Am 9. und 10. September geht die FührungsFrauen-Akademie der BücherFrauen in die nächste Runde. Im Mittelpunkt des Seminars stehen Status- und Präsenzverhalten in der Kommunikation sowie der Umgang mit Macht und Dominanz. Die Teilnehmerinnen lernen, kommunikative Hierarchien und stereotypisierte Verhaltenszuschreibungen zu erkennen und sie zu unterlaufen. Sie erleben in rhetorischen Übungen und Rollenspielen die Wirkung und Kraft ihrer eigenen Gesprächsführung und ihres persönlichen Auftretens — und entdecken ihre Führungskompetenzen.
Die Seminarleiterin, Deborah Ruggieri, erzählt im Folgenden von ihren Erfahrungen als Coach und Trainerin und über die Bedeutung der Themen Kommunikation, Status und Macht, vor allem für Frauen.
- Unter dem Motto „Frauen in Führung“ setzen sich die BücherFrauen seit einigen Jahren dafür ein, dass mehr Frauen in der Buchbranche auf gehobene Managementpositionen gelangen. Warum ist Genderkompetenz eine Schlüsselqualifikation für Führungsfrauen?
Zunächst einmal halte ich Genderkompetenz für eine Schlüsselkompetenz für Frauen und Männer, da es hier um das Verständnis von Geschlechterrollen, deren historische Einbettung und die Auswirkung von Vorstellungen darüber geht. Konkret geht es dabei darum, durch Genderkompetenz neue Denk- und Gestaltungsräume aufmachen zu können. Mir sind dabei Potenzial- und Entwicklungsmöglichkeiten wichtig. Das bedeutet, neue Blickwinkel und Perspektiven auf sozial und kulturell gewachsene Geschlechterrollen zu bekommen, die oftmals einseitig wirken können. Vielfach individualisierte Herausforderungen stehen in einem größeren Zusammenhang, wenn man die gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen erkennt, die auch immer mit der Frage nach Macht und Entscheidungspositionen verbunden und veränderbar sind. Das ist das, was ich für entscheidend halte — wir dürfen darüber hinaus denken und handeln, um etwas zu verändern.
- Eine Studie in den USA hat gezeigt, dass Menschen (Frauen wie Männer) denselben erfolgreichen Lebenslauf von Heidi anders bewerten als den von Howard. Zwar werden beide als gleichermaßen kompetent wahrgenommen, Heidi aber wirkt auf die meisten unsympathisch und für sie wollen weniger der Befragten arbeiten. Gibt es Kniffe und kommunikative Werkzeuge, die Frauen lernen können, um dieser Falle zu entkommen?
Diese Studie ist ein sehr wirksames Instrument, um zu zeigen, dass Leistung leider immer noch nicht gleich bewertet wird, trotz vielfach gegenteiliger Bekundungen. Sie zeigt auch, dass das Argument „die Besten setzen sich unabhängig vom Geschlecht durch“ durch genau solche Studien widerlegt wird. Darüber hinaus haben ähnliche Studien ergeben, dass Frauen wie Männer ähnlich urteilen: das heißt, dass unabhängig vom Geschlecht oftmals unbewusste Stereotypen wirksam sind. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese Stereotypen zu hinterfragen und vielfältigere Möglichkeiten aufzumachen. Gleichzeitig gibt es im Auftreten und in der direkten Kommunikation viele Möglichkeiten, andere Akzente zu setzen und Stereotypen zu durchbrechen. Dabei helfen Kenntnisse von Statusverhalten in der Kommunikation, ein eher spielerischer Umgang damit, das Erkennen und Einordnen von Macht-und Dominanzspielen, der Mut, immer wieder Grenzen auszutesten, verbunden mit strategischer Kompetenz und einem humanistischen Blick für menschliches Verhalten. Das alles kann zu mehr Gelassenheit und Souveränität führen. Das Erkennen und Weiterentwickeln der eigenen Gelassenheit, das Ja-Sagen auch zu unsicheren Situationen, das Abschätzen aus dem Blickwinkel einer realistischen Optimistin in Verbindung mit der Akzeptanz der eigenen Person können die eigene Souveränität stärken.
Solche Fragen wie: Was ist bereits vorhanden und schon gut? Was kann so bleiben? Was sind die eigenen Muster des persönlich zu definierenden Erfolges? Darüber hinaus geht es darum, auch mal zum eigenen Zweifel Ja zu sagen. Dieser ist nützlich und kann einen voranbringen, alte Muster abzulegen und neue Wege zu wagen, bei gleichzeitiger Akzeptanz der Dinge, die man schon gut macht. Selbstreflexion als Möglichkeit nutzen, um dann auch in die Handlung zu kommen, anstatt in Selbstgrübelei zu verbleiben. Dazu gehören das Hinterfragen eigener Glaubenssätze und die Auseinandersetzung mit Macht. Was ist das für mich? Wie gehe ich damit um? Gibt es überhaupt das Optimale? Gerade die letzte Frage hat einen starken Genderbezug – aufgrund der jahrhundertelangen „Bewertung“ von Frauen, der Festlegung, wie Frauen zu sein haben, und der gesellschaftlichen Einordnung von dem, was sich angeblich „schickt“. Es gibt wunderbare Biografien über Frauen in der Geschichte, die es immer anders gemacht haben und damit erfolgreich waren; das kann Ansporn sein, Konventionen zu hinterfragen und dem sogenannten „Idealbild“ Bye-bye zu sagen. Deswegen halte ich viel von Entwicklungsräumen und wenig von Selbstoptimierung, denn das Optimum gibt es nicht, es ist ein Konstrukt.
- Es gibt zahlreiche Stimmen, die die Veränderungen in der Arbeitswelt als besondere Chance für Frauen betrachten. Wie sehen Sie das? Werden wir in Zukunft zu gerechteren Bedingungen arbeiten? Was spricht dafür bzw. dagegen?
Es gibt viele Möglichkeiten, wenn fortschrittliche Ansätze weitergedacht werden. In der hiesigen Arbeitswelt gibt es einige progressive Ansätze, wo zum Beispiel Führung weiter gefasst wird, um anders mit Macht- und Entscheidungspositionen umzugehen. Durch die zunehmende Komplexität ist ein vernetztes und systemisches Denken unabdingbar. Vor allen Dingen in einer globalisierten und zunehmend digitaler werdenden Arbeitswelt. Darüber hinaus ist ein verantwortliches Umgehen mit der Macht, das heißt sich auch kritisch mit ihr auseinanderzusetzen und sich schnell in unterschiedliche Gegebenheiten hineinzuversetzen, wichtiger denn je. Auf dieser Ebene sehe ich ein großes Potenzial für Frauen. Andererseits ist die Arbeitsmarktfrage immer eine ökonomische Frage, und hier zeigt sich aus der Geschlechterperspektive eine differenzierte Situation. So wurde die soziale Arbeit in den Diskursen über Arbeitsmarktpolitik früher vielfach hintenangestellt, das zeigt sich in der oftmals schlechteren Bezahlung im sozialen Bereich, die Grund für den aktuellen Notstand und den Fachkräftemangel ist. Ein Großteil des Niedriglohnsektors wird von Frauen ausgefüllt, so auch die unbezahlte sogenannte Sorgearbeit. Dabei ist Letztere überhaupt das Fundament, auf dem eine Wirtschaft aufgebaut ist, aber diese Arbeit findet sich in unserer „Messung von Wirtschaftsleistung“, dem Bruttoinlandprodukt, nicht wieder. Was nicht gezählt wird, zählt nicht — die soziale Ungleichheit, das Einschätzen von Arbeit und ihrer Wertigkeit ist ein Thema, das mehr in den Fokus rücken sollte, gerade aus einer Geschlechterperspektive heraus: mehr Frauen in Führungspositionen, mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt, auch für viele prekär beschäftigte Freiberufler*innen und Künstler*innen, modernere Arbeitsstrukturen, ein noch größerer Fokus auf die Verantwortlichkeit der Eltern, nicht ausschließlich der Mütter, für die Kinder und die Pflege von Angehörigen. Das alles sollte noch viel mehr mit in die Arbeitsmarktpolitik und Arbeitswelt einfließen. Es gibt bereits tolle Ansätze, doch noch nicht so flächendeckend, als dass es ausreichend wäre. Hier sehe ich ein großes Potenzial für Veränderungen —auch für Frauen.
Als Politikwissenschaftlerin ist mir eine verantwortliche Globalisierungsgestaltung ein Herzensanliegen. Hier wünsche ich mir viel mehr Frauen, die sich auch der Gestaltung auf der internationalen Ebene zuwenden, einer gerechten, globalisierten Gestaltung anstatt zunehmender Nationalismen. Hierzu werde ich auch in Zukunft wieder verstärkt arbeiten.
- Ich habe bereits zweimal an Seminaren von Ihnen teilgenommen. Selten habe ich in einem Training so viel Spaß gehabt und gleichzeitig sehr viel gelernt. Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie ein Seminar geben, und wie erleben Sie selbst die Interaktion mit und zwischen den Teilnehmerinnen?
Herzlichen Dank für das wunderbare Feedback, genau das ist mein Ziel, und es freut mich, wenn meine Arbeit so angenommen wird! In den letzten sieben Jahren als hauptberufliche Trainerin habe ich mit so vielen unterschiedlichen Menschen und vor allen Dingen Frauen gearbeitet, und ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert, wie viele spannende, vielfältige, hochkompetente Menschen und vor allem Frauen in den unterschiedlichsten Organisationszusammenhängen arbeiten. Chapeau!
Für mich als Wissenschaftlerin, die ihre Inhalte in Trainings vermittelt, ist der fachliche Unterbau enorm wichtig. Mein Anspruch ist es, Forschungsergebnisse aus der Sozialpsychologie, Kommunikationstheorie, Soziologie und aus dem Coaching so zu verpacken, dass sie erlebbar und dabei praktisch umsetzbar sind. Das habe ich früher auch in der fachlichen Vermittlung zur globalen Ökonomie, zu Finanzmarkt- und Wirtschaftsthemen gemacht. Frontalvorträge sind selten so eindrücklich und begreifbar, wie wenn Dinge selbst erarbeitet und ausprobiert werden. Dazu gehören auch die neuesten Ansätze aus dem Bereich Neurowissenschaften und Sozialpsychologie in Bezug auf Verstehen und Lernen. Dabei ist mein Ansatz ressourcenorientiert, d. h. aus dem Annehmen und Sehen, was schon alles da ist, neue Entwicklungsmöglichkeiten zu entwickeln. Sich aus der Stärke heraus bewusst dafür zu entscheiden, aus der Sicherheitszone des Gewohnten herauszutreten und dabei auch noch Spaß zu haben. Ich mache Angebote, sich mit Themen auseinanderzusetzen — das Ergebnis entscheiden die Frauen individuell. Viele meiner Übungen habe ich selbst entwickelt oder aus anderen, bereits vorhandenen Übungen weiterentwickelt und Zusammenhänge wie Genderkompetenz und Statusverhalten neu definiert. Obwohl ich mit vielen Gruppen arbeite, bin ich jedes Mal aufs Neue gespannt, mit wem ich arbeiten werde, wie die Gruppe ist, welche Schätze zum Vorschein kommen. Das freut mich persönlich immer wieder, und das kann auch eine Gruppe gemeinsam erleben und feiern. Zudem bleibe ich ungern stehen. Ich entwickele die Dinge gern weiter und habe immer wieder Mut, Neues auszuprobieren. Wenn das Konzept dann erfolgreich ist und den Menschen, mit denen ich arbeite, etwas anbietet, was für sie richtig und bereichernd ist, dann ist das für mich ein Erfolg.
Zum guten Schluss: Humor ist enorm wichtig! Die Dinge bei aller Ernsthaftigkeit des Hintergrundes von ihrer Schwere zu befreien, ihnen nicht so viel Macht zu geben, das befreit und kann viel Spaß machen! Den habe ich selbst dabei, und ich denke, das merkt man mir an.
- Welches Buch hat Sie und/oder bestimmte Entscheidungen in Ihrem Leben besonders geprägt? Oder: Welche Autorin würden Sie gerne mal interviewen?
Am meisten hat mich in meinem Leben meine Familie, die Geschichte meines familiären Hintergrundes und ihr Wachsen an Herausforderungen in nicht immer einfachen Situationen geprägt. Mein Vater aus Süditalien, der einer Vision gefolgt ist, und meine wunderbare, großartige Mutter, die alleinerziehend, unwahrscheinlich klug und stark sich immer allen Herausforderungen gestellt hat. Ohne sie, ihre Liebe und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Wissen und ihrem deshalb prall gefüllten Bücherschrank wäre ich heute nicht das, was ich bin. Ich habe schon damals Bücher geliebt, sie alle verschlungen — manchmal war ich so in den Geschichten drin, dass ich mich selbst wieder in die „reale Welt zurückbeamen“ musste. Ich habe mich früh mit den politischen Theorien auseinandergesetzt und gleichzeitig mit philosophischen Fragen z. B. darüber, wie das „Sein“ zu definieren ist. Siddharta von Hermann Hesse war genau so ein Buch, das mich als junges Mädchen gefesselt hat. Später, im Studium der Politik- und Kulturwissenschaften, haben mich die Zusammenfassungen von Colette Cosnier zu den Tagebüchern von Marie Bashkirtseff in der damaligen Bibliothek der kunstgeschichtlichen Fakultät die Zeit vergessen lassen. Dieses Buch ist es immer wieder wert, aufgeschlagen zu werden, weil es daran erinnert, dass es durch die Jahrhunderte hinweg immer Frauen gab, die ihren zugewiesenen Status infrage stellten. Auch Bücher über die Geschichte der Hexenverfolgung haben mich bewegt. Der sogenannte Hexenhammer (Malleus maleficarum) ist, aus kulturwissenschaftlicher Sicht analysiert, ein Buch, das deutlich macht, inwieweit Geschlechterrollen, Sexualität, Glaube und Machtfantasien zu struktureller Verfolgung führen können. Ich bin froh, dass von vielen großartigen Professor*innen an der Humboldt Universität solches Hinterfragen von systematischen Ein- und Ausschlüssen gefördert wurde. Damals wurde das wissenschaftliche Ergründen in unserem Magisterstudiengang gefordert, und wir waren dazu angehalten, uns selbst eine Meinung zu bilden. Dabei haben einige Professor*innen besonders darauf geachtet, die vergessenen großartigen Geschichten der Frauen aus der Literatur, Kunst, Wissenschaft und Politik in die Lehrpläne aufzunehmen — das hat Spuren hinterlassen und zeigt mir, wie wichtig das Erinnern ist. Deswegen haben Bücher einen unschätzbaren Wert!
Wen ich interviewen würde? Maya Angelou (für mich eine der eindrucksvollsten Autorinnen) und Janis Joplin!
Deborah Ruggieri, Trainerin für Kommunikation & Führung, zertifizierter Business Coach & Dozentin. Sie unterstützt Menschen dabei, ihre Souveränität und die eigenen Ressourcen zu entdecken und zu leben. Die studierte Politik- und Kulturwissenschaftlerin hat mehrjährige Führungserfahrungen als Team- und Projektleiterin, hat im Qualität- und Effizienzmanagement gearbeitet und Kommunikationsstrategien für gemeinnützige Vereine erstellt. Sie forscht und veröffentlicht zu den Themen Gender & Kommunikation, Wirtschafts- und Finanzpolitik mit Geschlechterperspektive, Umwelt und Nachhaltigkeit. www.deborah-ruggieri.de
Informationen zum Seminar und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es auf unserer Website: http://www.buecherfrauen.de/akademie/fuehrungskraeftetraining-fuer-buecherfrauen/
13. Juli 2017 um 12:38
Sehr spannend!
14. Juli 2017 um 08:38
Klingt nach einem extrem interessanten Seminar!
14. Oktober 2019 um 23:39
Ich personlich wunsche mir, dass mehr Mannern und Frauen auf allen Ebenen die Gleichstellung unterstutzen. Zu oft wird Gleichstellung als Frauenthema platziert, was so nicht stimmt. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es gibt genug Manner, die Machtspielchen um der Macht willen albern finden, die stereotype Rollenerwartungen hinterfragen. Ich wunsche mir eine gro?ere Vielfalt und Sichtbarkeit von unterschiedlichen Kompetenzen, Starken und Lebensentwurfen, da hat die Branche eine Vorbildfunktion.