In dieser Rubrik soll die ganze Bandbreite an Jobs in unserer Branche näher beleuchtet werden, indem uns Frauen aus der Branche mehr von ihren alltäglichen Aufgaben erzählen. Für diesen Beitrag war Rabea Güttler der Schatten von Ute Nöth, Blogger Relations beim Carlsen Verlag.
Ute, dein eigentlicher Job-Titel besagt ja „Senior Manager Social Influencer Relations“. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Als diese Stelle neu bei Carlsen geschaffen wurde, war uns der Begriff „Blogger“ nicht breit gefächert genug – er schloss das, was auf Kanälen wie YouTube oder Instagram passiert, nicht ein. Daher wählten wir den Oberbegriff „Influencer“*. Das „Social“ könnte man inzwischen aus meinem Titel streichen, stammt es doch noch aus einer Zeit, als noch nicht alle Welt wusste, was man unter einem „Influencer“ versteht. „Senior Manager“ ist einfach meine Position bei Carlsen. Im Alltag nutze ich übrigens meist den Ausdruck „Blogger Relations“, das ist doch irgendwie griffiger!
[*Als Influencer werden Personen bezeichnet, die aufgrund ihrer starken Präsenz in einem oder mehreren sozialen Netzwerken eine große Menge an Menschen erreichen und „beeinflussen“ (engl. „to influence“) können.]
Diese Stelle wurde also als Antwort auf die Entwicklung in den sozialen Netzwerken geschaffen?
Ja, genau. Im Verlag trat immer deutlicher zutage, dass die Interaktion mit Buchbloggern eine zunehmend umfangreichere und wichtigere Rolle spielt. Aus diesem Grund wollte die Geschäftsführung diesen Bereich neu aufstellen und in diesem Zug klären, ob die Stelle in der Presseabteilung oder im Marketing verortet werden soll. Während Buchblogger Anfragen in der Regal an die Presseabteilung richten, wendet sich das Marketing im Rahmen von Kampagnen oft aktiv an Blogger – mit dem Ergebnis, dass Zuständigkeiten häufig nicht eindeutig sind, sowohl bei Bloggern als auch im Verlag. Jetzt, mit der Verortung im Marketing, gibt es bei Carlsen seit zwei Jahren eine zentrale Position und somit eindeutige Ansprechpartner.
Ist die Influencer-Szene für den Carlsen Verlag besonders wichtig, weil ihr den Kinder- und Jugendbuchmarkt bespielt? Oder sieht es bei anderen Verlagen ähnlich aus?
Ja, ich bin der Meinung, dass gerade ein Verlag wie Carlsen prädestiniert ist, mit Buchbloggern zu kooperieren, genauso wie all jene Verlage, die ein erzählendes Programm ab 14 Jahren mit Romantasy, Young Adult und New Adult herausbringen. Bei Belletristik-Verlagen mit eher literarischem Programm dürften Blogger eine vergleichsweise geringere Bedeutung einnehmen.
Wie kommt das?
Spricht man von Buchbloggern, sollte man näher bestimmen, wer damit gemeint ist. Es gibt großartige Blogger, die auf wirklich hohem feuilletonistischem Niveau arbeiten und die in der Branche eine hohe Bekanntheit genießen. Meinem Eindruck nach machen diese Blogger aber maximal fünf bis zehn Prozent der kompletten Buchbloggerszene aus und sind auch nicht so stark novitätengetrieben.
Der überwiegende Anteil der Buchblogger hingegen hat eher einen unterhaltenden und emotionalen Zugang zu Literatur und rezensiert am häufigsten Titel aus dem Jugendbuchbereich. Carlsen hat das Glück, nicht nur ein starkes Jugendbuchprogramm zu verlegen, sondern darüber hinaus noch Reihen und Charaktere im Programm zu haben – allen voran natürlich Harry Potter –, die starke Emotionen bei vielen Lesern hervorrufen. Sodass wir immer mal wieder erfreut lesen dürfen, dass Carlsen zu den Lieblingsverlagen einiger Blogger zählt.
Ist die Blogger-Szene weiblich?
Fast komplett. Es gibt ein paar Ausnahmen. Aber ich schätze mal, 90 bis 95 Prozent der Buchblogger sind Frauen. Anders ist es bei den vorhin genannten Literaturbloggern gelagert, da scheint mir das Verhältnis eher ausgeglichen, möglicherweise gibt es sogar einen Männerüberhang.
Und wie sieht es bei den Blogger Relations aus?
Wie überall in der Buchbranche ist auch dieser Beruf – mit wenigen Ausnahmen – fast ausschließlich weiblich.
Was hat dich an deinem Job am meisten überrascht?
Ganz klar die Hingabe, die Liebe und die Emotionalität, auf die ich bei den Buchbloggern gestoßen bin. Mit welcher Leidenschaft hier das Thema Literatur gelebt wird, hat mich wirklich umgehauen.
Wie bist du überhaupt zu diesem Beruf gekommen?
Hmm, wo fange ich an? Ich glaube, ich war schon immer jemand, die sich für neue Arten und Weisen, Buchinhalte zu vermitteln, interessierte, und dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch meinen Lebenslauf.
Schon in meiner Ausbildung zur Buchhändlerin war ich für das damals neue Medium CD-Rom zuständig. Meine Diplomarbeit schrieb ich über Print on Demand und die Möglichkeit der Individualisierung von Büchern und machte danach im Selfpublishing Station. Bei einem Ausflug in die Zeitschriftenbranche habe ich vor neun Jahren zum ersten Mal eine Blogger-Aktion im Rahmen eines Heft-Relaunches angestoßen und war begeistert von dieser neuen Art, Öffentlichkeit zu schaffen.
Als ich mich im Anschluss mit der Konzeption von enhanced E-Books selbstständig machte, war klar, dass auch Blogger ihre Meinung zu dieser neuen Darreichungsform von Büchern äußern sollten. Fortan war das Blogger-Marketing für mich fester Bestandteil meiner Aufträge im Online-Marketing. Und als sich die Gelegenheit ergab, mich für Carlsen ausschließlich um Blogger zu kümmern, habe ich nicht lange gezögert.
Wenn man den Blick auf den Nachwuchs wirft: Zeichnet sich eine andere Art des Einstiegs in die Branche ab? Wird in Ausbildung/Studium bewusster auf das Feld Social Media hingewiesen?
Das steht gerade alles sehr am Anfang und es gibt meines Wissens noch keinen Schwerpunkt Influencer-Marketing in Ausbildung und Studium. Tatsächlich beobachte ich aber, dass derzeit immer mehr Buchblogger in den Verlagen unterkommen. Ein Blog kann also als echter Türöffner dienen und als unkonventionelle Möglichkeit, den Einstieg in die Branche zu finden.
Meine Kollegin Ramona Nicklaus z. B. hat eine Ausbildung zur Medienkauffrau Digital & Print gemacht, bloggt aber auch schon seit Jahren (auf ihrem Blog „Kielfeder“).
Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollte man unbedingt für diesen Beruf mitbringen? Wie technisch und analytisch versiert muss man dafür sein?
Ach, das spielt eigentlich beides keine größere Rolle. Was man vor allem braucht, ist neben Kreativität eine große Lust an Kommunikation sowie eine verbindliche und wertschätzende Art, um sich auszutauschen.
Stichwort Wertschätzung – ohne die geht es nicht. Wer Influencern zweifelnd oder gar mit gerümpfter Nase begegnet, ist falsch in diesem Beruf. Richtig hingegen ist man, wenn man die Leidenschaft der Blogger anerkennt und sich bewusst ist, wie viel diese begeisterten Leser für Bücher tun – und ihnen ein guter Partner sein möchte. Die Art und Weise, in der Blogger Bücher inszenieren, weicht manchmal bestimmt von dem ab, was man im Verlag gewohnt ist, aber ich finde es so bereichernd, welche neuen Ideen und wie viel frischer Wind dadurch entstehen.
Buchblogger sind für mich Leute, die sich am liebsten mit einem Megaphon auf die Straße stellen würden: „Lest dieses Buch!“ Sie möchten Leidenschaft teilen. Was kann uns als Verlag Besseres passieren?
Neben all dem muss man aber natürlich auch ein Verständnis dafür mitbringen, wie Social Media, Instagram, YouTube & Co. funktioniert. Das Auswerten der Zahlen ist dabei höchstens „Handwerk“ und kein Hexenwerk. Schwieriger ist es, sich ein Netzwerk aufzubauen, zu wissen, welcher Blogger was gelesen und was gemocht hat, um ihm dann das Passende zu empfehlen. Beziehungen aufbauen, ein Verständnis für sein Gegenüber entwickeln – das gelingt nur, wenn man sich sehr intensiv mit der Szene auseinandersetzt und auch bereit ist, zu verstehen, um was es den Buchbloggern geht. Daraus ergeben sich am Ende oft die besten Aktionen, um die Arbeit mit Buchbloggern zu intensivieren.
Wie kann man sich das konkret vorstellen?
Wir bei Carlsen stehen gern vor unserer Bloggerwand, an der wir monatsweise festhalten, welche Titel voraussichtlich für Blogger interessant sein könnten, und planen Aktionen. Da geht es darum, dass wir durch interessante und einfallsreiche Kampagnen unsere Titel bei den Bloggern sichtbar machen – und ihnen damit gleichzeitig Aufhänger bieten, ihren Lesern das Buch interessant präsentieren zu können.
Besonders freut uns, dass uns in diesem Zusammenhang im Vorfeld aber auch immer tolle Vorschläge von Bloggerseite erreichen, die wir prüfen und koordinieren.
Kannst du uns ein Beispiel nennen, etwas, woran du gerade arbeitest?
Gerade sind wir dabei, Päckchen einzupacken – viel kleinteilige Arbeit, aber auch das gehört dazu. Unser aktueller Spitzentitel „Die fünf Gaben“ handelt von einer Schule, an der junge Mädchen in fünf Gaben unterrichtet werden – jede nach ihrer Bestimmung. Unsere Blogger konnten an einem speziellen Test teilnehmen, um herauszufinden, welche Gabe die ihre ist. Passend zu ihrer Gabe bekommen sie nun ein individuelles Päckchen mit schönen Beigaben zugesandt, die auf ihre persönliche Gabe passen – und sich vielleicht auch gut auf Instagram & Co. neben dem Buch präsentieren lassen –, sodass der Titel dort hoffentlich mehr Aufmerksamkeit erhält.
Neben dem Päckchenschnüren – wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus?
Mails beantworten. Das macht einen Großteil meines Tages aus. Alle Anfragen von Bloggern müssen beantwortet werden. Das sind z. B. Neublogger, deren Blogs geprüft und im besten Fall dann in unsere Datenbank eingepflegt werden müssen, Anfragen für Rezensionsexemplare sowie die Verwaltung der Beleglinks zu veröffentlichten Rezensionen. Gerade bei diesen Beleglinks liegt es uns am Herzen, auch ein Dankeschön auszusprechen, denn die Arbeit, die sich ein Buchblogger macht, soll nicht ungewürdigt oder ohne Resonanz bleiben.
Neben den Mails muss aber auch unsere Datenbank gepflegt und optimiert, Newsletter verschickt werden usw. Und zu guter Letzt stehen auch fast täglich Termine an, um sich mit Kollegen über neue und laufende Kampagnen auszutauschen.
Das Schöne ist, dass Blogger Relations ein vergleichsweise neues Arbeitsgebiet ist, dass einem viele Möglichkeiten offenstehen, man kann viel ausprobieren, Erfahrungen sammeln, manchmal sogar Vorreiter sein …
Gebt ihr die Erkenntnisse, die ihr aus den Reaktionen der Blogger erschließt, im Verlag weiter?
Ja, klar. Wir versuchen, alles so gut es geht auszuwerten und in einem Report weiterzugeben. Neben den erfolgten Rezensionen halten wir dort auch fest, wenn wir Trends etc. erkennen. Außerdem bekommen Lektorinnen und Autoren Rückmeldung, welche Beiträge es zu ihren Titeln gab. Und wir stehen im regelmäßigen Austausch mit anderen Abteilungen, vor allem der Presse sowie mit unserer Verlegerin.
Was macht dir an deiner Arbeit am meisten/am wenigsten Spaß?
Das mit den Mails, das ist eine Art Hassliebe. Es ist oft eine regelrechte Sisyphusarbeit, weil wir es nie schaffen, das Postfach einmal komplett leer zu kriegen. Aber ich möchte es auch nicht missen. Was ich sehr liebe, ist der kreative Anteil an meiner Arbeit. Die Möglichkeit, aus Geschichten schöpfen zu können und wiederum andere Leser in dieses Universum hineinzuziehen. Das ist großartig, genauso wie die Möglichkeit, in diesem Bereich noch so viel Neues ausprobieren zu können. Das befriedigt mich sehr.
Du siehst also schon eine Zukunft in diesem Bereich der Branche?
Total. Das Thema Influencer wird nicht wieder weggehen. Im Gegenteil. Es wird für uns ein immer wichtigerer Kanal, um unsere Zielgruppe zu erreichen. Definitiv kein vorübergehender Trend.
13. März 2018 um 10:13
Sehr interessanter Einblick mit Live-Doku aus dem Verlag, gefällt mir sehr gut.
14. März 2018 um 08:51
Vielen Dank für den Beitrag, liebe Rabea! Das klingt nach einem spannenden Job. Besonders die Bloggerwand find ich eine super Idee. Und wie schön, dass Bloggerinnen und Blogger bei Carlsen so wertgeschätzt werden!
19. März 2018 um 14:39
Informativer Einblick, schön, dass die Blogger so ernst genommen werden.