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Ein Beitrag zur Debattenkultur in der Buchbranche

Wenn Netzwerke ineinander greifen – der Kölner Neujahrsempfang

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Zum 3. Mal organisierten die Kölner Regionalgruppen von neun bundesweiten Verbänden gemeinsam den Neujahrsempfang, bei dem die Vernetzung der Mitglieder über die Grenzen des eigenen Verbands hinaus im Mittelpunkt stand. Das Herzstück des Abends war wieder eine Podiumsdiskussion mit prominenten Expertinnen, dieses Jahr zum Thema „Courage – beherzt ins neue Jahr!“ Schon die Einladung machte Appetit: „Ob im Politikbetrieb, im Unternehmen oder bei den Einzelkämpferinnen: Die Stimmung macht’s! Gejammert wird genug. Deshalb wollten wir das Jahr beherzt und mit Zuversicht beginnen.“

Die Ausgangslage

Die Idee, mit anderen Verbänden eine gemeinsame Veranstaltung zu organisieren, hatte ich vor ein paar Jahren während meiner Zeit als Kölner Regionalsprecherin des Journalistinnenbundes. Durch mein Buch über Frauen-Netzwerke und meine Teilnahme an Veranstaltungen wie dem Internationalen Frauentag im Rathaus oder dem Frauen-Businesstag in der IHK bin ich in Köln ausgezeichnet vernetzt und kenne viele der engagierten Akteurinnen aus den unterschiedlichsten Netzwerken. Überall hörte ich dieselben Klagen: Alle bemühen sich, den Mitgliedern ein interessantes Programm zu bieten, aber die Resonanz wird immer geringer, die Bereitschaft zur Teilnahme an monatlichen Treffen oder gar zur Mithilfe nimmt immer mehr ab. Ein Zeitproblem vor allem, das man niemandem zur Last legen kann, das aber für die Sprecherinnen eine stete Quelle der Frustration darstellt.

Ursprünglich habe ich nur Medienfrauenverbände angesprochen, mit denen es auch schon Kooperationen z. B. bei Infoständen oder bei kleineren Veranstaltungen gab. Die Sache sprach sich herum und einige andere Verbände wollten ebenfalls mitmachen.

In diesem Jahr waren dabei:

Unsere Ziele waren vorrangig,

  • durch die Nutzung aller Verteiler für unsere Einladung eine größere Zielgruppe zu erreichen,
  • ein größeres Budget zu haben, weil jeder Verband einen Teilbetrag übernimmt, und damit auch in der Lage zu sein, den Referentinnen Honorare zahlen zu können,
  • den Mitgliedern Vernetzungsmöglichkeiten über ihre eigenen Verbände hinaus zu bieten,
  • und – besonders wichtig – eine größere Außenwirkung zu erzielen und damit unsere Verbände bekannter und attraktiver zu machen, auch für neue Mitglieder.

Also gibt es natürlich eine Presseerklärung, Werbung in den sozialen Medien, Ankündigung und Berichterstattung auf den Verbandswebseiten und während der Veranstaltung wird getwittert was das Zeug hält.

Auszug aus den Tweets von 2016.

Auszug aus den Tweets von 2016.

Was mir aber bei der ganzen Initiative fast am Wichtigsten ist: Wir haben Spaß miteinander! Wir planen nicht allein im Kämmerlein, sondern wir tauschen uns aus, beflügeln uns gegenseitig mit unseren Ideen, schöpfen bei inhaltlichen Überlegungen und auch bei der Suche nach den passenden Expertinnen, Referentinnen und Moderatorinnen aus einem neunfachen Pool von Wissen, Kompetenzen und guten Beziehungen. Das ist für uns alle eine große Freude! Und dabei regnet es gegenseitige Anerkennung, die uns allen Mut und Lust macht, uns weiter zu engagieren, auch wenn es ab und zu schwierig oder frustrierend ist.

Die Umsetzung

Mit der Melanchthon-Akademie hatten wir von Anfang an einen großartigen Partner, denn als Mitveranstalter übernahm die Akademie die Ticketverkäufe sowie die Verwaltung des Budgets und enthob uns jeglicher administrativer Sorgen wie Versicherungen, Ausschanklizenzen oder ähnlichen bürokratischen Hürden. Wir durften die Räume für eine sehr geringe Miete nutzen und konnten uns auf die inhaltliche Gewichtung und die Gestaltung des Abends konzentrieren.

Und ja! Wir haben Eintritt verlangt. Die Tickets waren mit 15 Euro erschwinglich; sie deckten das italienische Buffet, den Begrüßungsdrink und alle Soft-Getränke ab. Das Catering war bei allen drei Empfängen dasselbe und so waren mittlerweile alle Abläufe schon gut eingespielt, sodass Veränderungen im Orgateam kein Problem darstellten. Dabei ist aber zu betonen, dass jedes teilnehmende Netzwerk wenigstens zwei zuständige Frauen benennt, damit gewährt ist, dass bei allen Vorbereitungstreffen möglichst alle mitbestimmen können.

Netzwerkern beim Neujahrsempfang. Foto: Jana Filmer.

Netzwerken beim Neujahrsempfang. Foto: Jana Filmer.

Solche Kooperationen machen inzwischen in allen Großstädten Schule, denn die Probleme der Regionalgruppen gleichen sich bundesweit. Mittlerweile haben es eigentlich auch alle kapiert, dass es keinen Sinn macht, die anderen Verbände als Konkurrenz wahrzunehmen. Politisch und gesellschaftlich kommen wir weiter, wenn wir uns zusammentun und mehr geballte Frauen-Masse in die Waagschale werfen können. Das gräbt keinem der Verbände das Wasser ab, denn die Ausrichtung jedes Verbandes ist so speziell und einzigartig, dass sie sich gegenseitig keineswegs überflüssig machen, nur weil sie ihre gemeinsamen politischen Ziele kooperativ verfolgen.

Schon unser erster Neujahrsempfang war ausverkauft, beim zweiten gab es bereits eine kleine Warteliste und dieses letzte Mal war es übervoll und die Warteliste zählte 40 Namen. Wir sind alle schrecklich stolz auf diesen Erfolg! Offenbar haben wir mit dem Veranstaltungsformat einen Nerv getroffen. Trotzdem wollen wir nicht den Veranstaltungsort wechseln, um mehr Teilnehmerinnen aufnehmen zu können. In der Akademie können wir maximal 95 Personen zulassen und das ist genau richtig, damit sich alle gegenseitig wahrnehmen, alle zu Wort kommen und man das Gefühl hat, einem besonderen Abend beizuwohnen, nicht zuletzt weil die Referentinnen zum Essen bleiben und für die Teilnehmerinnen ansprechbar sind.

Themen und Gäste

Für den ersten Neujahrsempfang hatten wir uns Wikipedia und die Bemühungen, mehr Frauen als Autorinnen zu gewinnen, zum Thema gemacht. Beim zweiten Empfang ging es um Empfehlungsnetzwerke. Und letzten Samstag schließlich hatten wir „Courage“ als Thema angekündigt. Wir hatten im Vorfeld natürlich auch das alles beherrschende Thema „Flüchtlinge“ im Blick, aber hatten uns dagegen entschieden, weil wir dem Anlass gemäß lieber etwas bieten wollten, was den Frauen persönlich weiterhelfen könnte. Mit „Courage“ waren wir dann nach den dramatischen Ereignissen von Silvester, ausgerechnet am Kölner Hauptbahnhof, natürlich wieder mitten in der aktuellen Debatte gelandet. Mit unseren Gästen haben wir dann intensiv über die verschiedenen Aspekte von „Courage“ diskutiert.

Wie jedes Mal hatten wir auch dieses Mal eine in einer städtischen Institution bedeutende Frau um ein Grußwort gebeten. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Christine Kronenberg, hatte unsere Einladung gerne angenommen und hielt eine ihrer gewohnt launigen Ansprachen, gewürzt mit ermutigenden Zitaten, wie z. B. diesem: „Du hast die gläserne Decke – ich habe einen Hammer.“

Als besonderes Beispiel für Zivilcourage war Marliese Berthmann dabei, die pensionierte Grundschullehrerin, die die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker gegen die Messerattacke verteidigt hatte und dabei selbst schwer verwundet wurde. Sie erzählte, dass sie das riesige Messer des Angreifers nicht gesehen hatte, sonst hätte sie sich nicht so ohne Weiteres dazwischen geworfen. Aber es wurde auch offenbar, dass sie eben doch eine ungewöhnlich mutige Person ist, die ihr gesamtes Berufsleben an Schulen in sozialen Brennpunkten verbracht hatte und sich dort auch bei den frechsten Bengeln immer hatte Respekt verschaffen können. An sich selbst glauben, mit Überzeugung auftreten und keine Angst zeigen sind ihr Erfolgsrezept.

Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion. Foto: Eva Hehemann.

Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion v.l.n.r.: Melek Balgün, Silke Räbiger, Dagmar Kieselbach, Kadriye Acar. Foto: Eva Hehemann

Kadriye Acar von den Neuen deutschen Medienmachern moderierte auf persönliche Art die anschließende Podiumsdiskussion mit drei Frauen, die sich erfolgreich ihre Stellungen erkämpft haben und von denen sich jede auf ihre Weise für Frauen in Männer-Domänen einsetzen. Melek Balgün, die jüngste der Runde, ist erfolgreiche Gamerin und moderiert für ESL-TV. Ihrer Mutter verdankt sie ihr Motto: „Nicht jammern, wenn du etwas nicht bekommen kannst, geh’ auf Angriff!“ Silke Räbiger leitet seit vielen Jahren das Frauenfilmfestival Köln-Dortmund; sie erzählte von der Notwendigkeit der unermüdlichen Lobby-Arbeit und schockierte uns mit der Information, dass die Stadt Köln dem Festival 2016 keine Werbeflächen mehr zugestanden hat. Beim vorletzten Mal waren es noch 200 Flächen gewesen, beim letzten Mal schon nur noch 100 in den Außenbezirken, jetzt eben gar keine mehr. Diese mangelnde Unterstützung dürfe man nicht hinnehmen, da sei ein Kampf mit der Politik nötig.

Und Dagmar Kieselbach, die langjährige Redaktionsleiterin von FrauTV im WDR, erzählte von der prekären Existenz dieser letzten spezifischen Frauen-Sendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: „Wir müssen Quote machen, sonst werden wir abgeschaltet“. Sie und Silke Räbiger waren sich einig: „Sobald es um Geld und Macht geht, weht Frauen ein eisiger Wind entgegen. Dann kämpfen Männer mit harten Bandagen gegen die unliebsame Konkurrenz“. Aber Aufgeben ist für beide keine Option, schon gar nicht jetzt, wo das Thema sexuelle Gewalt endlich die gesellschaftliche Debatte bestimmt. Da gibt es noch viel für die Frauen zu erstreiten, um ihre Freiheit nicht nur gegen zugewanderte kriminelle Männerbanden aus Nordafrika zu verteidigen, sondern um sie auch gegen die alltäglichen Übergriffe westlicher Männer zu schützen, die so gerne verharmlost werden.

Die Fragen aus dem Publikum drehten sich dann um die scheinbar immer gleichen Probleme und Forderungen nach mehr Teilhabe, mehr Sichtbarkeit, gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit, mehr Chancen und vor allem auch mehr Solidarität unter uns Frauen. Für letzteres, denke ich, ist unsere Gruppe von Sprecherinnen aus den verschiedenen Netzwerken, die noch am Abend schon wieder neue Ideen sammelten für die nächste gemeinsame Veranstaltung, aber doch ein wunderbares Vorbild, zur Nachahmung sehr zu empfehlen.

Autor: Eva Hehemann

1957 in Köln geboren. Nach dem Abitur eine fotografische Ausbildung in München, anschließendes Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft in Köln, mit Magisterabschluß. Berufseinstieg als Lektorin für Fotobücher beim Benteli Verlag in der Schweiz, dann mehr als vier Jahre Buchgestalterin bei Thames and Hudson in London. Schließlich als Buch-Herstellerin erst beim Schirmer/Mosel Verlag, dann bei Gräfe und Unzer in München tätig von 1993 bis 1997. Nach der Geburt des ersten Kindes und seither Arbeit als freie Fotografin. Lebt seit 2003 mit ihrem Mann und zwei Kindern in Köln. 2010 erschien ihr Buch "Frauengesellschaft(en) in Deutschland - von der privaten Feier bis zum Berufsverband" im AvivA-Verlag.

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