Jeden Monat erscheinen im Netz so viele anregende und aufregende Texte, dass wir mit dem Lesen oft gar nicht mehr hinterherkommen. #lesbar sammelt diese Perlen und präsentiert sie jeden vierten Donnerstag im Monat auf dem BücherFrauen-Blog – handverlesene Lese- und Teilempfehlungen zu Themen, die BücherFrauen und andere buchbewegte Menschen interessieren.
Zwischen Weihnachtsbaum und Silvesterrakete wird die Zeit zum Lesen ja oft knapp, aber wer dieses Jahr mit einigen Netzperlen ausklingen lassen möchte, ist bei unserer letzten Ausgabe #lesbar 2015 herzlich willkommen. Wie immer versammeln wir hier eine bunte Mischung an Themen, von den Herausforderungen an einen modernen Feminismus über geschlechterspezifische Sprache bis hin zur eindringlichen Geschichte einer Frau aus Syrien auf ihrer Flucht nach Deutschland.
An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei allen bedanken, die uns Artikel empfohlen haben, per Mail, auf Facebook oder auf Twitter – ohne Euch wären die ersten sechs Monate #lesbar nicht halb so vielfältig und gedankenreich gewesen! Vielen Dank! Wir lesen uns im neuen Jahr!
Wir beschäftigen uns immer wieder mit der Frage, wie ein Feminismus von heute aussehen muss, kann, darf. Andrea Roedig schrieb in diesem Monat auf Zeit Online darüber, dass Transsexualität (konkret redet sie immer von Transmännern) ihrer Meinung nach bloß „Mimikry ans herrschende Modell“, also an Heterosexualität, sei und daher „eine feministische Wut“ in ihr auslöse. Wut oder zumindest hitzige Debatten löste ihr Kommentar zumindest in der queeren und feministischen Netzgemeinde aus. Eine sehr lange und sehr wichtige Auseinandersetzung mit Roedigs Aussagen findet sich auf Teile des Ganzen – eine unbedingte Leseempfehlung gerade auch für Leserinnen und Leser, die sich sonst eher selten in queeren Räumen bewegen. „‚Feministisch’ und ‚queer’ sind – ebenso wie ‚Butch’ und ‚transmännlich’ – kein (zwingender) Widerspruch, sondern ergänzen sich oftmals ganz ausgesprochen gut. Manche Leute schreiben sogar Bücher darüber. Und manchmal sind sogar transmännliche Butches sowohl queer als auch feministisch.“
Die Bauingenieurin Aysha führte ein ganz normales Leben im syrischen Aleppo, bevor sie sich auf der Flucht vor den Bomben des Bürgerkriegs mit ihren zwei Kindern und hochschwanger auf den Weg nach Deutschland machte. Die Journalistin Corinne Redfern begleitete sie von Griechenland aus und schrieb ihre Geschichte auf. Die Netzfrauen übersetzten den sehr persönlichen Bericht nun ins Deutsche. „Erst im April dieses Jahres, als ich zum dritten Mal schwanger wurde, sah ich ein, dass wir gehen mussten. Das Kind war nicht geplant. Am Anfang wünschte ich mir, es möge in mir sterben. Besser als in einem Land voller Angst aufzuwachsen. Sham und Bisan konnten niemals draußen spielen, niemals in einen Kindergarten gehen und würden vielleicht sogar niemals zur Schule gehen können.“
„Flüchtlinge“ ist das Wort des Jahres 2015. Aber ist das überhaupt ein angemessener Begriff oder gibt es andere, bessere? Schon im Oktober befasste sich Luise F. Pusch mit der Frage, was wir tun können, um weibliche Flüchtlinge in unserer Sprache sichtbar zu machen. Anatol Stefanowitsch legt jetzt im Sprachlog nach und klopft die deutsche Sprache nach möglichen Alternativen mit ihrem Sinn und Unsinn ab. „Das Wort Flüchtling selbst ist also nicht verantwortlich für die stereotyp männliche Bedeutung, die es auslöst. Die allgemeine kognitive Verzerrung wird aber in absehbarer Zeit nicht einfach verschwinden (damit das geschieht, müsste zuerst das Patriarchat und die Erinnerung daran verschwinden). Es könnte also nützlich sein, eine grammatisch feminine, semantisch weibliche Alternative für das Wort Flüchtling zu haben, mit der man dort, wo nötig, dieser Verzerrung entgegenwirken könnte.“
Personaltante, Medientussi, PR-Häschen – alles Bezeichnungen für qualifizierte weibliche Fachkräfte in Unternehmen, und doch klingt in ihnen alles andere als Wertschätzung an. Teilweise benutzen Frauen solche Begriffe sogar selbst für sich. Warum eigentlich? Nora-Vanessa Wohlert schreibt auf Edition F über degradierende Sprache im Kommunikationsbereich und was sie mit uns macht: „Diese Sprache, die letztlich Ausdruck einer inneren Haltung ist, ist ein Problem für jede Frau, die ihre Karriere im Kommunikationsbereich macht. Wir sollten unsere Formulierungen deshalb besser überdenken. Männer und auch Frauen.“
Der Spiegel titelte im Dezember „Sind Väter die besseren Mütter?“. Eine Antwort liefert Das Nuf mit einem Text, der absurde Stereotype durch einen einfachen Tausch der Geschlechter entlarvt: „Peter denkt an Steves Frau. Die hat durchgesetzt einen Nachmittag mit den Kindern zu verbringen. Sie gehört zu den sogenannten ‚Neuen Müttern‘. Ava, so heißt sie, sind die Kinder einfach eine Herzensangelegenheit. Sie geht einmal in der Woche mit ihnen auf den Spielplatz.“ Wer Freude an solchen Perspektivwechseln hat, kann gleich mit Frau Nessy und „Max Mustermann wundert sich“ weitermachen.
Was findet Ihr #lesbar? Schickt uns Eure Artikelempfehlungen für den nächsten Monat!