BücherFrauen

Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

#lesbar im Juli

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Jeden Monat erscheinen im Netz so viele anregende und aufregende Texte, dass wir mit dem Lesen oft gar nicht mehr hinterherkommen. #lesbar sammelt diese Perlen und präsentiert sie jeden vierten Donnerstag im Monat auf dem BücherFrauen-Blog – handverlesene Lese- und Teilempfehlungen zu Themen, die BücherFrauen und andere buchbewegte Menschen interessieren.

Von Sommerpause war in der Buchbranche im Juli wenig zu spüren. Im Selfpublishing-Bereich sorgte das neue Abrechnungssystem von Amazon für heftige Diskussionen, während gleichzeitig die Ergebnisse der neuen Selfpublisher-Studie zeigten, wie vielfältig die Möglichkeiten des Selbstverlegens inzwischen sind. Weitere Facetten der Branche werden in Porträts einer Verlagsgründerin und einer Korrekturleserin lebendig. Wir sind immer wieder froh, von Power-Frauen, ihren Ideen und ihrem Mut zur Selbstverwirklichung zu lesen – besonders wenn gleichzeitig eine so renommierte Zeitschrift für Jugendliche wie die „Bravo“ ihren jungen Leserinnen 2015 noch nahelegt, sich passiv und tollpatschig zu geben, um männliche Zuneigung zu gewinnen. #lesbar ist denn auch nicht deren Artikel, sondern der entsetzte Widerspruch, der im Netz weite Kreise zog.

Zum 1. Juli führte der Online-Versandhändler Amazon ein neues Abrechnungssystem für Titel seiner E-Book-Flatrate ein. Es sieht vor, dass die Autorinnen und Autoren keinen festen Anteil vom Buchpreis mehr erhalten, sondern ein Honorar pro gelesene Seite. Die Reaktionen in der Buchbranche fielen sehr gemischt aus. Bestseller-Autorin, PEN-Beisitzerin und BücherFrau Nina George weist in einem Interview auf mögliche Folgen für die Branche hin: „Aber wenn man anfängt, für Leihmodelle zu arbeiten, wo nach Seite bezahlt wird, wird man nicht mehr das schreiben, was man will. Man wird das schreiben, was am meisten Geld bringt. Die Literatur wird eine andere.“

Sehr persönlich und mit wunderschönen Illustrationen versehen schildert Nathalie Bromberger, wie sie dazu gekommen ist, in diesem Jahr den Zacken Verlag zu gründen: „Heute frage ich mich eher, warum es so lange gedauert hat, bis ich mich entschieden habe, meinen eigenen Verlag zu gründen. Vielleicht hatte ich so oft gehört, dass kleine Verlage keine Chance haben, dass ich den Wunsch gar nicht erst zugelassen habe. Vielleicht auch hat es mit meinem Bild von Verlegern zu tun – die Verleger in  meiner Erinnerung sind Männer mit runden Bäuchen und vollen Bärten, die mit schwierigen Worten über schwierige Bücher reden. Nicht wirklich geeignet als Identifikationsfigur.“

Im Impressum eines Buchs tauchen sie nicht auf, aber ohne sie wäre so mancher Text kaum lesbar: die Korrektorinnen und Korrektoren. Dieses schöne Porträt gewährt einen Einblick in die Arbeit von Viktoria Kaiser, die seit über 30 Jahren dem Fehlerteufel auf der Spur ist und sowohl Licht- als auch Schattenseiten des Berufs genau kennt: „Die stille und einsame Arbeit ist kein einfaches Los. So unverzichtbar sie ist, so wenig bringt sie ein. Prekäre Selbstständigkeit ist die Regel, die Entlohnung mehr als karg. Mal gibt es etwas mehr als einen Euro pro Seite, meist aber weniger. Auch vom Ruhm fällt wenig ab.“

Was bringt es mir, online sichtbar zu sein? Wie viele Informationen muss ich über mich und mein Unternehmen preisgeben? Muss ich auf allen Plattformen vertreten sein? PR-Expertin Dr. Kerstin Hoffmann schreibt über digitale Sichtbarkeit und gibt Tipps für eine sinnvolle Online-Strategie: „Gerade für Unternehmer gilt: Wer sich den Versuch leistet, sich im digitalen Raum selbst abzuschotten und auf das rein Private zu beschränken, verkennt nicht nur die Gesetzmäßigkeiten zwischenmenschlicher Kommunikation. Er begibt sich auch valider Möglichkeit zur Pflege der Unternehmens- und/oder Personenmarke. Angenehm mag das nicht immer sein, aber es ist eine Entscheidung, die in ihren Folgen nun einmal nicht frei skalierbar ist. Man kann den Kuchen nicht aufessen und ihn behalten: Wer sichtbar sein will, ist dann – oh Wunder! – auch sichtbar.“

Für große Empörung sorgte im Juli ein Artikel der Teenie-Zeitschrift „Bravo“: Unter dem Titel „So fällst Du Jungs auf: 100 Tipps für eine Hammer-Ausstrahlung“ riet das Magazin jungen Mädchen, wie diese ihr Verhalten ändern könnten, um sich Jungs zu angeln (einige Beispiele: tiefer sprechen, bloß nicht zu freizügig kleiden, tollpatschig tun …). Unter dem Hashtag #FlirtennachBravo kommentierten Nutzer und Nutzerinnen in den sozialen Medien die Ratschläge teils spöttisch, teils entsetzt. Frau Meike veröffentlicht auf ihrem Blog einen Brandbrief an die „Bravo“: „Es mutet wie blanker Hohn an, ans Ende der Liste ein ‚Sei Du selbst‘ zu schreiben. Ganz im Ernst: alles in mir tut weh, wenn ich das lese. Ihr erzeugt damit eine Gesellschaft, in der Kinder lernen, dass sie sich von Anfang an verstellen müssen, um gemocht zu werden. Und in der Mädchen glauben, dass sie sich weniger machen müssen als sie sind – leiser, passiver, keuscher.“

Hilke-Gesa Bußmann und Matthias Matting haben die Ergebnisse der aktuellen Selfpublishing-Umfrage veröffentlicht. Über 900 Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben 50 Fragen rund um ihre Erfahrungen mit dem Veröffentlichen eigener Werke beantwortet: von ihren Einnahmen über die Wahl der Distributoren bis hin zum Lese- und Schreibverhalten. Die Ergebnisse gibt es nun schön aufbereitet online – nicht nur für Autoren und Autorinnen interessant!

Was findet Ihr #lesbar? Schickt uns Eure Artikelempfehlungen für den nächsten Monat!

Autor: Martha Wilhelm

Martha Wilhelm studierte Germanistik und Slavistik in Hamburg, absolvierte ein Verlagsvolontariat in Berlin und kehrte danach wieder an die Alster zurück. Hier machte sie sich selbstständig und arbeitet nun als Lektorin, Korrektorin und Autorin in den Bereichen illustriertes Sachbuch und Jugendbuch. Mehr Informationen gibt es auf ihrer Website (www.textwinkel.de). Sie freut sich über Austausch auf Facebook und Twitter.

Ein Kommentar

  1. Danke, ich freu mich, dass meine “Sieben Gründe” in diese tolle #lesbar-Liste erscheinen!

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