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Wenn die Wale an Land gehen

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Es gibt Dinge, die sind einfach unerklärlich. Warum gehen Wale an Land, wenn sie dabei riskieren zu sterben? Und „Warum hast du Mick eigentlich nie besucht?“ Diese Frage bringt Roswitha zum Nachdenken. Ja, warum eigentlich nicht?

Mick, ihre Jugendliebe, ihr bester Freund in Studientagen, der exzentrische Mittelpunkt ihrer Clique war aus der Enge der DDR ausgebrochen und hatte sich ins gelobte Land von Woodstock und Rock’n’Roll aufgemacht. Also reist Roswitha nach über zwanzig Jahren nach New York.

Da sie gar keine Adresse besitzt, muss sie Mick allerdings erst einmal suchen. Dabei trifft sie Menschen verschiedenster Herkunft, die alle aus demselben Grund ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten gekommen sind – Freiheit: der Cowboy, Jazzmusiker aus Erfurt, die wunderliche Wohngemeinschaft des Shelter Park House oder die junge Farbige Malenga. Sie alle kennen Mick und helfen Roswitha bei ihrer Suche. In Rückblenden erinnert sie die Zeit mit Mick und ihrer Clique im Leipzig der 1980er Jahre: Während die Strukturen der DDR unaufhaltsam bröckeln, nutzt die Clique mögliche Freiräume – Frau Pulver veranstaltet feuchtfröhliche Abende im Studentenclub, Roswitha fotografiert, Zappa dreht Filme mit seiner Super 8, und Mick initiiert sogar die Aufführung einer Rockoper. Für alle kommt die große Ernüchterung nach dem Studium mit dem Eintritt in Alltagstrott und Arbeitswelt, in denen der Staat trotz allem nach wie vor versucht, die Kontrolle zu behalten, und eingreift, wenn es „zu weit geht“.

Kathrin Aehnlichs zweiter Roman ist ein wunderbares Roadmovie mit sympathisch skurrilen Protagonisten. Sie alle haben ihre großen und kleinen Lebensträume. Und sie alle werden letztlich angetrieben von diesen Träumen und von der großen Sehnsucht nach einem anderen Leben – zeitlose und universelle Themen, von denen dieser Roman unterhaltsam, tragikomisch und mit viel Liebe zu seinen Figuren erzählt.

Dieser Buchtipp erschien erstmals in der Zeitschrift EMOTION, in der jeden Monat Rezensionen von BücherFrauen veröffentlicht werden.

Autor: Antje Zimmermann

Antje Zimmermann ist Literaturübersetzerin und Buchhalterin und lebt in Berlin. Seit zwei Jahren schreibt sie auf ihrem Blog www.berlinerlesezeichen.de über Literatur und die literarische Szene der Hauptstadt

Ein Kommentar

  1. Wie schön, dieser Roman begegnet mir nun schon zum zweiten Mal und betrifft ja auch meine Vergangenheit, sodass ich das als Zeichen nehme, dass ich ihn jetzt dringend lesen sollte.

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