BücherFrauen

Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

Foto: Antje Althans

Der Parthenon der Bücher oder: Was hat die documenta auf dem BücherFrauen-Blog zu suchen?

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Schon Monate vor der Eröffnung der documenta 14 am 9.6.2017 in Kassel war er in der Stadt präsent: der Parthenon der Bücher. Dieses beeindruckende Projekt der argentinischen Künstlerin Marta Minujín wuchs unter den Augen der KasselerInnen, KasselanerInnen und KasselänerInnen und mit ihm die Vorfreude auf die weltberühmte Kunstausstellung, die nur alle fünf Jahre stattfindet.

Foto: Antje Althans

Die Entstehung des Parthenon-Tempels

Zunächst ragte nur das blanke Gerüst in die Höhe (70 Meter lang, 30 Meter breit, 20 Meter hoch, in etwa die Maße des antiken Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen), dann wurden nach und nach in Plastik eingeschweißte (einst oder jetzt noch) verbotene Bücher mit Kabelbindern daran angebracht. Als ich an einem sonnigen Abend Ende Mai in der Theaterpause am Kasseler Staatstheater mit einer Freundin an der improvisierten Open-Air-Bar etwas trank, gab das Bauwerk einen spektakulären Hintergrund ab. Selbst die größten Skeptiker, die grimmig „Was das alles kostet!“ vor sich hin brummelten, staunten darüber, wie viele Bücher auf der Welt zensiert wurden oder noch zensiert sind – Zweck erfüllt, würde ich sagen. Auch Lehrlinge des VW-Werks wurden in die Entstehung des Projekts eingebunden, indem sie beim Einschweißen der Bücher halfen – die Lokalpresse immer mit von der Partie. Den Standort Friedrichsplatz hat die Künstlerin mit Bedacht gewählt: Hier wurden 1933 von den Nationalsozialisten rund 2000 Bücher verbrannt.

Parthenon - Auswahl verbotener ücher

Foto: Antje Althans

Verbotene Bücher weltweit

Als ich mir das Kunstwerk nach Ausstellungseröffnung endlich aus der Nähe ansehen konnte – man kann es ohne Eintrittskarte besichtigen und mitten hindurchschlendern – war ich noch beeindruckter, vor allem von der Vielfalt der verbotenen Bücher. Sicher, dass Erich Kästner unter den Nazis verboten war, ist allgemein bekannt, aber wer hätte gedacht, dass auch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry einmal auf dem Index stand? Oder gar „Die Geschichte von Peter Hase“ von Beatrix Potter? Staunende, ehrfurchtsvolle Gesichter, wohin man nur blickt. Das Symbol der Vorfreude hat sich zu einer der Hauptattraktionen gemausert.

Aufruf zur Bücherspende

Und noch besser: Alle können sich an dem tollen Projekt beteiligen! Die angestrebte Anzahl von 100 000 Büchern ist noch nicht erreicht. Auf der Website der documenta14 ist eine Liste verbotener Bücher einzusehen, die für dieses „work in progress“ gespendet werden können. Zum Abschluss der documenta sollen die Bücher dann wieder an die Besucher verteilt werden.

Na, dann mal los, BücherFrauen!

Foto: Antje Althans

Autor: Antje Althans

Antje Althans übersetzt seit 1997 Belletristik mit Schwerpunkt Frauenunterhaltung aus dem Englischen und ist seit 2012 Regionalsprecherin der BücherFrauen Göttingen-Kassel. www.xing.com/profile/Antje_Althans

5 Kommentare

  1. Ein wirklich sehr interessantes Projekt, liebe Antje. Mal sehen, ob nicht doch noch ein bisschen freie Zeit aufzutreiben ist, um dieses und die dokumenta nochmal selbst in Augenschein nehmen zu können.

  2. Danke für Deinen Bericht von der Documenta 14, Antje! Das Projekt der Künstlerin ist außerordentlich spannend, weil es greifbar macht, was sonst abstrakt bleibt – Zensur. Wie Du ja beschreibst, beeindruckt das vor Ort sicher noch mehr als auf den Fotos! Aber stört denn niemand das ganze Plastik? Ich war doch sehr befremdet, als ich das erste Mal davon las… Marta Minujín hat 1983 in Buenos Aires ja schon mal eine solche Installation aufgebaut, vermutlich ohne Einschweißen. Weißt Du eventuell (beispielsweise aus der Presse oder dem Ausstellungskatalog), ob es vorab Diskussionen über andere Lösungen gab?

    • Hallo Gabriele!
      Nein, soweit ich weiß, gab es darüber keine Diskussion.
      Ich nehme an, dass es nicht anders ging, weil die Bücher gegen Ende der documenta wieder verteilt werden sollen. Da müssen sie wohl einfach gegen Umwelteinflüsse geschützt werden.
      Oder weiß sonst jemand etwas darüber? Eine interessante Frage.

  3. Update: In der heutigen Ausgabe der HNA wird gemeldet, dass noch ca. 2000 Exemplare fehlen. Außerdem wird über die weitere Verwendung bzw. das Recycling des Plastiks berichtet. Das sollte deine Frage beantworten, Gabriele!

    https://www.hna.de/kultur/documenta/parthenon-wird-nach-documenta-joghurtbecher-8587146.html

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