„Wahre Größe liegt in der Fantasie“
So beschreiben Katrin Rüger und Friederike Wagner mit einer Prise Spott ihr mutiges Unterfangen, eine ganz besondere Buchhandlung im Münchner Viertel Haidhausen zu erschaffen. Ihre Zusammenarbeit begann vor zwölf Jahren in einer nur 100 Meter entfernten anderen Buchhandlung. Sie bauten Kundenkontakte auf, berieten ihre Kundschaft und behielten den Überblick in einem großen Sortiment. Seit Anfang März 2014 wählen sie nun ihre Favoriten selbst aus. Sie möchten „Alles Schöne“ im Angebot der Verlage finden, Bücher sowie ausgewählte Papeterie- und Non-Book-Artikel.
Im Begriff „Palast“ liegt eine fröhliche Ironie: Der Laden misst bescheidene 43 Quadratmeter. Doch aller Anfang war schwer. Die Gründerinnen haben die Räumlichkeiten zwar von einem Buchhändler übernommen, aber ein Lesetempel entstand erst nach und nach. Der Elektriker verlegte allein 150 Meter Kabel, alle Wände mussten gestrichen werden, und die Einrichtung fehlte komplett. Da ein Regalbauer unbezahlbar war, kamen Freunde und Familienmitglieder zum Einsatz. Es wurde gebohrt, getischlert, gemalt und – endlich – dekoriert. Fantasie und gemeinsame Erfahrungen sind die wahren Schätze im Buchpalast.
Eine „erlesene“ Buchauswahl
Die Mühe hat sich jetzt schon gelohnt: Viele Kunden sind den beiden treu geblieben, und ständig wechselnde Schaufensterauslagen ziehen ein neues Laufpublikum an. Im Stadtschloss verführt eine Couch dazu, beim Lesen die Zeit zu vergessen. Doch junge wie ältere Kunden tauschen sich auch gerne untereinander aus. Und wer die Hausherrinnen um Rat bittet, erhält eine komplette Rezension. Denn sie betonen, die meisten ihrer Bücher höchstpersönlich zu kennen: „Ich kann doch kein Buch empfehlen, das ich nicht selbst gelesen habe!“
Im vorderen Raum liegen Kinderbücher für alle Altersklassen sowie Belletristik und handverlesene Krimis. Den kleinen Durchgang schmückt eine Kinderbank zum Schmökern, eine Magnettafel bietet Platz für die ersten Wörter. Bei den vielen Reiseführern im hinteren Raum bleibt das Fernweh nicht aus. Hier stehen auch ausgewählte Biografien und Sachbücher – und über der Lesecouch eine elegante Orchidee. Mit einem feinen Gespür für Trends und einem wachen Blick auf besondere Neuerscheinungen stellen die Buchhändlerinnen ihr Sortiment zusammen. Auch die großen Klassiker bleiben präsent – sogar eine Neuauflage von James Krüss‘ Hörbuchklassiker „Sängerkrieg der Heidehasen“ aus dem Jahr 1958.
Treffen der Jugendjury des Jugendliteraturpreises
Besonders stolz sind die Gründerinnen auf die Beliebtheit ihrer Kinderbuchauswahl. Nach Schulschluss kommen Kinder in Gruppen zu Besuch, um die neuesten Piraten- und Feenabenteuer zu entdecken oder kleine Spielartikel zu ergattern. Sie fragen die Chefinnen, welchen Titel sie „gut finden“, und Katrin Rüger verrät, dass sie sich zum Erzählen hinreißen lässt, wenn die kleinen Leseratten aufmerksam lauschen.
Katrin Rüger stammt aus einer Buchhändlerfamilie und steckt mit ihrer Buchleidenschaft jugendliche Leser an. Alle zwei Wochen trifft sich im Buchpalast einer der sechs Leseklubs der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises. Die 20 „Bücherfresser“ im Alter von neun bis 18 Jahren durchstöbern Verlagskataloge, diskutieren über Neuerscheinungen und nominieren ihre Favoriten.
Die aufwendige Organisation des Leseklubs übernimmt Frau Rüger – um „die Sterne in den Augen“ zu sehen. Wenn die Jugendlichen ihren Lieblingsautor für eine Lesung gewinnen können. Wenn sie auf der Frankfurter Buchmesse eigenständig Veranstaltungen besuchen, Verlagsexkursionen unternehmen oder eifrig das Münchner Kulturleben verfolgen. Viele Mitglieder bleiben über Jahre und werden hier erstaunlich selbstständig.