Seit Jahrzehnten setzen sich Frauen dafür ein, dass ihre Interessen nicht nur wahrgenommen, sondern auch ernst genommen werden, dass ihre Bedürfnisse sichtbar werden, ebenso wie das, was Frauen im Laufe der Jahrtausende geleistet haben. Und dass sie auch sprachlich sichtbar werden. So wurden Formulierungen in Ausweisen geändert, waren sie endlich grammatikalisch korrekt „Inhaberinnen“. Sprachlich unsinnige Formulierungen, wie dass die Menstruation bei „jedem“ gleich sei, geändert. Langsam, sehr langsam wurden Frauen etwas sichtbarer in der Sprache, wie auch in der Gesellschaft.
Nun fand sich kürzlich eine kleine, eher unscheinbare Nachricht im Börsenblatt, ein Hinweis darauf, dass ein Autor für ein Buch ausgezeichnet wird, völlig neutral formuliert, unkommentiert. Aber schon der Grund ließ hellhörig werden: Der Autor würde „überzeugend und allgemeinverständlich die Argumente der feministischen Sprachkritik“ entkräften. Bei genauerem Hinsehen geht es dem Autor keineswegs nur um Sprache, sondern es geht ihm um den Feminismus als solchen, wie schon ein kurzer Blick in die Einleitung des Buches deutlich macht: Nicht Frauen, sondern Männer seien Opfer der patriarchalen Strukturen.
Sichtbarkeit von Frauen in der Sprache – ein steiniger Weg
Ich erspare mir hier das Eingehen auf seine Argumentation, die inhaltlich nur eins ist: die Argumentation der Männerrechtsbewegung, die antifeministische bis frauenfeindliche Positionen vertritt. Nun sind uns solche Entgegnungen wahrlich nicht neu. Von Anfang an gab es Menschen, die sich gegen eine Veränderung der Sprache ausgesprochen haben, ganz als ob diese etwas Feststehendes wäre. Gegen inhaltliche Argumente haben sie sich auch immer schon zur Wehr gesetzt, so fanden sie z. B. Sichtbarkeit von Frauen überflüssig. Frauen seien in Deutschland schließlich rechtlich gleichgestellt. Und damit haben sie dann scheinbar auch gleich ganz den Mund zu halten. Dass sie sichtbar sein wollen, Gesellschaft mitgestalten, mitreden wollen, geht vielen dann doch zu weit – ganz gleich sollen sie nicht werden, im Gegenteil, sie sollen wieder in eine untergeordnete Rolle zurückgedrängt werden.
Sprachpolitische Forderungen der Deutschen Sprachwelt – verkrustet und rückständig
Ausgezeichnet wird der Autor von der Deutschen Sprachwelt, die in ihren sprachpolitischen Forderungen u. a. verlangen, dass die deutsche Sprache von politischem Missbrauch zu schützen ist. Wobei sich natürlich gleich die Frage stellt, was sie unter politischem Missbrauch versteht. Immer wieder werden Menschen geehrt, die sich gegen Gender-Mainstreaming, gegen Sichtbarkeit von Frauen in der Sprache einsetzen. Aber es geht nicht nur um Frauen, sondern auch um Rassismus, wie z. B. an ihren sogenannten Sprachsündern deutlich wird. Leser (und vermutlich dürfen sich die Leserinnen hier wieder einmal mitgemeint fühlen), sollen diese zu einem „gepflegteren Deutsch“ auffordern(!). Was genau das sein soll, bestimmt scheinbar die Deutsche Sprachwelt mit ihren „sprachpolitischen Forderungen“ selbst. In dieser „Sünder-Ecke“ standen z. B. der Thienemann-Verlag, als dieser das rassistische N-Wort aus einem Kinderbuchklassiker gestrichen hat, sowie die Universität Leipzig, die beschlossen hat, in ihrer Grundordnung – und nur dort! – feminine Personenbezeichnungen gleichermaßen für Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gelten zu lassen. Dies wird auf der Webseite der Deutschen Sprachwelt völlig verkürzt und falsch dargestellt. Aber wie es von der Rektorin der Universität Leipzig Prof. Dr. med. Beate A. Schücking ganz richtig heißt:
Schon der Begriff des angeblichen „Gender-Wahnsinns“, wie Forderungen von Frauen häufig genannt werden, weist darauf hin, worum es geht: Frauen sollen wieder einmal für verrückt erklärt werden, dann brauchen sie auch nicht mehr ernst genommen zu werden. Auch das ist nichts Neues, wie Frauen „verrückt“ gemacht werden, kann in Phyllis Cheslers „Frauen – das verrückte Geschlecht?“, das auf Deutsch bereits 1974 erschienen ist, nachgelesen werden.
Dass es Bücher gibt, die wir nicht brauchen, die erzkonservativ und frauenverachtend sind, ist nichts Neues. Neu ist nur, dass diese jetzt auch noch ausgezeichnet werden, dass diese Art von Frauenverachtung jetzt wieder zunehmend salonfähig gemacht werden soll und als fundierte Kritik bezeichnet wird.
Es gibt noch viel zu tun – packen wir’s an!
4. April 2017 um 14:26
Hallo Doris, wenn Sabine Schmidt nicht grad in der ML noch mal nachgefragt hätte, was aus der Auszeichnung geworden ist, hätte ich Deinen Text wohl verpasst. Gut gebrüllt, Löwin, danke für Deinen Beitrag, der mir sehr gefallen hat!