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Frauen gestalten Herrenberg

Frauen gestalten Herrenberg

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Frauen sichbar machen – ein Anliegen, das auch die Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg hat. BücherFrau Claudia Nowak-Walz ist dort aktiv und erzählt im Interview von einem ganz besonderen Projekt.

Liebe Claudia, erst mal herzlichen Glückwunsch! Ihr habt im November 2016 mit der Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg für das Buch Frauen gestalten Herrenberg den Landespreis für Heimatforschung bekommen! Hattet ihr damit gerechnet?

Claudia Nowak-Walz: Danke für die Glückwünsche, Eva. Wenn wir uns gar keine Chancen ausgerechnet hätten, hätten wir uns nicht beworben. Dass es auf Anhieb geklappt hat – der Preis wird jährlich ausgeschrieben, wir haben uns 2016 zum ersten Mal beworben –, hat uns dann aber doch überrascht. Immerhin gab es 128 Bewerberinnen und Bewerber.

Kannst du uns mehr über die Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg erzählen? Wie habt ihr zusammengefunden? Wo liegen die Schwerpunkte eurer Tätigkeit?

Der Impuls zur Gründung einer Frauengeschichtswerkstatt (FGW) in Herrenberg im Herbst 2014 ging von der damaligen Frauenbeauftragten (heute: Gleichstellungsbeauftragten) Birgit Kruckenberg-Link aus.

Foto: Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg

Claudia Nowak-Walz bei der Stadtführung, beim Handelshaus Khönle
(Foto: Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg)

Das erste Projekt nach der Gründung war die Konzipierung einer Stadtführung zur Herrenberger Frauengeschichte. Diese sollte sich von den bisher angebotenen Stadtführungen unterscheiden: Neben den Erläuterungen der Stadtführerin treten an verschiedenen Stationen „Frauen aus der Vergangenheit“  – in entsprechender Kostümierung – auf und berichten über ihr Leben oder das einer berühmteren Frau. Auf diese Weise waren alle sieben Mitarbeiterinnen der FGW an der Umsetzung der Stadtführung beteiligt, die am 8. März 2005 Premiere hatte. Der Stadtrundgang war ein voller Erfolg und wurde seitdem unzählige Male wiederholt.

Neben den Stadtführungen, in denen wir das 15. bis 20. Jahrhundert abdecken, begannen wir bestimmte Themen ausführlicher zu erforschen. Schriftliche Resultate unserer Arbeit sind die Broschüre FrauenWege. Auf Spurensuche in Herrenberg (eine Handreichung zum Stadtrundgang) und das Buch Frauen gestalten Herrenberg. Herrenbergerinnen des 20. Jahrhunderts, für das wir im November 2016 den Landespreis für Heimatforschung bekommen haben.

In Frauen gestalten Herrenberg stellt ihr Frauen aus den Bereichen Politik, Bildung, Kultur und Sport vor. Wie habt ihr diese Frauen ausgewählt? Wie seid ihr auf das Leben und Wirken dieser Frauen aufmerksam geworden?

Die Bereiche Politik, Bildung, Kultur und Sport ergaben sich sehr schnell, denn über einige Frauen/Frauengruppen aus diesen Bereichen hatten wir bereits gearbeitet: Luise Schöffel (Gründerin des heutigen Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter), Lehrerinnen der Frauenarbeitsschule,  die Heimatdichterin Maria Eipper-Hoffmann und die ersten Turnerinnen im VfL Herrenberg, der damals noch Männerturnverein Herrenberg hieß.

Im Bereich Politik lag es außerdem nahe, nach den ersten Gemeinderätinnen zu suchen und diese vorzustellen. So kamen wir auf Lina Link. Die Anregung zum dritten Kapitel des Politik-Teils kam aus der Gruppe selbst: Eine unserer Mitfrauen war in der Initiative „Frauen für den Schutz des Lebens“ (gegründet nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl) aktiv und brachte dieses Thema ein.

Auf die Geschäftsführerin der Volkshochschule und erste Leiterin der Musikschule, Felicitas Pflug, wurden wir von einem ihrer ehemaligen Kollegen aufmerksam gemacht. Ruth Petry, die die Stadtbibliothek aufgebaut hat, interviewten wir zunächst als Kollegin von Frau Pflug, fanden dann aber, dass sie ebenfalls ein eigenes Kapitel in dem Buch bekommen sollte.

Gibt es unter den dargestellten Frauen eine, die dich besonders fasziniert hat?

Das ist eine schwierige Frage! Jede der Frauen/Frauengruppen, die wir in dem Buch vorstellen, hat/haben in ihrem Bereich Großartiges geleistet.

Dennoch haben mich am meisten die Lehrerinnen der Frauenarbeitsschule fasziniert. Als Teil des Projekts „Geschichte der Frauenarbeitsschule“ (das war eine Fortbildungsschule, in der junge Frauen zunächst Nähen und Handarbeiten, später auch Hauswirtschaft lernten) habe ich versucht, die Biografien einiger Lehrerinnen zu rekonstruieren.

Um den Beruf ausüben zu können, mussten die Frauen bis in die 1950er-Jahre hinein ledig bleiben. Die meisten von ihnen stammten auch nicht aus Herrenberg. Daher waren Informationen über sie schwerer zu bekommen als über Frauen, deren Kinder wir interviewen konnten, die uns z. B. Fotos aus den Familienalben zur Verfügung stellen konnten. Dieser Umstand hat meinen detektivischen Spürsinn besonders gefordert.

(Foto: Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg)

Die Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg im Oktober 2016
(Foto: Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg)

Was bedeutet es für euch und eure Arbeit, dass ihr den Landespreis für Heimatforschung bekommen habt?  

Sehr viel. Der Preis belegt, dass wir seriöse Forschung betreiben. Das zugehörige Preisgeld wird uns – so hoffe ich – die Suche nach Sponsoren für das nächste Projekt einfacher machen.

Ruht ihr euch jetzt erstmal auf den Lorbeeren aus – oder seid ihr schon mit einem neuen Projekt beschäftigt?

Das Projekt „Herrenbergerinnen des 20. Jahrhunderts“ ist mit der Veröffentlichung von Frauen gestalten Herrenberg keinesfalls abgeschlossen. Wir planen einen Folgeband, in dem es u. a. um Herrenberger Geschäftsfrauen und um die Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik (die seit 1945 in Herrenberg ansässig war) gehen wird.

Außerdem möchten wir uns dem Thema „Hexenverfolgung in Herrenberg“ widmen. Und dann wartet auch noch die Geschichte des 19. Jahrhunderts auf ihre Erforschung. Über diese Zeit haben wir in Bezug auf Frauen noch fast gar nichts herausfinden können.“

Du hast ja neben deiner Tätigkeit für die Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg auch noch zwei Ehrenämter für die BücherFrauen inne: Du betreust die Website der Stuttgarter BücherFrauen und engagierst dich im Mentoring-Team der Stuttgarter Regionalgruppe. Wie schaffst du es, dieses gewaltige ehrenamtliche Engagement mit deiner Arbeit zu verbinden? Was treibt dich an?

Als Freiberuflerin kann ich das ja ganz gut steuern: Wenn ich nicht so viele Aufträge habe, kann ich mehr ehrenamtlich arbeiten, und umgekehrt.

Über allem, was ich tue, steht der feministische Gedanke, dass Frauen es selbst in die Hand nehmen müssen, wenn sie möchten, dass sich ihre gesellschaftliche Situation verbessert. Und dass sie sich dafür mit Gleichgesinnten zusammenschließen müssen.

In Bezug auf das Engagement bei den BücherFrauen leitet mich außerdem die Überzeugung, dass Netzwerken und Austausch mit Frauen, die im selben Bereich wie ich tätig sind, wichtig sind. Dass ich mich in das Netzwerk aber auch einbringen muss.

Was die Arbeit in der FGW angeht: Hier treibt mich als ausgebildete Historikerin zum einen mein Forscherinnengeist an, zum  anderen der Wille, Leben und Leistungen von Frauen öffentlich bekannt(er) zu machen und zu würdigen.

Ich danke ganz herzlich, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast! Ich wünsche euch viel Erfolg für die weitere Arbeit der Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg und bin schon sehr gespannt auf das nächste Buch!

Das Interview führte Eva Rincke

Vorstellung der Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg

Autor: Eva Rincke

Eva Rincke ist freie Autorin und Historikerin. Ihr Buch "Joseph Pilates. Der Mann, dessen Name Programm wurde" erschien 2015 im Herder Verlag. Sie bloggt rund um die Biografie von Joseph Pilates (pilatesbiography.wordpress.com). Seit Anfang 2017 ist sie für die Pressearbeit der Stuttgarter BücherFrauen zuständig.

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