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Worte können tödlich sein

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Weltweit wurden im Jahr 2013 dreiunddreißig Autoren und Autorinnen ermordet, über neunhundert sind in Haft – laut offiziellen Statistiken. Die Wahrheit dürfte grausamer aussehen. Während der am 18. Mai 2014 zu Ende gegangenen PEN-Jahrestagung in Schwäbisch Hall sprach auch die verfolgte Journalistin Ana Lilia Pérez über die massive Bedrohung von Schriftstellerinnen in Mexiko. 

„Ich danke dem PEN-Zentrum Deutschland, dass ich das erste Mal seit sechs Jahren ohne schusssichere Weste das Haus verlassen darf, dass ich schlafen kann ohne Angst zu haben, nicht mehr aufzuwachen, und dass ich hier nun in einem Land bin, in dem die Presse und die Schriftsteller ihre Regierung kritisieren.“

Die in Mexiko bedrohte Journalistin und Schriftstellerin Ana Lilia Pérez, Writers-in-Exile-Stipendiatin, erzählte von der zutiefst bedrohlichen Situation für Journalistinnen, Schriftstellerinnen und Bloggerinnen ihres Heimatlandes.

„Mexiko ist das zurzeit gefährlichste Land für Autorinnen und Autoren“

In ihrem Heimatland wurde die 35-Jährige mit Morddrohungen und willkürlichen Haftbefehlen unter Druck gesetzt, nachdem sie illegale Drogen- und Geldgeschäfte aufdeckte, und die Verflechtungen der Mafiakartelle mit Behörden und Regierungen.
Die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte hat Pérez 2012 nach Deutschland eingeladen, seit 1. Juli ist die  Journalistin Stipendiatin des deutschen PEN-Programms „Writers in Exile“, das Exil-Autorinnen und Autoren mit Geld, Schutz und Wohnungen in vier deutschen Städten unterstützt.

Pérez sprach in Schwäbisch Hall mit dem ehemaligen Korrespondenten der SZ, Volker Skierka und der Schriftstellerin Gabriela Jaskulla, über ihren Berufsalltag, in dem die „falschen“ Wörter tödlich sind. Pérez verließ das Haus nur noch mit vier Bodyguards, ihre Mutter wurde bedroht, kein Verlag im Land wagte es, ihre Bücher zu drucken aus Angst vor tödlichen Repressalien. Pérez‘ Bücher Camisas Azules, Manos Negras (Blaue Hemden, schwarze Hände, Random House) und El Cártel Negro erschienen bei Random House.

„Mexiko ist das zurzeit gefährlichste Land für Autorinnen und Autoren“, sagte sie; der Staat habe keine Kontrolle mehr, die Drogenmafia das Land übernommen.

„Es sind weltweit über 800 Schriftsteller inhaftiert, aber kein Dutzend  Unternehmer oder Politiker“ ergänzte der Präsident des Internationalen PEN, der Kanadier John Ralston Saul bei seiner Rede vor den Mitgliedern. Die Macht der Worte kann auch tödlich sein – für jene, die sie schreiben.

„Ich danke dem PEN-Zentrum Deutschland, dass ich hier leben darf, ohne Angst vor Gefängnis, Folter oder Tod“

Der chinesische Blogger, Menschenrechtsaktivist und Exilschriftsteller Liu Dejun bedankte sich für diesen Einsatz mit einer bewegenden Rede. „Ich danke dem PEN-Zentrum Deutschland, dass ich hier leben darf, ohne Angst vor Gefängnis, Folter oder Tod“, sagte der 37-Jährige. Der Menschenrechtsaktivist Liu wurde 2010 von der Polizei entführt, misshandelt und ausgesetzt. Der Künstler des Widerstands, Ai Weiwei verarbeitete dies in einem Dokumentarfilm.

 Für die einen tödlich. Für die anderen nur ein paar Cents wert

Die aktuell sieben Stipendiaten des Writers in Exile-Programmes des PEN Deutschland berichteten in eindringlichen Worten von der unzumutbaren, gewalttätigen, bestürzenden und antidemokratischen Situation für Schreibende in ihren Herkunftsländern, wie Mexiko, China, Aserbaidschan, Tunesien oder Vietnam.

Von der Vielfalt zur Einfalt? Impuls-Referat, PEN-Tagung 2014

Von der Vielfalt zur Einfalt? Impuls-Vortrag von Roger Willemsen, PEN-Tagung 2014, Schwäbisch Hall

 

Am 16. Mai 2014 gab Roger Willemsen einen Impuls-Vortrag zum Thema : „Von der Vielfalt zur Einfalt? – Über Veränderungen in der Medienlandschaft“:

„Der Inhalt macht die Relevanz, nicht der Preis. Der Wert der Reportagen, der Sendungen, der Bücher ist das, was sie mit der Gesellschaft, mit dem Denken, der Kommunikation zwischen Menschen, dem Fühlen und Handeln tun und auslösen“ – ein Satz, der in der  Debatte um „Kulturflatrates“ oder „unbegrenzte Privatkopien“ mehr denn je den Zynismus aufdeckt, mit dem Wörter,  für die einen tödlich, für die anderen nicht mal ein paar Cents wert sind.

 Die Tagung des PEN-Zentrums Deutschland fand von Donnerstag den 15. Mai bis Sonntag, 18. Mai 2014 in Schwäbisch Hall statt. Die Mitgliederversammlung, deren Verhandlungen (außer die Anträge der Zuwahlen) stets öffentlich sind, verabschiedeten verschiedene Resolutionen wie die Unterstützung für die PEN-Zentren in der Ukraine und Russland, für die Freiheit des Wortes in der Türkei, und ein Positionspapier zum Urheberrecht, das sich  für die Durchsetzung der Urheberrechte ausspricht,  vor datenschutzbedenklicher Kontrolle im Internet warnt, sowie Informations-Monopole kritisiert, die die Nutzungsrechte der Autoren und Autorinnen zu ihrem Vorteil schwächen wollen.
13 der 17 Neumitglieder – darunter Tanja Dückers und Silke Scheuermann –  stellten sich am Freitag bei einer langen Lesenacht vor, am Sonntag schloss die Tagung mit einer Jugendbuchmatinee.
Das PEN-Zentrum Deutschland ist eine der weltweit über 140 Schriftstellervereinigungen, die im PEN International vereint sind. Die drei Buchstaben stehen für die Wörter Poets, Essayists, Novelists.  Der PEN wurde 1921 in England gegründet. PEN hat sich als Anwalt des freien Wortes etabliert, er gilt als Stimme verfolgter, diskriminierter und unterdrückter Schriftsteller und Schriftstellerin.
Auf die Situation von inhaftierten und bedrohten Autoren und Autorinnen aufmerksam machen, die Welt erinnern, dass die Freiheit des Wortes und das Leben kritischer Autorinnen und Schriftsteller, Blogger und Journalistinnen in Gefahr ist: Das ist eine der Hauptaufgaben, denen sich der PEN weltweit widmet. Aber auch Kontakt und Solidarität zu  inhaftierten Schriftstellern zu halten, und die in ihrer Heimat verfolgten Autoren und Autorinnen in Deutschland aufzunehmen, gehören zu den Kernthemen, zu denen sich das PEN-Zentrum und seine Mitglieder mit einer Charta verpflichten.

Autor: Nina George

Die mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin Nina George schreibt Romane, Sachbücher, Thriller, Reportagen, Kurzgeschichten sowie Kolumnen. Ihr Roman „Das Lavendelzimmer" stand 63 Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, wird in 35 Sprachen übersetzt und war u.a. New York Times Bestseller. Mit ihrem Ehemann, Schriftsteller Jo Kramer, schreibt sie unter „Jean Bagnol“ Provencethriller. Nina George ist Beirätin des PEN-Präsidiums und WWC-Beauftragte, Bundesvorstandsmitglied des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, sowie Gründerin der Initiative Fairer Buchmarkt. Sie lebt in Berlin und der Bretagne. 2017 wurde George als BücherFrau des Jahres ausgezeichnet. www.ninageorge.de

Ein Kommentar

  1. Als ich vor einigen Jahre Mexiko bereist habe, konnte ich als Touristin durch die Militär-Präsenz und -Aktivität eine Idee davon bekommen, wie es sich in diesem Land lebt. Es ist gut, dass Autorinnen wie Pérez wenigstens im Ausland ein Bühne erhalten!

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