Am 10. Mai 1933 wurden die Werke von etwa 130 Autoren und Autorinnen öffentlich verbrannt, die auf der Schwarzen Liste standen. Für viele von ihnen bedeutete dies ein allgemeines Publikationsverbot, während von einigen nur ein einzelnes Buch verboten wurde.
Auch wenn bei den sogenannten „Feuersprüchen“, bei denen die Werke der entsprechenden Autoren ins Feuer geworfen wurden, keine Autorinnen genannt wurden, waren bereits auf der ersten Liste zahlreiche Autorinnen und ihre Werke vertreten, so beispielsweise von Maria Leitner, Gina Kaus, Irmgard Keun, Anna Seghers und Adrienne Thomas.
Aufgrund der Schwarzen Liste wurde „schädliches und unerwünschtes Schrifttum“ indiziert und ausgesondert. Die Bücher der Autorinnen und Autoren, die auf dieser Liste standen, wurden bei der Aktion „Wider den undeutschen Geist“ am 10. Mai 1933 nicht nur öffentlich verbrannt, sondern auch aus Buchhandlungen und Bibliotheken entfernt. Zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller mussten ins Exil ausweichen beziehungsweise hatten Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen.
Eine Ausnahme war die Schriftstellerin Christa Anita Brück, deren erster Roman Schicksale hinter Schreibmaschinen von 1930 zwar auf dieser Liste stand, aber sie erhielt kein grundsätzliches Publikationsverbot. Auf der Liste von 1935 taucht der Titel schon nicht mehr auf.
Dem nationalsozialistischen Weltbild von Frauen, die auf die Rolle von Hausfrau und Mutter reduziert werden sollten, entsprechen die Protagonistinnen in Brücks Romanen jedoch in keinster Weise. Sowohl in ihrem Debüt Schicksale hinter Schreibmaschinen als auch in ihrem zweiten Roman Ein Mädchen mit Prokura von 1932 sind es junge Frauen, die ihre Arbeitsstellen nicht als vorübergehende Lösung sehen, bis sie einen Ehemann gefunden haben, sondern die in der Erwerbsarbeit ihren Lebensmittelpunkt sehen und weiterkommen wollen. Liebesbeziehungen spielen keine Rolle.
In ihrem Debüt beschreibt Brück die Schikanen und Willkür, mit denen weibliche Angestellte immer wieder an ihren Arbeitsstellen durch ihre Chefs konfrontiert werden, genauso wie sie immer wieder sexuelle Übergriffe an ihrem Arbeitsplatz erleben müssen. Möglicherweise führte Letzteres dazu, dass dieses Buch 1933 gleich auf die erste Liste der „schädlichen und unerwünschten Literatur“ der Nationalsozialisten gesetzt wurde.
„Vierzig mal zittern, was wird doch nun wieder kommen, welche Sorte von Elend, welche Variante von Quälerei, denn die paar guten Arbeitgeber, die ich hatte, kann ich zählen.“ (aus: Schicksale hinter Schreibmaschinen)
Trotz aller negativen Erfahrungen begibt die Protagonistin sich nicht auf die Suche nach einem Ehemann, der sie aus diesem Arbeitselend erlösen soll, sondern sucht sich immer wieder einen neuen Arbeitsplatz, fängt immer wieder neu an und hofft, dass es dort besser sein wird, denn sie arbeitet gerne und weiß, dass die Arbeit sie auch erfüllen könnte – wenn die Umstände andere wären.
Am Ende des zweiten Romans, in der eine leitende Angestellte einer Bank während der Bankenkrise von 1931 im Mittelpunkt steht, findet diese eine gute Anstellung, in der sie endlich – neben Männern – ihr Können unter Beweis stellen kann, was den Frauen in ihrem ersten Roman aufgrund ihres Frauseins noch verwehrt wurde. Anders in der Verfilmung des Romans 1934: Diese endet mit ihrer Heirat.
Über die Autorin ist bis heute nur wenig bekannt, auch nicht, wie sie sich in der Zeit des Nationalsozialismus positionierte und wie sich das auf ihr Schreiben auswirkte. Zwei weitere Romane von ihr erschienen noch:
Der Richter von Memel (1933 im Berliner Ullstein Verlag)
Die Lawine (1941 im Berliner Deutscher Verlag, wie der Ullstein Verlag nach der Arisierung genannt wurde)
Brücks Romane sind weitgehend in Vergessenheit geraten, nur der Titel ihres Debüts taucht in der Literaturwissenschaft auf, wenn es um junge arbeitende Frauen in der Weimarer Republik geht.
Diese Ausnahmeerscheinung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten, die auf den Verbotslisten der Nazis standen, grundsätzlich nicht mehr in Deutschland veröffentlichen konnten und das Land auch oft verlassen mussten, um überhaupt zu überleben.
Zum Weiterlesen:
Porträt von Christa Anita Brück
Verboten und verbrannt : Hilde Marx
Verboten und verbrannt: Rahel Sanzara
Verboten und verbrannt: Gina Kaus
5. Juni 2020 um 16:31
Liebe Doris, vielen, vielen Dank für diese Serie jeweils zum Jahrestag der Bücherverbrennungen, mit der Du an Exilschriftstellerinnen erinnerst. Letztes Jahr habe ich durch Deinen Artikel Gina Kaus entdeckt und Luxusdampfer und die Schwestern Kleh gelesen! Herzliche Grüße, Gabriele
9. September 2020 um 22:59
Mittlerweile ist Christa Anita Brück nicht mehr ganz vergessen. “Schicksale hinter Schreibmaschinen” und “Ein Mädchen mit Prokura” sind online wiederveröffentlicht. Sie könnten das vielleicht erwähnen (bei fembio), aufdaß die Autorin von noch mehr Menschen wiederentdeckt wird…
Danke und Gruß!
MvLüttichau