze der Verschiedenheit“ anzuerkennen.
AnouchK Ibacka Valiente (Hg.): Vertrauen, Kraft & Widerstand: Kurze Texte und Reden von Audre Lorde.
Aus dem Englischen von Pasquale Virginie Rotter mit Unterstützung von Janine Rygalski
Bereits 2015 erschien im Verlag w_orten & meer ein schmales Bändchen, das in elf kurzen Texten (die hier erstmals ins Deutsche übersetzt wurden) eine konzentrierte Einführung in Audre Lordes politisches Denken und Handeln gibt: Es ist nicht unsere Verschiedenheit, die uns hemmt, sondern das Schweigen darüber. Erst wenn wir das Schweigen brechen und ohne Sentimentalität und Unsicherheit über die Unterschiede zwischen uns sprechen, erkennen wir auch, was uns verbindet, und können Unterschiede wie Verbindendes als Quelle der Kraft zu nutzen.
Audre Lorde: Meine Worte werden da sein. Sprecherin Agnes Lampkin.
Zu diesem Band gibt es eine CD (Audre Lorde), auf der die Schauspielerin Agnes Lampkin acht Texte liest.
Sie ist leider nicht mehr lieferbar, aber vielleicht findet sich irgendwo noch ein Exemplar.
Einen Auszug daraus, die Lesung von „Poesie macht etwas möglich“, gibt es auf https://www.dichterlesen.net/queeres-lesen-hoeren/lann-hornscheidt/4-stimmen-finden.html
Der zweite Teil folgt am 31. Oktober 2022.
13. Oktober 2022 um 11:13
Ooh, how very moving! Thank you, Elvira, for this retrospective. 1986 to 94 were my Berlin years, and – as a student at the JFK center for North American studies, Lorde often crossed my path/ my head. How sweet to see the documentation of her last reading, hearing her voice, her laugh. 30 years! Oh Lord…
13. Oktober 2022 um 12:35
Danke!
13. Oktober 2022 um 21:36
Liebe Elvira!
Ich freue mich auf Deinen 2. Teil 😉
Ich freue mich überhaupt, Dir mal wieder begegnet zu sein, und beim Stöbern auf Deiner Website (nicht mehr .de, sondern .com) war ich gleich wieder bei Dir in Deinem schönen zu Hause ;-))
Irritiert hatte mich die Angabe von „Autor: Elvira Willems“
Ganz liebe Grüße, Evy
20. Oktober 2022 um 09:30
Geht mir ebenfalls so, dass ich mich auf den zweiten Teil freue;)
LG
Elea