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Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

Das Projekt CONTENTshift: Investieren in Zeiten des digitalen Wandels

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Accelerator-Programme gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Von Dorothee Werner wollten wir Genaueres zum Projekt CONTENTshift erfahren und wie dieses angenommen wird. Das Interview mit Dorothee Werner, Leiterin Unternehmensentwicklung, Grundsatz- und strategische Fragen beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels führte Yvonne de Andrés.

Was ist das Besondere an der Plattform CONTENTshift des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, seit wann gibt es sie und was sind ihre Ziele?

CONTENTshift ist aus einem echten Bedarf und aus der Branche heraus entstanden: Nachdem einige Start-ups bereits auf uns zugekommen waren und nach einer Möglichkeit suchten, in der Branche mehr Gehör zu finden, haben wir 2014 zunächst den „startup club“ gegründet. Auch Mitglieder haben uns gebeten, eine Plattform zum Netzwerken mit Start-ups anzubieten. Bei den zahlreichen Veranstaltungen für Start-ups und Branchenmitglieder, die wir daraufhin durchführten, merkten wir, dass es auf beiden Seiten eine große Neugierde, einen Hunger aufeinander gab – die Idee zu CONTENTshift war geboren.

Sieben Mitgliedsunternehmen haben jeweils 10.000 Euro gezahlt, um einen Platz in der Jury und damit einen Überblick über die Geschäftsmodelle im Programm zu erhalten – allein dies zeigt, dass das Programm auf großes Interesse stößt. Zusätzlich möchten wir aber natürlich auch den vielen kleinen und mittelständischen Branchenunternehmen Mut machen, sich mit neuen Geschäftsmodellen zu beschäftigen.

© Börsenverein

© Börsenverein

Welche Unterstützung suchen die Mitglieder des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels bei der Umsetzung des digitalen Wandels?

Das ist ganz unterschiedlich: Die großen Verlagshäuser und Buchhandlungen haben ja zum Teil bereits eigene Abteilungen, die sich ausschließlich mit dem Thema „neue Geschäftsmodelle“ beschäftigen. Aber auch Traditionshäuser wie der Thieme Verlag zeigen sich sehr aufgeschlossen für neue Ideen. Beide Gruppen sind in der Jury von CONTENTshift vertreten.

Fest steht, dass viele Mitgliedsunternehmen nach weiteren Anknüpfungspunkten suchen. Deswegen bieten wir immer wieder Events an, bei denen sich Start-ups und Branchenmitglieder begegnen und beschnuppern können. Gegebenenfalls erkennt man so, dass man voneinander profitieren kann.

© Börsenverein

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In welchen Bereichen wird von den Mitgliedern insbesondere eine Unterstützung gesucht? Wie viele Verlage/Mitglieder nehmen am Programm teil? Und wie können andere Verlage/Mitglieder von den gemachten Erfahrungen profitieren?

Sieben Mitgliedsunternehmen unterstützen das Projekt finanziell: Bonnier Deutschland, StoryDOCKS, Thieme, Thalia, readbox, Holtzbrinck Digital und die Manz’sche. Auch VertreterInnen aus den Gremien des Börsenvereins sind in der Jury: Detlef Büttner für den Vorstand, Prof. Dr. Katja Nettesheim für den Aufsichtsrat und Michael Döschner-Apostolidis für die IG Digital. Zusätzlich haben wir in der Jury zwei Innovationsexperten aus anderen Branchen dabei: Oliver Schoß von Nestlé und Dr. Carsten Linz von SAP.

Aber natürlich profitiert die ganze Branche von CONTENTshift. Seit Kurzem stehen die 18 Start-ups fest, die in die erste Runde kommen. Auf www.contentshift.de informieren wir über ihre Geschäftsideen. Wer dort neugierig wird und gern Kontakt zu Kandidatinnen und Kandidaten aufnehmen möchte, der kann sich an uns wenden – wir vermitteln sehr gerne! Auch auf der Frankfurter Buchmesse bieten wir Veranstaltungen zum Thema an. Wir stellen eine Studie zur Geschäftsmodellbewertung und zwei White Paper zu Teamskills und Investitionen kostenfrei für alle Mitglieder zur Verfügung.

Was interessiert Verlage/Mitglieder daran, mit Start-ups zusammenzuarbeiten?

Im Zuge der Digitalisierung benötigt unsere Branche dringend neue Geschäftsmodelle. Die Geschäftsfelder von Verlagen und Buchhandlungen werden sich zwangsläufig verändern. Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen neue Ideen her. Start-ups gehen mit dem berühmten „frischen Blick“ Probleme an, die uns vielleicht unlösbar scheinen. Oftmals entwickeln sie Ansätze, die quer zum bisherigen Markt stehen. Es sind meist kleine, agile Teams, die schnell umdenken können. Manche Start-ups können dabei helfen, neue Kundengruppen zu erschließen. Andere haben eine Technologie entwickelt, die für die Branche relevant sein könnte. Die Anknüpfungspunkte sind vielfältig.

Welche Ressourcen werden den TeilnehmerInnen des CONTENTshift in dem dreimonatigen Förderprogramm für Start-ups zur Verfügung gestellt?

In erster Linie haben sie die Chance, ihr Geschäftsmodell auf Herz und Nieren prüfen zu lassen und mit der Unterstützung von ExpertInnen weiterzuentwickeln. Die GründerInnen erhalten Coachings, Kontakte zur Jury und natürlich Sichtbarkeit durch den Accelerator. Die fünf FinalistInnen wohnen außerdem während der Buchmesse gemeinsam in einer WG und erhalten ein kuratiertes Messeprogramm. Für GründerInnen ist diese Entwicklung sehr begrüßenswert, denn nie gab es mehr Auswahl, nie gab es mehr spannende Unternehmen, die ihre Türen für Start-ups geöffnet haben.

Wie werden die TeilnehmerInnen des CONTENTshift-Start-up-Programms ausgesucht? Nach welchen Kriterien wird vorgegangen? Wie haben Sie diese festgelegt?

Ausgewählt haben nicht wir, sondern unsere Jury. Für die Evaluierung der Bewerbungen haben unsere Coaches Dr. Harald Henzler und Prof. Dr. Okke Schlüter eine Matrix entwickelt, mit der die Jurymitglieder prüfen können, inwieweit ein Geschäftsmodell für sie relevant ist. Herr Henzler und Herr Schlüter werden diese Matrix im Verlauf des Programms auf Grundlage der gesammelten Erfahrungen weiter verfeinern und auf der Buchmesse der gesamten Branche zur Verfügung stellen.

Welche Start-ups spricht das Programm an?

CONTENTshift ist für alle Start-ups gedacht, die einen Bezug zu den Medien- und Content-Branchen aufweisen. Darüber hinaus gibt es natürlich noch einige weitere Teilnahmekriterien, die wir gemeinsam mit der Jury festgelegt haben.

Was ist, wenn das Start-up bislang keine Erfahrung mit der Buchbranche gesammelt hat?

Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Viele GründerInnen kommen aus anderen Branchen. Das kann sogar ein großer Vorteil sein, weil sie bei typischen Branchenproblemen nicht vorbelastet sind. Um sie mit den Rahmenbedingungen unserer Branche vertraut zu machen, bieten wir ihnen das Webinar „Buchbranchen-Know-how für Quereinsteiger“ an, das vom mediacampus frankfurt organisiert und durchgeführt wird.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Sehr gute bisher. Wir freuen uns über die vielen positiven Rückmeldungen der Start-ups und die hohe Anzahl der Bewerbungen – mit insgesamt 45 haben wir unsere eigenen Erwartungen sogar übertroffen. Auch über die große Vielfalt der Geschäftsideen freuen wir uns. Von E-Learning über Plattformen zum kollaborativen Arbeiten bis hin zu Nano-Payments und Storytelling ist wirklich alles mit dabei. Jetzt sind wir natürlich gespannt, welche fünf Start-ups es ins Finale schaffen. Da hat die Jury noch eine schwierige Auswahl vor sich.

Welchen Tipp können Sie Verlagen/Mitgliedern und Start-ups geben, die sich bewerben wollen?

Traut euch – es lohnt sich! Und über www.contentshift.de oder Twitter einfach verfolgen, was passiert.

Wann startet das nächste CONTENTShift Programm?

Frühjahr 2017. Mehr verraten wir noch nicht …

Frau Werner, vielen Dank für das Gespräch.

© Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. - Dorothee Werner

© Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. – Dorothee Werner

Dorothee Werner ist gelernte Sortimentsbuchhändlerin, studierte Philosophin und fröhliche Praktikerin. Seit 2007 ist sie beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels in unterschiedlichen Funktionen tätig. Sie ist dort für die Innovationsförderung verantwortlich und hat in diesem Rahmen Formate wie bspw. das BuchCamp, protoTYPE sowie Zukunftskonferenz initiiert und umgesetzt. Und ganz aktuell das Projekt CONTENTshift, den Accelerator für die Buchbranche, ins Leben gerufen. Im Rahmen der Leitung der Unternehmensentwicklung ist sie darüber hinaus verantwortlich für die Bereiche Mitgliederservice, Marktforschung sowie Literatur- und Leseförderung.

Kontakt:  werner@boev.de, Twitter: @dorowerner

Autor: Yvonne de Andrés

Yvonne de Andrés ist freiberufliche Senior Consultant in einer Unternehmensberatung. Sie ist eine der zwei Pressefrauen der Berliner BücherFrauen.

Ein Kommentar

  1. Ein spannendes Projekt – aber schade, dass die Jury bis auf Frau Nettesheim rein männlich besetzt ist und auch die Coaches nur Männer sind. Wäre sicher interessant zu sehen, wie sich das auf die Wahl der Programmteilnehmenden ausgewirkt hat.

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