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Einmal Chick-Lit, immer Chick-Lit? Ein Plädoyer gegen Schubladendenken

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Wer sich für den Übersetzerberuf entscheidet, tut dies meist aus Leidenschaft und mit einer guten Portion Idealismus. Dieser Idealismus wird immer wieder hart auf die Probe gestellt, und das nicht nur aufgrund der schlechten Honorierung und der mangelnden Anerkennung. Als BerufsanfängerIn ist man über jeden Auftrag überglücklich. Man nimmt, was man kriegen kann, und wenn der Auftraggeber mit der Arbeit zufrieden ist, bekommt man einen Nachfolgeauftrag. Meist ist das thematisch und stilistisch ein ganz ähnliches Projekt, was an sich nichts Schlimmes ist. Und dennoch ist man, ohne es zu merken, schwupps!, in die Schubladenfalle getappt. In den meisten Fällen bekommt man danach einfach nichts anderes mehr angeboten und selbst die größten Anstrengungen tragen keine Früchte

So kann es sein, dass der erste Auftrag über die gesamte Übersetzerkarriere entscheidet. Das ist ziemlich ungerecht, weil es vom Zufall und dem Spezialgebiet der jeweiligen Lektorin abhängt. Fängt man zum Beispiel mit Frauenunterhaltung an, leicht despektierlich auch Chick-Lit genannt, ist es wahnsinnig schwer, auch nur an einen Krimi zu kommen. Warum? Unterhaltungsliteratur ist Unterhaltungsliteratur.

Ein Wechsel zu Büchern mit literarischem Anspruch scheint ganz unmöglich. Das ist sehr schade, da es einem nicht nur die Chance nimmt, sich als ÜbersetzerIn ein Renommee zu schaffen, sondern es auch unmöglich macht, sich um Stipendien zu bewerben, die unser kärgliches Honorar aufbessern und natürlich unser Ansehen steigern können. Ich habe von Kolleginnen gehört, die sich für jedes Genre ein anderes Pseudonym zulegen, um ihre Karrierechancen nicht zu gefährden. Dabei ist es sogar üblich, für Autorinnen ein weibliches und für Autoren ein männliches Pseudonym zu wählen. Ganz besonders ist ein Pseudonym ÜbersetzerInnen von Kinder- und Jugendbüchern anzuraten, die auch erotische Literatur im Repertoire haben, da es die potenziellen Kunden und Kundinnen irritiert, wenn sie im Internet nach einem Kinderbuch suchen und ihnen plötzlich auch Erotik-Titel als Treffer präsentiert werden.

© Christian Alexander Hoffmann

© Christian Alexander Hoffmann

Einmal Genreliteratur, immer Genreliteratur?

Warum ist das so? Natürlich ist diese Vorgehensweise verständlich. Der Verlag geht damit auf Nummer sicher. Auch für den Übersetzer oder die Übersetzerin ist es zunächst angenehm, weil er oder sie sich in dem Genre schon auskennt und darin weitere Erfahrungen sammeln kann. Meist ist man ja auch mit viel Spaß dabei. Das Problem ist nur: Spätestens nach dem zehnten Mal wird’s langweilig. Motivationsprobleme stellen sich ein.

Vielleicht geht es ÜbersetzerInnen anspruchsvoller Literatur ganz ähnlich. Vielleicht würden auch sie sehr gern zwischendurch einmal einen Text übersetzen, bei dem sie nicht über jeder Metapher brüten müssen, bei dem sie auch ein paar Sätze einfach „runterübersetzen“ können und eventuell, wenn sich das Buch gut verkauft, Tantiemen einstreichen können.

ÜbersetzerInnen sind ehrgeizig, lieben die Abwechslung und suchen immer neue Herausforderungen. Eintönigkeit tötet jede Kreativität. Je interessanter man den Text findet, desto motivierter ist man bei der Sache. Deshalb wäre es im Interesse der Verlage, diesem Wunsch nach Abwechslung entgegenzukommen. Ich selbst habe Lektorinnen schon oft darum gebeten, mir „mal was anderes“ zu geben. Es funktioniert einfach nicht. Auch der Versuch, durch das Erstellen von Inhaltsgutachten für Jugendbuchverlage an ein Übersetzungsprojekt zu kommen, ist grandios gescheitert. Auch dort scheint das Schubladendenken vorzuherrschen: einmal Gutachterin, immer Gutachterin.

 

Dieser Blogbeitrag ist bereits im September 2014 in der Zeitschrift eselsohr erschienen.

Autor: Antje Althans

Antje Althans übersetzt seit 1997 Belletristik mit Schwerpunkt Frauenunterhaltung aus dem Englischen und ist seit 2012 Regionalsprecherin der BücherFrauen Göttingen-Kassel. www.xing.com/profile/Antje_Althans

5 Kommentare

  1. Da geht es Übersetzerinnen leider ähnlich wie manchen Autorinnen, die sich für einen Genre-Wechsel ein Pseudonym zulegen (müssen).

  2. Liebe Antje,

    dass es solche Festschreibungen gibt, ist ja furchtbar und war mir in dieser Dimension überhaupt noch nicht bewusst.
    Wenn Du magst, kannst Du diesen Artikel zur weiteren Verbreitung gerne auch als Gastbeitrag auf meinem Blog im Rahmen des Themas “Buch” veröffentlichen, in dem Übersetzungsarbeit von Literatur schon mehrfach beschrieben wird.

    Herzliche Grüße
    Evy

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